6. Oktober 1989 - Michail Gorbatschow umarmt Erich Honecker in Ost-Berlin / dpa

Michail Gorbatschow zum 90. - Unser Gorbi!

Heute feiert Michail Gorbatschow seinen 90. Geburtstag. Besonders von den Deutschen wird er immer noch verehrt – ohne ihn wäre die Wiedervereinigung nicht möglich gewesen. In Russland ist er dagegen verhasst. Viele Menschen werfen ihm vor, er habe den Zerfall der Sowjetunion beschleunigt.

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Um das Phänomen Gorbatschow zu verstehen, könnten Sie, anstatt diesen Text zu lesen, sich auch diesen knapp einminütigen Werbespot von Pizza-Hut aus dem Jahr 1997 ansehen. Da betritt der ehemals mächtigste Mann der Sowjetunion mit seiner Enkelin ein Restaurant der amerikanischen Pizza-Kette unweit des Roten Platzes, woraufhin sich am Nachbartisch sofort eine heftige Diskussion entspinnt.

„Wegen ihm herrschen im Land Chaos und politische Instabilität“, schimpft der Familienvater. Sein Sohn entgegnet: „Dafür haben wir Freiheit und neue Möglichkeiten.“ Bevor die beiden sich an die Gurgel gehen, greift die Mutter ein: „Dank ihm haben wir Pizza Hut.“ Versöhnt stehen alle auf und rufen: „Es lebe Gorbatschow!“ Das Land ist im Eimer, aber egal, Hauptsache, diese schlechte amerikanische Pizza-Imitation gibt's nun auch in Moskau. So einfach kann es sein. Ist es aber nicht.

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Bernd Muhlack | Di., 2. März 2021 - 17:49

Ich weiß nicht, ob Gorbi dafür "Tantiemen" oder wöchentlich eine Kiste erhält.
Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger und dem Nachfolger "Vodka Jelzin" war er wohl kein Bacchus-Jünger.
Es gibt schöne Anekdoten qua den ebenfalls trinkfesten Dr. Adenauer, Willy Brandt und deren sowjet. gegenüber; insbesondere Breschnew!

Gorbi hatte ich einmal live gesehen. Ich war damals zufällig in Bonn und schaute mir das an; sehr beeindruckend!
Gorbi, Bush sen., James Baker, Kanzler Dr. Kohl und Genschman waren die Strippenzieher der "Wiedervereinigung" - Mitterand und Thatcher die strikten Gegner!
Juristisch korrekt heißt es wohl "Beitritt".

Und dann rollten in Moskau Panzer, Gorbi im Ural (?) unter Hausarrest! Jedoch ließen etliche Generäle die Truppen in den Kasernen. Die Stunde des Boris Jelzin!
1989 ff => unvergessliche Bilder!

Michail: с днем ​​рождения
90! - vlt doch ein Vodka?
... 100?

Rory Gallagher würde heute 73; ach der ist hier eher unbekannt?
Ein genialer Gitarrist, Bluesrocker.

Lieber Herr Muhlack, den Rory kenne ich zwar nicht, aber Gorbatschow habe ich 31 sehr schöne Jahre zu verdanken, weshalb ich ihm ebenfalls noch eine lange und schöne Lebenszeit wünsche.
Er ist ein - leider - ein Mensch, der dem Westen zu sehr vertraut hat. Er war zu fair, zu anständig.
Nur das kann man ihm nachtragen.
Den Zerfall der Sowjetunion müssen sich die Sowjetrepubliken
selber selber an die Fahnen heften.

Der Beitrag Gorbatschows für den Weltfrieden ist sehr groß. Leider hat der Westen die ausgestreckte Hand Russlands nicht ergriffen, sondern sofort und eiskalt die sich ergebenen strategischen Vorteilen ausgenutzt.
Auch heute nimmt die Verständigung leider ab, nicht zu.
Außer ein paar Portionen Saumagen hatte Gorbatschow nichts vom ganzen. Wenn Merkel oder Steinmeier etwas Format hätten, würde der Tag heute in Deutschland feierlich begangen.
Ich schließe mich Bernd Muhlack an, danke und gratuliere Michail Gorbatschow!

