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Wo steht dieses malerische Rathaus? Tipp: Der Bauplatz musste erst gerodet werden. / dpa

Deutschland, Deine Wahlkreise IV - So wurde im Osten gewählt

In unserer Serie „Deutschland, Deine Wahlkreise“ porträtieren wir die spannendsten Wettrennen ums Direktmandat in den Bundestag. In dieser Ausgabe geht es um den Osten der Republik.

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Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

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56

Land der Landwirte

Prignitz – Ostprignitz-Ruppin – Havelland I

Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass der Wahlkreis 56 irgendwo mitten im Nirgendwo liegt und nicht weiter erwähnenswert ist. Und es stimmt ja auch: Seit der Wiedervereinigung wechseln die 176 000 Wahlberechtigten stets zwischen CDU und SPD. Doch der Wahlkreis hält einen stillen Rekord. Hier wohnen die meisten Landwirte – eine Gruppe, die von allen Parteien heiß umworben wird. Selten aber wird es dabei konkret.

Während die SPD mehr Tierhaltungsobergrenzen, mehr Tierwohl und eine umweltfreundlichere Landwirtschaft ohne Wettbewerbsnachteile in ihrem Programm forderte, wollten die Grünen die Tierhaltung nach Öko-Standards ausrichten, legten aber kaum einmal konkrete Zahlen vor. Bei der CDU wiederum hieß es, man habe als Leitbild eine „vielfältige, nachhaltige, wettbewerbsfähige, bodengebundene und flächendeckende Landwirtschaft in bäuerlicher Hand“. Verfangen haben sich all diese Worte nicht. Laut einer Umfrage des Portals „Agrarheute“ hat eine Mehrheit der Landwirte die FDP gewählt. Die Mehrheit im Wahlkreis 56 indes machte ihr Kreuzchen bei der SPD. han
 
Erststimmen 2017 in Prozent: 
CDU 30,8; SPD 23,7; AfD 18,0; Linke 17,6; FDP 3,6; Grüne 3,0

Erststimmen 2021 in Prozent: 

SPD 33,0; AfD 19,7; CDU 19,4; Linke 9,0; FDP 6,1

Direkt gewählter Abgeordneter: 
Wiebke Papenbrock (SPD)
 

61

Wo Sieger wohnen

Potsdam – Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II

Ginge es nach dem Wahlkreis 61, dann könnte das Rennen um das Kanzleramt weit schneller entschieden werden. Das Ergebnis: Olaf Scholz würde der nächste Regierungschef. Im Wahlkreis 61 nämlich, zu dem auch die brandenburgische Hauptstadt Potsdam gehört, traten zahlreiche deutsche Spitzenpolitiker gegeneinander an – darunter auch die Kanzlerkandidaten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Olaf Scholz und Annalena Baerbock.

Weitere Kandidaten um das Direktmandat waren die einstige FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sowie die CDU-Vorsitzende des Landes Brandenburg der Jahre 2009 bis 2012, Saskia Ludwig. Die SPD hat den Kampf um die Erststimmen gewonnen. Scholz erhielt 34 Prozent der Stimmen. han
 
Erststimmen 2017 in Prozent: 
SPD 26,4; CDU 24,1; Linke 16,7; AfD 12,2; Grüne 8,2; FDP 7,5

Erststimmen 2021 in Prozent:

SPD 34,0; Grüne 18,8; CDU 13,8; AfD 9,2; FDP 8,9; Linke 7,8

Direkt gewählte Abgeordnete: 
Olaf Scholz (SPD)

Über Landesliste gewählt: 
Annalena Baerbock (Grüne), Saskia Ludwig (CDU), Norbert Müller (Linke), René Springer (AfD), Linda Teuteberg (FDP)

 

81

Berliner Politprominenz

Tempelhof-Schöneberg

Jan-Marco Luczak (CDU) und Kevin Kühnert (SPD) traten beide an und machten sich stark für das Mietthema. Der 45-jährige Luczak sagte der Berliner Woche auf die Frage, wieso er ein Gegner des Berliner Mietendeckels sei, er sei für „starke soziale Leitplanken im Mietrecht“, er wolle „mehr Neubau und bis dahin die Menschen durch direkte Zuschüsse wie das schon 2019 von der Berliner CDU geforderte Mietergeld entlasten, sodass sie am Ende nicht mehr als acht Euro je Quadratmeter bezahlen“.

