Gemälde einer Speisekammer
Gemälde von Jacopo da Empoli: „Vorratskammer mit Früchten, Gemüse und Schinken“ / dpa

Neues Buch zur italienischen Kochkultur - Jenseits von Pasta und Pizza

Unser Genusskolumnist bekommt viele neue Kochbücher zugeschickt. Die meisten legt er bereits nach kurzem Durchblättern verärgert beiseite oder in die Papiertonne, weil es öde, aufgeblasene Rezeptsammlungen sind. Das wäre beinahe auch mit einem Buch über italienische Küche passiert. Doch er widerstand dem Impuls – und das hat sich gelohnt.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es gibt Verlage, die sich wirklich alle Mühe geben, mir eine Neuerscheinung von vornherein so unsympathisch wie nur irgend möglich zu machen. Von Kochbüchern halte ich ja in der Regel ohnehin nicht viel, aber wenn sie dann auch noch „Geheimnisse meiner italienischen Küche“ heißen, steht der Gang zum Altpapiercontainer eigentlich unmittelbar bevor. Und wenn es dann im Untertitel auch noch heißt: „Der Rezept- und Geschichtenschatz einer fast 100-jährigen Nonna“ (das italienische Wort für Großmutter), entsteht schon fast so etwas wie Entsorgungsdruck, denn so viele abgeschmackte Kochbuch-Klischees auf einem Buchcover begegnen einem wirklich selten.

In der PR-Aussendung erfährt man weiter, dass die in Mailand geborene Autorin Anna Del Conte vor über 70 Jahren nach England auswanderte und dort zur „Doyenne der italienischen Küche in Großbritannien“ avanciert sei. Nur im ganz Kleingedruckten wird erwähnt, dass das Buch bereits 1989 in England erschienen ist und aktuell – deswegen „Neuerscheinung“ – erstmals in deutscher Sprache.

Der erste Eindruck hat getäuscht

Doch jetzt kommt die Überraschung: Das macht alles nichts, denn das Buch ist großartig! Natürlich werden hier keine „Geheimnisse“ verraten – was sollte das auch sein? Die italienische Küche ist im Prinzip bodenständig und vergleichsweise einfach strukturiert. Sie ist im besten Sinne traditionell und regional geprägt.

Dem kulinarischen Eskapismus in Spitzenrestaurants steht Del Conte skeptisch gegenüber: „Restaurant-Gerichte blenden uns manchmal durch ihre theatralische Präsentation und verwirren uns mit ihrer Komplexität. Am eigenen Esstisch sollten die Speisen keine derartige Wirkung entfalten, außer vielleicht zu besonderen Gelegenheiten, sonst wird es langweilig.“ Die italienische Kochkunst vereine im Grunde „schlichte, in der eigenen Küche zubereitete Gerichte, bei denen gute Zutaten mit viel Liebe verarbeitet werden. Diese Gerichte heben das Aroma der enthaltenen Zutaten hervor und verwässern es nicht durch Showeinlagen wie komplizierte Saucen oder Garnituren.“

Eine weitere Besonderheit der Italienischen Küche ist, dass nicht alle möglichen Beilagen zu einem Hauptgericht gereicht, sondern lieber mehrere, gleichwertige Gänge mit jeweils wenigen Bestandteilen serviert werden.

Ein erhellender Blick in die Vorratskammer

Um das Wesen dieser Küche zu veranschaulichen, gewährt uns Del Conte einen Blick in die klassische italienische Vorratskammer. In die gehören einige Sorten Pasta, Risotto-Reis, Maisgrieß für Polenta, getrocknete Bohnen, Linsen und Kichererbsen. Ferner Dosen oder Gläser mit Tomaten, Tomatenmark, Thunfisch, Kapern, Sardellenfilets, Oliven. Dann natürlich noch Knoblauch, Chili, Olivenöl. Rotweinessig (Balsamico) und Parmesan. Dass da noch eine luftgetrocknete Salami hängen sollte, versteht sich von selbst. Und im Kühl- bzw. Eisschrank sollte immer ein bisschen Bauchspeck sein.  Alles andere kann man dann frisch kaufen.

 

 Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Die in 20 Produktgruppen sortierten Rezepte werden stets gleichermaßen informativ wie unterhaltsam eingeleitet und sind nach meinen ersten Erfahrungen durch die Bank gut nachkochbar. Zumal Del Conte betont, dass die von ihr in den Rezepten aufgeführten Zutaten auch außerhalb Italiens problemlos erhältlich sind. Sogar in ihrer Wahlheimat England.

