- Solide Performance mit Risiken
Trotz des Ukrainekriegs und der harten Sanktionen durch den Westen schlägt sich die russische Wirtschaft gut. Die Inflation ist niedrig, die Inlandsproduktion boomt. Dennoch könnten sich die optimistischen Einschätzungen des Kremls als trügerisch erweisen.
Trotz beispielloser Sanktionen und massiver Ausgaben für den Krieg in der Ukraine hat sich die russische Wirtschaft inzwischen mehr als anderthalb Jahre lang solide über Wasser gehalten. Selbst ein leichtes Wachstum ist nicht ausgeschlossen. Die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft lässt sich durch die Wiederbelebung der Verbrauchernachfrage, höhere Privatinvestitionen, die Politik der Importsubstitution und durch die staatlichen Ausgaben für die Verteidigung erklären. Ungeachtet der rosigen Rhetorik bleibt die russische Wirtschaft jedoch mit ernsthaften internen und externen Herausforderungen konfrontiert.
Da den russischen Entscheidungsträgern wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht fremd sind, konnten sie sich auf ein vertrautes Schema verlassen, als sie nach dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 mit westlichen Sanktionen konfrontiert wurden. In den 1990er Jahren wurde Russland durch hohe Haushaltsdefizite, die durch kurzfristige Staatsanleihen finanziert wurden, schnell eingeholt, so dass das Land gezwungen war, den Rubel abzuwerten und sich 1998 einer Rettungsaktion des Internationalen Währungsfonds zu unterwerfen.
Hohe Reserven, geringe Verschuldung
Dank der Ersparnisse aus den Einnahmen aus dem Ölexport konnte der Kreml den globalen Finanzschock von 2008 dagegen vergleichsweise gut verkraften. Heute legt Moskau großen Wert darauf, erkleckliche Reserven zu halten und eine hohe Auslandsverschuldung zu vermeiden. Die Wirtschaft erlitt in den Jahren 2014/2015 zwar einen weiteren Rückschlag, der mit der Verhängung westlicher Sanktionen im Zusammenhang mit der Annexion der Krim durch Russland zusammenfiel, aber die Hauptursache für den Abschwung war ein starker Rückgang der Ölpreise – teilweise analog zur heutigen Situation. Ein frei schwankender Wechselkurs ermöglichte es der russischen Zentralbank, Devisenreserven zu sparen und sich auf die Bekämpfung der durch die Abwertung des Rubels verursachten Inflation zu fokussieren.
Russland konzentriert sich derzeit darauf, den Abwärtsdruck auf den Rubel abzumildern, den Bundeshaushalt zu überwachen und Lücken im Nationalen Wohlstandsfonds (NWF) zu schließen, der aus etwa 12 Billionen Rubel (umgerechnet rund 112 Mrd. Euro) aus Öl- und Erdgaseinnahmen besteht. Im vergangenen Jahr konnte die Regierung dank der Einnahmen aus den Öl- und Gasexporten den NWF weniger stark in Anspruch nehmen, doch in diesem Jahr sind die Einnahmen aus dem Energiesektor deutlich zurückgegangen. Dank der höheren Inlandsproduktion und der Importe sind die Steuereinnahmen außerhalb des Erdölsektors jedoch deutlich höher. Im Juni beispielsweise lagen sie sogar über dem Niveau vor der Pandemie – was den Kreml ironischerweise in seinem langjährigen Ziel unterstützt, seine Einnahmequellen zu diversifizieren. (Industrien, die auf importierte Waren angewiesen sind, laufen jedoch Gefahr, dass die Preise steigen).
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Darüber hinaus plant der Kreml eine einmalige zehnprozentige Steuer auf überschüssige Gewinne von Großunternehmen. Der Kreml könnte dieses Geld zur Deckung des Haushaltsdefizits verwenden oder es in neue importsubstituierende Produktionen reinvestieren, was sich langfristig positiv auswirken würde.
Schwacher Rubel
Der jüngste Rückgang des Rubels deutet auch darauf hin, dass die Zentralbank Schwankungen des Wechselkurses zulässt. Ein schwächerer Rubel bringt einige Vorteile mit sich. So erhält der Staat beispielsweise mehr Einnahmen in der Landeswährung, da die Exporteure ihre gestiegenen Deviseneinnahmen aus der Öl- und Gasförderung an der Moskauer Börse in Rubel umtauschen, damit sie Steuern und Ausgaben zahlen können. (Die russische Regierung bevorzugt einen Wechselkurs von 80 bis 90 Rubel zum US-Dollar.) Um den Druck auf den Rubel zu verringern, beschloss das russische Finanzministerium, in den kommenden Monaten mit den Öl- und Gaseinnahmen keine Devisen zu kaufen, wie es die Haushaltsvorschriften vorschreiben. (Nach dieser Vorschrift kauft das Ministerium mit Hilfe der Zentralbank Yuan und Gold, wenn die Einnahmen einen bestimmten Schwellenwert überschreiten.)