Dennoch hatten Aktivisten nach dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel das Bürgerbüro des Abgeordneten beschädigt – nicht das erste Mal. Und SPD-Politiker und Mieterinitiativen hatten dort auch demonstriert, schreibt der Tagesspiegel. Mit dabei gewesen sei auch der 32-jährige SPD-Bundesvize Kevin Kühnert.

Rechtsanwalt Luczak wollte zudem gegen Hass und Hetze in den sozialen Medien vorgehen. Das ist das Feld der Grünen Renate Künast, die aufgrund gegen sie gerichteter Fake News vor Gericht zog. Die Juristin trat ebenfalls in Tempelhof-Schöneberg an. pad

Erststimmen 2017 in Prozent: 
CDU 28,9; SPD 22,0; Grüne 18,9; Linke 10,8; AfD 9,1; FDP 6,4

Erststimmen 2021 in Prozent:

SPD: 27,5; Grüne 25,1; CDU 21,9; FDP 7,3; Linke 6,1; AfD 5,7

Direkt gewählter Abgeordneter: 
Kevin Kühnert (SPD)
 

84

Sportliches Duell

Treptow-Köpenick

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein wollte in den Bundestag. Die 49-Jährige kandidierte für die CDU in Treptow-Köpenick. Sie trat gegen den 73-jährigen Gregor Gysi an, der für die Linke den Wahlkreis seit 2005 gewinnt. Direktmandat war also schwierig, aber der sechste Platz auf der Landesliste könnte reichen. Die Quereinsteigerin hat sich auf ihre Kompetenzen konzentriert – Breitensport und innere Sicherheit. Als Sportlerin sagte sie: „Kinder und Jugendliche bewegen sich zu wenig. Schauen Sie mal in die USA: Da hat jede Schule, jedes College eine Mannschaft, auf die man stolz ist.“

Als Polizeihauptmeisterin: „Die CDU ist für mich die Partei, die der Polizei am meisten Wertschätzung entgegenbringt. Wer für uns den Kopf hinhält, der verdient es, dass wir alles für seine Sicherheit tun. Stattdessen stehen Polizisten in Berlin unter gesetzlichem Diskriminierungsverdacht, wenn sie gegen arabische Clans vorgehen.“ 

Und Gysi, seit 1990 im Bundestag, twitterte: „Die Gleichstellung von Ost und West ist noch immer nicht vollendet und damit mein Job noch nicht erledigt.“ pad
 
Erststimmen 2017 in Prozent: 
Linke 39,9; CDU 18,9; AfD 15,0; SPD 13,8; Grüne 5,0; FDP 3,8

Erststimmen 2021 in Prozent:

Linke 35,4; SPD 15,4; CDU 13,5; AfD 11,4; Grüne 10,3; FDP 5,9

Direkt gewählter Abgeordneter: 
Gregor Gysi (Linke)
 

153

Die Linke im Osten

Leipzig II

Trotz ihrer Stärke im Osten Deutschlands schaffte die Linke es lange Jahre nicht, außerhalb (Ost-)Berlins Direktmandate zu erringen, von einzelnen Ausnahmen wie 2009 in Halle abgesehen. 2017 änderte sich das: Im Wahlkreis Leipzig II, der den Süden der Stadt abdeckt, darunter der linksalternative Stadtteil Connewitz, holte der Grundschullehrer Sören Pellmann, der seit 2009 im Leipziger Stadtrat sitzt, das Direktmandat.

Der 44-jährige Pellmann, der in der vergangenen Legislaturperiode Linken-Fraktionssprecher für Inklusion und Teilhabe war, hat das Wunder von 2017 wiederholt. Die CDU schickte mit der 31-jährigen Jessica Heller eine Überraschungskandidatin ins Rennen: Die Krankenschwester setzte sich bei der Aufstellung gegen den Leipziger Parteichef und langjährigen Bundestagsabgeordneten Thomas Feist durch. mga
 
Erststimmen 2017 in Prozent: 
Linke 25,3; CDU 24,6; AfD 15,0; SPD 13,7; Grüne 9,9; FDP 5,8

Erststimmen 2021 in Prozent:

Linke 22,8; Grüne 18,4; SPD 16,6; CDU 16,5; AfD 11,5; FDP 7,4

Direkt gewählter Abgeordneter: Sören Pellmann (Linke)
 

157

Der Wind hat sich nicht gedreht

Görlitz

Wer ist Tino Chrupalla? Seit November 2019 ist Chrupalla bundesweit bekannt, weil die AfD ihn neben Jörg Meuthen zum Co-Parteisprecher wählte. In Sachsen sorgte der Malermeister aber schon 2017 für Furore, weil er in Görlitz dem späteren CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer das Direktmandat abluchste – ein „ordentlicher Magenschwinger“, wie Kretschmer damals sagte.

