- Weinbau im Krisenmodus
Unser Genusskolumnist hat sich zusammen mit anderen Journalisten mal ein bisschen im württembergischen Weinbau umgeschaut. Neben traumhaften Kulturlandschaften und vielen tollen Winzern begegneten ihm dort auch zahlreiche Probleme.
Wer im Frühsommer durch die Weinberge der Felsengartenkellerei in Besigheim (Württemberg) schlendert, wähnt sich auf den ersten Blick in einer heilen Welt. Sattes Grün auf imposanten, terrassierten Steillagen, emsige Winzer auf ihren Parzellen und schnuckelige Weindörfer und -städte.
Auf den zweiten Blick bekommt die Idylle sehr schnell hässliche Risse. Der Einsatz von Herbiziden, wie dem berüchtigten Glyphosat, hinterlässt unübersehbare Spuren auf den Böden, und so manche Parzelle wird nicht mehr bewirtschaftet. Der deutsche Weinbau ächzt unter einem ganzen Bündel von Krisen. Durch Corona brachen wichtige Absatzmärkte weitgehend zusammen, besonders in der Gastronomie, bei Weinfesten und -messen. Der gestiegene Absatz an Privatkunden konnte dies nur teilweise kompensieren, derzeit sinkt er wieder deutlich. Das wiederum hat mit einer weiteren Krise zu tun: Die galoppierende Inflation führt gerade bei „verzichtbaren“ Lebens- und Genussmitteln allgemein zu einer deutlichen Kaufzurückhaltung.
Auf der anderen Seite stehen die Winzer unter einem enormen Kostendruck. Nicht nur die Preise für Energie schießen durch die Decke, sondern auch für Flaschen, Verpackungsmaterial und Vertriebslogistik. Dazu kommt der fortschreitende Klimawandel, der dem Weinbau mächtig zusetzt. Extremwetterereignisse häufen sich, sowohl Trockenstress als auch längere schwülwarme Perioden machen vielen Rebsorten gewaltig zu schaffen. Der Druck durch Pilzbefall steigt, in den vergangenen Jahren haben auch die Schäden durch Kirschessigfliegen beträchtlich zugenommen.
Genossenschaften dominieren
Dazu kommt in Württemberg eine Besonderheit. In keinem anderen deutschen Anbaugebiet ist der Weinbau so stark genossenschaftlich geprägt wie im Ländle. Knapp 70 Prozent der Rebflächen in Württemberg werden von den 35 Weingärtnergenossenschaften und deren Mitgliedern bewirtschaftet. Zumeist im Nebenerwerb, denn die oftmals sehr kleinen Familienparzellen ermöglichen keine Existenzgrundlage. In einer wirtschaftlich boomenden Region wie Württemberg mit vielen gut bezahlten Jobs wollen sich immer weniger Menschen diese Plackerei antun.
Genossenschaften haben natürlich Vorteile. Sie können die von den Mitgliedern gelesenen Trauben zentral verarbeiten, abfüllen und vermarkten. Oftmals in hochmodernen Anlagen auf dem neuesten Stand, hinter denen ein Investitionsvolumen steckt, das ein Kleinwinzer kaum mobilisieren könnte. 1500 Mitglieder hat die Felsenkellerei Besigheim, davon rund 850 aktive Winzer. Die Parzellen verteilen sich auf zehn Weinbaugemeinden.
Das Trollinger-Problem
Doch Genossenschaften haben auch gravierende Nachteile. Sie sind schwerfällige Tanker, die sich oftmals erkennbar schwertun, schnell und umfassend auf Herausforderungen zu reagieren. Als ich vor sieben Jahren diesen Betrieb erstmals besuchte, war viel von einer notwendigen Transformation die Rede. Denn es gibt ein eklatantes Missverhältnis. Auf den extrem arbeitsaufwendigen Terrassen in den Steillagen steht überwiegend eine Sorte, die in Schwaben (und nur dort) zwar sehr beliebt ist, aber kaum angemessene Erlöse bringt: der Trollinger. Schon damals war von großen Programmen und Kampagnen die Rede, die die Winzer animieren sollten, andere, höherwertige Sorten wie etwa Cabernet Franc anzupflanzen, auch um dem Klimawandel zu trotzen, der dem Trollinger in besonderer Weise zusetzt. Schließlich geht es auch nicht nur um die Weinwirtschaft, sondern vor allem um die Pflege dieser einzigartigen Kulturlandschaft.