Weitere positive Faktoren für den Kreml sind die steigenden Ölpreise, die Verbesserung des Geschäftsklimas und die relativ niedrige Inflation. Insbesondere russisches Rohöl und Erdölprodukte werden seit kurzem über den Preisobergrenzen der G-7 verkauft. Der Geschäftsklima-Indikator der Zentralbank liegt weiterhin in der Nähe der Höchstwerte der vergangenen zehn Jahre, und die Schätzungen der aktuellen Gesamtlage liegen über dem Zehnjahresdurchschnitt. Die Inflation wiederum betrug in der ersten Jahreshälfte nur 2,76 Prozent. Nach einem Rückgang um 1,8 Prozent in den ersten drei Monaten des Jahres wuchs die Wirtschaft im zweiten Quartal um 4,8 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2022. (Die Kreditvergabe und die Unternehmensinvestitionen sind nach wie vor hoch, kleine und mittlere Privatunternehmen in einigen Sektoren haben von der Liberalisierung profitiert, und die Waffenproduktion ist ein wichtiger Wachstumsmotor.)
Zwei große Herausforderungen
Dennoch steht die russische Wirtschaft vor zwei wichtigen, miteinander verknüpften Herausforderungen. Erstens besteht die Gefahr einer Überhitzung, die die Wirtschaft destabilisieren könnte, wenn es nicht zu höheren Staatsausgaben oder zu einer Linderung der wirtschaftlichen Isolierung Russlands gegenüber dem Westen kommt. Zweitens könnten Russlands Exporte unter einer möglichen Abschwächung der Weltwirtschaft leiden.
Die russische Zentralbank hat vor einer möglichen Überhitzung gewarnt. Sie begrüßte zwar die fast vollständige Rückkehr der Wirtschaft zum Vorkriegsniveau, stellte aber fest, dass dies darauf hindeutet, dass Russland seine Kapazitäten für ein nachhaltiges Wachstum fast ausgeschöpft hat. Die unerwartet starke Inlandsnachfrage (öffentlich und privat) hat die rasche Erholung Russlands angekurbelt, aber bald wird das Land entweder seine eigene Produktion oder seine Importe steigern müssen, um Schritt zu halten. Ersteres wird schwierig sein. Viele Firmen arbeiten bereits an ihrer Kapazitätsgrenze, und die Unternehmen sehen sich mit einem Mangel an Arbeitskräften konfrontiert.
Gleichzeitig ist es angesichts der höheren Kosten und Verzögerungen, die durch die westlichen Sanktionen entstehen, schwierig, die Importe zu steigern. Gemessen am Volumen sind die russischen Importe 2022 bereits um 16 Prozent zurückgegangen, und obwohl Moskau bei der Umlenkung des Handels auf „befreundete“ Länder Fortschritte gemacht hat, ist es immer noch stark vom Außenhandel abhängig. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung schätzt, dass 35 Prozent der russischen Warenexporte auf „unfreundliche“ Länder entfallen, während es Anfang 2022 noch 58 Prozent waren. Die Direkteinfuhren aus der Europäischen Union sind von 89 Milliarden Euro auf rund 55 Milliarden Euro gesunken. Der Anteil Chinas an den russischen Importen ist jedoch von 25 Prozent auf 34 Prozent gestiegen. Russland hat sich auch nicht von den Fremdwährungen verabschiedet, die immer noch für die Abwicklung von rund 70 Prozent des russischen Warenhandels verwendet werden.
Risikofaktor Weltwirtschaft
Eine noch größere Herausforderung könnte eine wirtschaftliche Abschwächung bei den wichtigsten Handelspartnern Russlands darstellen. Die Türkei beispielsweise ist zu einem wichtigen Abnehmer russischer Energie und zu einem Lieferanten westlicher Waren geworden, aber ihre Ökonomie ist anfällig. Die türkischen Importe russischer Güter waren im Juni 2023 um 43 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Auch China, ein wichtiger Abnehmer russischer Energie, importierte im Juni mengenmäßig so wenig Öl wie noch nie in diesem Jahr, außer im Januar. Die weltweite Nachfrage schwächt sich allmählich ab, und andere Länder in Afrika, Lateinamerika und Asien können Russland nicht immer mit den Waren versorgen, die es nicht mehr aus dem Westen beziehen kann.
