Armenier protestieren in Jerewan
Armenier protestieren gegen den Angriff auf Bergkarabach und fordern den Rücktritt von Premierminister Pashinyan / dpa

Bergkarabach - „Es ist ein viel größerer Konflikt, der dort stattfindet“

Aserbaidschan konnte seinen Angriff auf Bergkarabach praktisch ungehindert durchführen. Denn Armeniens angebliche Schutzmacht Russland hat nichts dagegen unternommen. Der Kaukasus-Experte Stefan Meister sieht in dem Konflikt ein Menetekel. In der Region werde ein internationaler Präzedenzfall gesetzt, der die Glaubwürdigkeit von Demokratien in Frage stellt.

Autoreninfo

Alexandre Kintzinger studiert im Master Wissenschafts- philosophie an der WWU Münster und arbeitet nebenbei als freier Journalist. Er ist Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung. 

So erreichen Sie Alexandre Kintzinger:

Dr. Stefan Meister ist Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Von 2019 bis 2021 war er Direktor des Südkaukasus-Büros der Heinrich Böll Stiftung in Tbilisi. Für die OSZE und die EU war Meister mehrfach Wahlbeobachter in postsowjetischen Ländern.

Die Weltöffentlichkeit konnte beim Angriff Aserbaidschans auf Bergkarabach nur tatenlos zusehen. Russland wurde lange als sogenannte Schutzmacht von Armenien im Kaukasus gesehen. Warum jetzt dieses Schulterzucken von Russland gegenüber der ganzen Situation?

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Chris Groll | So., 24. September 2023 - 09:58

Dazu möchte ich nur drei Dinge sagen.
1.
In der Nähe der armenischen Hauptstadt Eriwan hat ein gemeinsames Militärmanöver mit Truppen aus Armenien und den USA begonnen. 12.09.2023.
2.
Bei Armenie handelt es sich um ein christliches Land und da interessiert es niemanden - vor allem nicht die christlichen Staaten - daß es von der Landkarte verschwindet. Daß die Menschen verfolgt werden. Daß es einen zweiten Genozid geben könnte. Im Westen interveniert man nur, wenn in China die Uiguren (Mohammedaner) verfolgt werden. Obwohl ich auch das nicht gutheißen kann und verurteile.
3.
Armenien hat nichts, was der Westen benötigt. Kein Erdöl, kein Gas, keine seltenen Erden usw.
Menschen interessieren - wie gesagt nur - wenn es sich um die Korangläubigen handelt.

Jens Böhme | So., 24. September 2023 - 10:04

Grundsätzlich: Bergkarabach ist aserbaidshanisches Staatsterritorium, mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Die sogenannten russischen Friedenstruppen (Originalzitat Tagesschau 23.9.23) in Bergkarabach sind ausgehandelter Kompromiss zwischen Armenien und Aserbaidschan, um eine Eskalation zu vermeiden. Russland heute - wie im Interview, irgendeine Verantwortung für das Problem Bergkarabach unterzujubeln - ist hanebüchend. Andererseits ist es auch keine Bankrotterklärung Europas, wenn sich Europa nicht in das kaukasische, vielvölkerische Babylon (neudeutsch Vielfalt, Multikulti) politisch energisch einmischt.

Karl-Heinz Weiß | So., 24. September 2023 - 10:20

Ein unaufgeregtes, sehr realitätsnahes Interview. Unsere wertebasierte Außenministerin muss immer mehr auf diese Linie einschwenken. Der Aufstand im Iran war der Anfang des Lernprozesses. Aktuell schaukelt sich der Kosovokonflikt wieder hoch. Und die afrikanische Union hat 55 Mitglieder mit geschätzt 300 Ethnien. Die "Wir schaffen das"-Kanzlerin wird uns das in ihren Memoiren sicher ganz genau erklären.