Doch getan hat sich seitdem relativ wenig, denn der Schwabe kann auch stur sein. Es stehen zwar gut gefüllte Fördertöpfe vom Bund, vom Land und von der Genossenschaft selbst für eine Sortenumstellung und die Steillagenbewirtschaftung bereit, doch viele, besonders ältere „Wengerter“, wie sie in Schwaben heißen, wollen keinesfalls von ihrem geliebten Trollinger lassen. Joachim Kölz, der Vorstandsvorsitze der Felsengartenkellerei, klingt beim Spazierhang durch die terrassierten Weinberge jedenfalls ernsthaft besorgt. Er wolle das alles erhalten, „aber mit Trollinger geht das nicht“. Aber man könne die Mitglieder schließlich nicht zwingen.
Die Herausforderungen sind riesig
Hinzu kommt, dass Genossenschaften generell ein Imageproblem haben. Man traut ihnen einfach nicht zu, wirkliche Spitzenweine zu produzieren. Zwar haben alle Genossenschaften inzwischen auch ihre „Premium-Linien“, doch nur in wenigen Fällen kann man da wirklich von Spitzenweinen reden. Einige gute bis sehr gute Platzierungen bei anerkannten Verkostungswettbewerben sind da auch nur die Schwalben, die noch keinen Sommer bringen.
Doch entscheidend für die Zukunft des genossenschaftlichen Weinbaus in Württemberg bleibt das „Brot und Butter“-Geschäft mit der ganzen Palette – von Massenweinen bei Discountern und Supermärkten bis hin zu höherwertigen Abfüllungen im mittleren Preissegment für etwas anspruchsvollere Privatkunden. Entscheidend ist aber vor allem, wie man die Herausforderungen des Klimawandels und des volatilen Konsumentenverhaltens meistert, auf Trends reagiert und Innovationen vorantreibt. Dafür gibt es im Ländle viele spannende Ideen und Projekte, aber leider auch viel zu viel Stagnation. Auf alle Fälle gibt es für Weinfreunde bei den Genossenschaften, aber auch bei den selbstständigen Winzern im Ländle, viel zu entdecken, am besten vor Ort. Entsprechende Tipps spare ich mir für die nächste Ausgabe dieser Kolumne auf.
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. . . für die interessanten Einblicke in diese Branche. Selten bekommt man solch wissenswerte Einblicke geboten. Den Spezi TROLLINGER werde ich mir mal etwas genauer ansehen, vielleicht kann ich zur Umsatzsteigerung etwas beitragen.
"Der Einsatz von Herbiziden, wie dem berüchtigten Glyphosat, hinterlässt unübersehbare Spuren auf den Böden"
...und die wären??? In den USA wird "no-tillage-farming" immer mehr zum Standard. Spart viel Brennstoff, da nicht mehr gepflügt werden muss, und führt zu besserer Humusbildung, die Feuchtigkeit und CO2 speichern. Das funktioiniert aber nur mit Herbiziden wie Glyphosat.
In Deutschland erlauben wir uns noch nicht einmal so etwas zu denken. So gründlich hat man uns das Hirn gespült, dass wir den grünen Dogmen-Katechismus verinnerlicht haben.
Kein Kommentator, zu welchem Thema auch immer, kommt ohne die Erwähnung des bedrohlichen Wortes vom Klimawandel und seinen Folgen aus. Ohne dies, wie auch hier, evidenzbasierten, nachprüfbar und analytisch zu belegen.
Welche unübersehbaren Spuren im Boden hat Glyphosat hinterlassen? Antwort Fehlanzeige. Welche Rolle Fehlentscheidungen der Winzer und Genossenschaften zu Überproduktion, Monokulturen und Schädlingsbelastungen zur Folge haben, wird nicht erwähnt. Und warum die Winzer ihre Weinberge mit Plastiknetzen abdecken ( wie die Kirschen in Norddeutschland ), wird nicht erklärt. Alles dient der Gewinnmaximierung und Schaffung optimaler Qualität. Gute Weine gab es schon immer, auch ohne Netze. Und wenn sie aus Italien, Spanien oder Portugal kommen.