Nun wollte es der 31-jährige Florian Oest, Chef der sächsischen Jungen Union und Kretschmer-Zögling, versuchen. Oest wollte „Anwalt, nicht Richter der Ostdeutschen“ sein, wie er in Abgrenzung zum Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, formulierte. Hat sich der Wind in Görlitz gedreht? Chrupalas Erfolg spricht eine andere Sprache. mga

Erststimmen 2017 in Prozent: 
AfD 32,4; CDU 31,4; Linke 13,6; SPD 10,9; FDP 5,0; Grüne 3,3

Zweitstimmen 2021 in Prozent:

AfD 35,8; CDU 26,1; SPD 12,6; Linke 7,8; FDP 7,4

Direkt gewählter Abgeordneter: Tino Chrupalla (AfD)

 

193

Mitsamt Westimport

Erfurt – Weimar – Weimarer Land II

Hauptstadtwahlkreise sind stets hart umkämpft: Dort treten oft die prominenten Vertreter der Parteien gegeneinander an. Zwar stehen sie meist auf einem sicheren Listenplatz, müssen sich also um den Einzug in den Bundestag kaum Sorgen machen. Aber ein direkt gewonnenes Mandat ist und bleibt das Zitronencreme-Bällchen auf dem Kosakenzipfel. In der thüringischen Landeshauptstadt trat mit Carsten Schneider einer der Strippenzieher der SPD im Bundestag (und ihr Parlamentarischer Geschäftsführer) an – der 45-Jährige sitzt schon seit 1998 im Bundestag.

Zu seiner Linken: Katrin Göring-Eckardt, die ebenfalls seit 1998 Abgeordnete und eines der bekanntesten Gesichter der Grünen ist. Von weiter links strebte auch die neue Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow in den Bundestag. 

Weniger prominent und als gebürtige Düsseldorferin im Unterschied zu den drei anderen Kandidaten ein Westimport, aber dafür seit 2009 erfolgreich zwischen Erfurt und Weimar: Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag. mga
 
Erststimmen 2017 in Prozent: 
CDU 27,3; Linke 18,7; SPD 18,2; AfD 17,5; Grüne 7,1; FDP 6,0

Erststimmen 2021 in Prozent:

SPD 24,4; CDU 17,4; AfD 16,5; Linke 16,4; Grüne 11,5; FDP 7,5

Direkt gewählte Abgeordnete: 
Carsten Schneider (SPD)
 

196

Maaßen gegen den Rest der Welt

Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg

Als der CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann am 19. März aufgrund von Bestechungsvorwürfen zurücktrat, da hatte die CDU in Südthüringen eigentlich schon mit dem Wahlkreis abgeschlossen – zu groß war der Imageschaden in dem ohnehin wackligen Wahlkreis. Dann kam ihnen die rettende Idee: Der ehemalige oberste Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen sollte mit seiner Prominenz und konservativen Ideen den Wahlkreis retten.

Ein Selbstläufer wurde das jedoch nicht: Gegen den Mönchengladbacher Maaßen trat mit dem mehrfachen Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich ein lokaler Volksheld für die SPD an. Ihm mangelte es allerdings an politischer Erfahrung, was ihn aber nicht daran hinderte, gegen Maaßen zu gewinnen. mga

Erststimmen 2017 in Prozent: 
CDU 33,5; AfD 22,8; Linke 18,3; SPD 13,5; FDP 4,9; Grüne 2,6

Zweitstimmen 2021 in Prozent:

SPD 33,6; CDU 22,3; AfD 21,2; Linke 8,4; FDP 6,3

Direkt gewählter Abgeordneter: 
Frank Ullrich (SPD)
 

cover-sonderheftDieser Text stammt aus dem Sonderheft zur Bundestagswahl des Cicero, das Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können. Er wurde nach der Wahl aktualisiert.