Die optimistischen Einschätzungen des Kremls in Bezug auf die Wirtschaft sind nicht völlig unangebracht. Doch der rasche Aufschwung könnte einem ebenso plötzlichen Absturz weichen. Trotz der Sanktionen ist Russland nach wie vor fest in den internationalen Handel eingebunden – nur jetzt mit einer kleineren, weniger wohlhabenden Gruppe von Partnern. Importschwierigkeiten und eine ausgereizte Inlandsproduktion haben die Inflation bereits in die Höhe getrieben. Eine neue Runde der Überhitzung und eine Rezession könnten vor der Tür stehen.
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könnte, aber auch nicht.
GPF produziert eigentlich nur heisse Luft.
Fakt ist, dass Deutschland abstürzt.
Mehr ist zu dieser Auseinandersetzung des Westens mit dem Rest der Welt nicht mehr zu sagen.
Vielleicht sollte die GPF einmal einige echte Wirtschaftsexperten beschäftigen? Dieses ewige "könnte, hätte, sollte" all dieser "Expertinnen" ist nur noch eine Zumutung.
... ihre zutreffende Kritik an dem "könnte, hätte, sollte" wird in Bayern mit "häddi, dadi, waari" beschrieben, zu Deutsch "hätte ich, täte ich, wäre ich".
Wobei ich schon auch zugestehen will, dass allein all diese Fakten zu eruieren und mal auszubreiten für mich einen gewissen "Nährwert" darstellt, nachdem über all das im ÖRR ja tunlichst Stillschweigen herrscht. Da wird dann, wie heute in den halbstündlichen Nachrichten des ZDF-Morgenmagazins, von 1 (einem) Toten in der Ukraine nach einem russischen Raketenangriff berichtet.
Damit ich da nicht falsch verstanden werde: das ist sch...ade, schade vor allem auch um diesen Menschen, aber in D wurden 2022 täglich fast 8 Menschen im Straßenverkehr getötet und knapp 1.000 pro Tag (361.000 im Jahr) verletzt, das wird NICHT täglich berichtet, wozu auch, das ist halt der Preis für unseren Wohlstand.
Diese durchsichtig-parteiliche West-Einseitigkeit finde ich persönlich von Anfang an ätzend, und damit bin ich sicher nicht alleine.
Das ist ja vortrefflich wenn’s der russischen Wirtschaft gut geht und nun Gott sei Dank nicht mehr die deutsche Wirtschaft und den Michel mit preiswerten fossilen Energieträgern versorgen muß. Ich finds Klasse. Ich bezahle gern wieder 2,30 € für den Ltr. Diesel und 1,70 für den Liter Heizöl damit der Staat noch mehr Energiesteuern + c0 2 Steuer einnehmen kann. Danke ihr russischen Gas & Ölexportöre denen die Grünen & die Sozen die langfristigen billigen Lieferverträge gekündigt haben und ihr so richtig an den Weltmarktpreisen verdienen könnt. War ne super Idee von unseren Polit- Kasperln. Vielen Dank ! Aber unser Bock Bärchen will ja Russland in die Knie zwingen …..
und nun? ?
Man glaubt man ist in irgend einer abgewrackten Satieresendung des ÖRR……
Wenn’s nicht so ernst wäre
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik
... mit Ihrem Bock Bärchen bringen Sie mich auf die Idee vom bockigen Bärchen: danke DAFÜR!
Das passt für mich auch genau zu meinem Eindruck von einer - laut meinem ältesten Freund - "Asta-Sprecherin" gleich von Anfang an: immer wieder diese leicht nach unten gezogenen Mundwinkel, wie bei einer überheblich-angenervten, verzogen-herummäkelnden Göre. Unter Frauenpower stelle ich mir was anderes vor, aber im Zuge der Gleichberechtigung werden wir sowas hinnehmen müssen, wie mich ein guter Freund in Berlin letzten Herbst belehrte.
"Wir werden Russland ruinieren.." , wenn Annalena erzählt. Scheint nicht so ganz funktioniert zu haben.
Kriegswirtschaft ist immer ein gigantisches Konjunkturprogramm. Der Staat investiert enorme Summen und verpflichtet die Leute zu Überstunden. Nur, es fliehen viele vor dem Wehrdienst und Panzer produzieren nichts. Jedenfalls, wenn man sie so einsetzt wie Russland. Das heißt, wir haben eine gigantische Fehlallokation, sowie den Verlust der wichtigsten Märkte und Investoren. Das entscheidende für die russische Wirtschaft ist der Ölpreis und die Fähigkeit Öl zu transportieren. Diese Achillesverse, gilt es zu durchtrennen. Wer sich die russischen Pipelines ansieht, der weiß, dass große Teile in den Westen gehen. Ein anderer Teil wird über die Ostsee transportiert und ein weiterer Teil durch das Schwarze Meer. Den Handel im Schwarzen Meer kann die Ukraine mit Seedrohnen stören. Für die Ostsee reichen zwei, drei moderne U-Boote. Russland ist sehr verletzlich.