Tomas Poth | So., 24. September 2023 - 11:17

Das läuft dann wohl auf eine ethische Säuberung hinaus?!
Arme Armenier, von den Türken nach dem Ende des Ersten Weltkrieg aus ihren Stammesgebieten in Ost-Anatolien vertrieben und gemordet!
Droht ihnen nun das gleiche Schicksal in Bergkarabach?
Es ist auch ein Konflikt zwischen Muslimen und Christen!

Jochen Rollwagen | So., 24. September 2023 - 13:10

Es ist kein Geheimnis, wer Azerbaidjan unterstützt. Es erfolgten aktuell auch Angriffe auf die russischen "Peacekeeper" mit türkischen Drohnen. Herr Erdogan ist immer für militärische Abenteuer zu haben und kennt die Situation Rußlands bestens. Offensichtlich ist der Krieg in der Ukraine für Rußland mittlerweile zu Afghanistan 2.0 geworden, und jetzt wird schon -sprichwörtlich - das Fell des Bären verteilt. Wenn sich das herumspricht - in Moldova und Georgien stehen auch noch russische "Peacekeeper", welche diese Staaten lieber heute als morgen los hätten. Herr Putin wollte die Sovietunion wieder aufbauen, und jetzt wickelt er die Überreste endgültig ab.

Armin Latell | Mo., 25. September 2023 - 14:46

Antwort auf von Jochen Rollwagen

"Sovietunion" wieder aufbauen? Wer hat Ihnen denn das erzählt? Heute-Journal, Tagesschau, SZ....? Peinlich...

Walter Bühler | Mo., 25. September 2023 - 09:53

O sancta simplicitas: "Alles ist ganz einfach! die Russen sind an allem schuld."

Eine fatale These!

Herr Rollwagen schreibt zu Recht: "Herr Erdogan ist immer für militärische Abenteuer zu haben."

Wenn man die deutsche Politik nur auf der primitiven Russophobie aufbaut, dann helfen wir damit unserem NATO-Partner Erdogan, wieder ein Stück vom Traum seiner "Grauen Wölfen" zu erfüllen und deren Ziel - ein türkisch-islamisches Großreich - näher zu kommen:

"Ziel der Grauen Wölfe ist eine sich vom Balkan über Zentralasien bis ins chinesische Autonome Gebiet Xinjiang erstreckende Nation, die alle Turkvölker vereint,.."

Ausgehend von Zypern und Griechenland reicht der Balkan aus großtürkischer Perspektive aber nicht nur bis zum Kosovo. Gehören letztlich nicht Belgrad, Budapest, Wien, Kiew, ja sogar Berlin dazu?

Schon zweimal, 1529 und 1683, war es fast so weit, also vor 493 bzw. 340 Jahren. Aller guten Dinge sind drei?

@Walter Bühler, so könnt es sein. Diese Mohammedaner versuchen es immer wieder auf Neue. Es ist ja auch so, daß Gebiete, die sie einmal besetzt hatten, nach ihrem Dafürhalten zum Dār al-Islām (Haus des Islam) gehören. Spanien gehört auch dazu. Berlin gehörte allerdings nicht dazu. Aber diese "Eroberung" und Eingliederung ins "Haus des Islam" war sicherlich die leichteste.
Die Ungarn haben sich gewehrt. Darum läuten dort mittags immer die Glocken.
Im Juni 1456 wurde in einer Bulle beurkundet, dass eine oder mehrere Kirchenglocken mittags durch ihr Geläut die Gläubigen dazu aufrufen sollten, für einen Sieg der Ungarn über die Osmanen zu beten. Am 22. Juli 1456 konnten sie, unter der Leitung des „Türkenkämpfers“ Johann Hunyadi, das osmanische Heer nach der 18-tägigen Belagerung der Festung Nándorfehérvár (Belgrad) erfolgreich besiegen. Damit war das Königreich Ungarn und das christliche Europa gerettet.
Wo ist dieser Kämpfer heute zu finden???