 

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Heidemarie Heim | Mo., 27. September 2021 - 16:12

James running gag ;)! Ich sehe auch Maggus I. förmlich im Geiste vor mir, wie er auf fränkisch über die damischen, depperten Bewohner im Ostteil unseres Landes philosophiert;). "Blume, schaff` mir sofort Agent 00Ost bei! Das muss umgehend rückgängig gemacht werden!"
Derweil sendet er Annalena noch schnell ein whats app-Foto vom letzten Baumkontakt und dem Christian eine eidesstaatliche Versicherung, das dieser beste Aussichten auf den finanzpolitisch wichtigsten Posten hat;) Man muss halt in dem Unions-Laden alles selbst machen, isn`t it? MfG

Ja, ja viele haben es vergessen. Sie nicht Fr. Heim und das freut mich. Im übrigen habe ich heute viel gelesen, dass die AfD die stärkste Kraft in unserem schönen Thüringen geworden ist. Vor allen die Begründungen haben mich amüsiert. Keiner hat erwähnt, dass es 4 Abgeordnete der CDU waren, die sich gegen Neuwahlen zum Landtag ausgesprochen haben und somit den roten Fürst Rammelow weiter regieren(?) lassen. Eine Ursache für den Wahlsieg der AfD? Neeeeeee! Aber das ist bestimmt nicht bis Düsseldorf und München gekommen.

MIT freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Wander-Witz als OST-BETREUER hat sein Direktmandat in Sachsen an die AFD trotz permanenter Unterstützung von ...... verloren.

Habe auch eine Statistik von Bertholt-Brecht-Gymnasium zur Juniorwahl.
36% Grün - 17% FDP - 13% Die Linke - 9,2% SPD - die Partei 5,8% - AFD 4,1% CDU 2%
Noch Fragen, liebe Foristen

Greta Thunberg forderte die Chinesen auf traditionelle Stäbchen aufzugeben um damit Bäume zu erhalten.
Die Chinesen forderten darauf hin Greta auf, in die Schule zurück zu gehen, wo sie dort heraus finden kann, welche Stäbchen aus Bambus sind & Bambus ist Gras.
Die Chinesen haben Greta & ihre Freunde auch aufgefordert, sich zu weigern, ihren Arsch mit Toilettenpapier abzuwischen, denn das sind Bäume. :-)))

Wolfgang Borchardt | Di., 28. September 2021 - 11:42

Sogenannte Wahl- und Rects-Extremismusforscher sind nun schnell dabei, mindestens Thüringer und Sächsischen Wählern der AfD einen verhärteten rechtsextremen Standort zu bescheinigen. Tatsächliche Belege fehlen, die liefert auch nicht das Parteiprogramm der AfD. Ostdeutsche haben eine geschichtliche Erfahrung mehr. Es bleibt nicht unbeobachtet, dass die Volksparteien den drängenden Herausforderungen - von Migration, Bildung bis Digitalisierung usw. - nichts entgegengesetzt haben. Wer soll noch glauben, dass sie das jetzt tun? Manchen berührt auch die systematischAusgrenzung der AfD, die immerhin demokratisch gewählt wurde. Angst vor dem Dialog? Das ist kein Zeichen von demokratischer Auseinandersetzung

Gerhard Lenz | Di., 28. September 2021 - 13:35

Antwort auf von Wolfgang Borchardt

Erwarten Sie eine Urkunde, in der der AfD notariell eine rechtsextremische Gesinnung bestätigt wird?

Das Wahlprogramm reicht Ihnen als Nachweis?

Hören Sie den AfD-Granden eigentlich nie zu? Denn mehr müssen Sie gar nicht machen. Daneben gibt es vielfältige Aufklärung über Verbindungen ins rechte Lager. Abgeordnete, die sich als das "freundliche Gesicht des Nationalsozialismus" bezeichnen. Ehemalige AfDler, wie ein Herr Junge, die der Partei ein miserables Zeugnis ausstellen.
Der Verfassungsschutz kümmert sich ja nicht grundlos um die Partei. Und die Teilnahme an der Demo in Chemnitz, in deren Anschluss Menschenjagden stattfanden, oder das Auftauchen von AfDlern bei rechtsextremen Pegida-Aufmärschen oder in Kandel usw usw. Sie ersticken förmlich in Beweisen.

Wenn Ihnen das alles zu umständlich ist, reicht es schon, den täglichen Alltagsrassismus bei den besonders lauten AfD-Fans hier im Forum wahrzunehmen.