Christa Wallau | Di., 2. März 2021 - 18:41

wie weit Wunsch u. Wirklichkeit in der Politik auseinander klaffen.
Er hatte es so gut vor! Aber die reale Welt von 1990/91, in der auch andere nicht nur nach Macht, sondern nach Reichtum gierten, machte ihm einen dicken Strich durch die Rechnung. Außerhalb der alten UdSSR sind Millionen von Menschen, die infolge seiner Politik ihre Freiheit u. Selbstbestimmung erhielten, heute von Dankbarkeit für Gorbatschow erfüllt, nicht zuletzt wir Deutschen. Ohne ihn hätte es keine Wiedervereinigung gegeben!
Aber viele Russen verübeln ihm u. Jelzin (Weit mehr!) die chaotischen Zustände, die am Ende des vorigen Jahrhunderts bei ihnen herrschten. Das ist verständlich.
Auf einer Rußlandreise besuchten wir auch den großen Friedhof am Neujungfrauenkloster in Moskau. An Jelzins Grab,bedeckt von einer russischen Flagge aus Stein, schimpfte ein Mann lauthals u. verfluchte den Toten. Raissa Gorbatschowas Grabstätte, die ein großer,weißer Engel ziert, lag ruhig da. Dort wird auch ihr Mann Frieden finden.

Yvonne Stange | Di., 2. März 2021 - 18:48

... ist zu Recht umstritten. Er war blauäugig und hat die Russen ebenso verkauft wie die Ostdeutschen. Ok, blauäugig waren wir ja genauso, er hätte es halt nur wissen müssen.... Dumm und ahnungslos waren wir zusammen allemal. Wir hätten halt Sudel-Ede ernster nehmen sollen, was "unsere Brüder und Schwestern" betrifft... meist sind Geschwister gar nicht nett zueinander. Wie das halt so ist in Familien.... ;-) Und mittlerweile sind wir wohl alle nur noch die gespaltenen Stiefkinder der einen Kinderlosen. Und werden genauso die Kriegstreiber-Politik gegen Rußland auskosten dürfen.

Gerhard Lenz | Mi., 3. März 2021 - 09:41

Antwort auf von Yvonne Stange

Da bleibt einem die Spucke weg. Da musste wohl jemand mit aller Gewalt das Vorurteil vom ewig, unzufriedenen, niemals zufriedenstellenden Jammer-Ossi aufpolieren!

Gorbatschow hat die Ostdeutschen verraten? So wie seine eigenen Landsleute?

Ohne Gorbatschow hätte es keine Wende gegeben, bei allem Respekt vor dem Mut derer, die 1989 auf die Straße gingen!

Gorbatschow wollte zunächst die Sowjetunion erhalten, sie reformieren. Damit ist er gescheitert - die Betonköpfe, die ihn zunächst stoppen wollten, haben diesen Prozess nur beschleunigt.
Zu keiner Zeit war die Möglichkeit, ein dauerhaft friedliches und konstruktives Miteinander mit Russland zu erreichen für den Westen größer, als zu Zeiten Gorbatschows und Jelzins!

Den Zusammenbruch des Sowjetstaates zu bedauern - so reden heute Putin und seine Hardliner...und wie man sieht, seine ihm völlig ergebenen Fans "wo auch immer".

Folgt man dieser Logik, hätte Gorbatschow wohl russische Panzer in die DDR-Straßen schicken müssen!

... die Geschichte betrachten, da kann man auch als Deutscher etwas lernen, wenn man denn will. Ging es den Kleinstädtern und Bauern am russischen Nordufer seit 1989 genau so gut wie denen am chinesischen Südufer? Welche Regierung hat am Amur bis heute mehr für das eigene Volk erreicht?

Wer sagt, er hätte lieber gehungert als auf die volle Demokratie verzichtet, und er habe sich trotz aller Probleme echt gefreut, dass der Lebensraum für Wölfe und Bären wieder größer werden konnte - nun ja, dem glaube ich halt nicht.

Und vom "Jammer-Ossi" spricht halt nur jemand, der nicht sehen will, wieviel Unglück und Unrecht durch eine politische Umwälzung erzeugt wird, auch wenn sie das Beste anstrebt. Diese bittere Erkenntnis habe ich nach 1989 durch Beobachtung gelernt, obwohl ich selbst nicht betroffen war.

Viele streben unter dem Motto "Ende des Wachstuns" eine fundamentale Wende in der Wirtschaftspolitik an. Ich sehe dann schon die vor mir, die bei dieser Wende unter die Räder kommen.

Andre Möller | Mi., 3. März 2021 - 10:27

Antwort auf von Yvonne Stange

Und es war nicht Gorbatschow allein, die ihn umgebenden "führenden Genossen" waren genauso unfähig. Ich empfehle zur Prüfung dazu den ehemaligen sowjetischen Botschafter in Bonn Herrn Valentin Falin ("Konflikte im Kreml"). Besonders Herrn Lenz (Jammerwessi?) anempfohlen - dem wütendsten Russophobiker hier im Forum...