Kochen mit Essig und warme Salate

Neben Standardproduktgruppen wie Pasta, Risotto, Fisch, Schwein und Gemüse werden auch für die italienische Küche sehr typischen Zutaten wie Kräuter, Trüffel, Knoblauch, Oliven, Wein (zum Kochen, nicht zum Trinken) und Essig eigene Kapitel gewidmet. Letzteres für mich eine echte Offenbarung, denn was man in der Küche mit Essig so alles anfangen kann, außer ihn für Salate zu verwenden, war mir bislang weitgehend verborgen geblieben.

Das gilt auch für die Verwendung von Salatpflanzen als Gemüse für die warme Küche. Ein Rezept aus dieser Rubrik hat mich dermaßen angekickt, dass ich es schleunigst nachkochen musste. Dabei werden Salatherzen (empfohlen wird Batavia-Salat) blanchiert und dann mit einer recht aufwendig vorbereiteten Mischung aus Kapern, Sardellenfilets, Sultaninen, Pinienkernen, Knoblauch und gehackten Oliven gefüllt und anschließend vorsichtig gegart. Alleine dieses Rezept lohnt den Kauf des Buches, in dem dankenswerterweise auf gestylte Food-Fotos zu jedem Rezept verzichtet wird.

Den „Spirit“ der italienischen Küche verstehen

Aber das eigentlich Spannende an diesem Buch ist, dass man bei mehrmaliger Beschäftigung allmählich kapiert, wie die italienische Kochseele eigentlich tickt. Man erreicht den Punkt, an dem man fertige Rezepte gar nicht mehr braucht, weil man die Grundprinzipien verstanden und sinnlich erlebt hat. Aber bis es soweit ist – und auch noch danach –, bietet das Stichwortregister mit allen verwendeten Zutaten und den dazugehörenden Rezepten einen animierenden Wegweiser durch ein nahezu unerschöpfliches Füllhorn kulinarischer Genüsse.

Warum so ein tolles, erhellendes Werk zur italienischen Kulinarkultur mit so einem bescheuerten Titel auf den Markt gebracht wird, erschließt sich mir nicht. Das müssen die Verlagsmacher wissen. Es bleibt zu hoffen, dass das niemanden abschreckt, sich diese Erweiterung des eigenen Küchenhorizonts zu gönnen, bzw. sie als Weihnachtsgeschenk an entsprechend interessierte Freunde zu geben.

Anna del Conte: Geheimnisse meiner italienischen Küche. ars vivendi, Cadolzburg 2022. 328 S., 34 €

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Gabriele Bondzio | Sa., 26. November 2022 - 09:24

gleichwertige Gänge mit jeweils wenigen Bestandteilen serviert werden."

Der Satz, werter Herr Balcerowiak erinnert mich an meine erste Begegnung mit der italienische Küche.
War so 15-16 Jahre und unsere italienische Verwandtschaft ( Schwester von Oma und ihr Sohn), waren zu Besuch.
Tiefste DDR-Zeiten und die Gewöhnung an ein Mittagessen 1.Gang und gelegendlich Kompott.

Großtante Frieda kochte bei ihren Besuch bei ihrer Schwester für die deutsche Verwandtschaft.
Es waren 4-5 Gänge, selbst schlug ich schon beim ersten Gang zu. Und beim Letzten war mein Magen nicht mehr fähig noch etwas aufzunehmen.

Kochbücher habe ich auch, aber wenn ich ein neues Rezept ausprobiere, gehe ich schnell ins Netz zur Recherche.
Außer einer ganz alten Paperback-Version eines Backbuch, bei der schon die Blätter fliegen.
Auch aus Oma`s Zeiten.
Hier war immer garantiert, dass die verschiedenen Teigarten gelingen.

Sabine Lehmann | Sa., 26. November 2022 - 16:07

Ich liebe die italienische Küche, wer nicht? Hat sie doch alles was Geist, Gaumen und Wohlgefühl befriedigt;-)
Im letzten Jahr bekam ich einen ziemlich dicken Wälzer von Kochbuch geschenkt, auch aus der italienischen Küche und die Lektüre fiel mir anfangs sehr schwer, so schwer wie das ganze Buch. Denn damit könnte ich den nächsten Einbrecher krankenhausreif zurichten(nicht ernst gemeint). Trotzdem kann ich es empfehlen, es heißt der Silber-Löffel. Aber Vorsicht, wiegt gefühlt 10 Kilo. Trotzdem ein wunderbares Kochbuch.
Herrn Balcerowiaks Buchtip folgend, werde ich mir das Kochbuch von Anna del Conte(was Italiener immer für wohlklingende Namen haben, ein Kochbuch von "Lehmann" wäre sicher ein Ladenhüter) kaufen und vielleicht sogar verschenken. Liebhaber der italienischen Küche gibt es in der Familie genug;-)