Klaus Funke | Di., 2. März 2021 - 21:13

August Bebel sagte: Wenn Dich Deine Feinde loben, dann hast Du etwas falsch gemacht!" Der Westen lobte den Gorbatschow "über den grünen Klee". Das muss dem doch aufgefallen sein, wenn er nicht "gekauft" war oder ein Volltrottel. Er hätte es in der Hand gehabt, Deutschland militärpaktfrei zu machen. Er aber hat seine Truppen ohne irgendeine Gegenleistung abgezogen. Was machen die USA. die Engländer!? Die haben ihre Soldaten heute noch auf deutschen Boden. Der zweite Weltkrieg ist doch kalter Kaffee. Dann hat "Gorbi" seine Sowjetunion verzockt und damit weiter Macht aus der Hand gegeben. Er hat das Feld dem Säufer Jelzin überlassen und den Weg freigemacht zum Ausrauben Russlands. Manche sagen, der MI6 hat ihn gekauft. Kann sein. Wahrscheinlicher ist, dass er ein politischer Träumer war, der seinen "Freunden" Kohl und Bush geglaubt hat. Und so bekam die USA ihren strategischen Vorteil, den sie heute noch nutzt. Die Russen können froh sein, dass sie jetzt Putin haben.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 3. März 2021 - 09:56

sagt ein altes Sprichwort. Die Russen in der alten Sowjetunion wollten keine Öffnung zum Westen, mal naschen ja, aber eben nicht so werden wie die. Wir alle hier können Gorbi nur dankbar sein, dass er wesentlich zum Fall der Mauer beigetragen hat. Wer Mensch ist macht Fehler und Gorbi ist Mensch. Ich jedenfalls gratuliere ihm von Herzen. Von der Regierung erwarte ich da wenig, von Steinmeier schon gar nichts. Gorbi ist eben kein Mullah.

Kurt Kuhn | Mi., 3. März 2021 - 11:52

Gorbatschow hat aus der Machtposition heraus erkannt, dass das von ihm weitgehend beherrschte System so nicht mehr weiter bestehen konnte. Das ist das Einmalige am ihm!
Nach Jahrzehnten der ideologisch bedingten Realitätsverweigerung, nach jahrzehntelangem Reformstau und mit unzähligen „Betonköpfen“ in Lenkungspositionen konnte der übermäßig große und total verkrustete Block nicht mehr vor dem Zerbröckeln bewahrt werden.
Mein Mitleid mit der Sowjetunion hält sich in Grenzen. Interessant war die Lage der ehemaligen Russen, die aus der Position der systemtreuen und privilegierten Drahtzieher und Aufpasser plötzlich zu diskriminierten Ausländern in den ehemaligen Sowjetrepubliken geworden sind.
Lieber Gorbi, ich verdanke Ihnen 31 Jahre Freiheit und wünsche Ihnen Alles Gute für die Zukunft!

In meinem ganzen Leben in der DDR war ich niemals so unfrei und vegetierte am Existenzminimum wie jetzt! Es gibt keine Freiheit, es gibt nur Geld, mit dem man sich Freiheit kaufen kann..... und das haben leider nur ganz wenige! Den anderen hat man die Existenz zerstört!

Menzel Matthias | Do., 4. März 2021 - 12:02

Antwort auf von Yvonne Stange

und man bekommst drei Meinungen.
Sehr geehrte Frau Stange, ich kenne ihre Lebensumstände nicht. Es spricht eine große Verbitterung daraus.
Ja, ich habe auch die Meinung, dass Gorbatschow für die Ostdeutschen die Freiheit gebracht hat und bin ihm dankbar. Vielleicht haben jetzt nicht alle gleich viel Geld. Verloren haben sicherlich systemnahe Personen, die Aufarbeitung der Probleme ist aber auf halben Wege stehen geblieben. „Das sind die Praktiker der Welt, die über Nacht sich umgestellt....“
Mich beunruhigt im Moment mehr, dass jeder seine Meinung wieder für sich behalten muss. Ansonsten muss er um bestimmte Dinge fürchten. Da haben wir einen Zustand, von dem ich hoffte, dass er für immer vorbei ist.
Aber die Grenzen sind ja nicht schützbar (außer für Viren). Deshalb kann jetzt auch jeder auswandern. Ich gebe zu für Ältere etwas schwierig!
Diese Möglichkeit nutzten viele Bürger aus der DDR vor 1961, dann war Schluss mit lustig.
Die Hoffnung auf Besserung habe ich jedoch noch!

Kurt Kuhn | Do., 4. März 2021 - 12:57

Antwort auf von Yvonne Stange

Ich habe die ersten 32 Jahre meines Lebens in Rumänien ohne jede Perspektive dahinvegetiert. Da hat alles Geld nichts mehr geholfen, denn es gab nichts mehr zu kaufen. Ich war in die unterste Kaste (der deutschen Minderheit) geboren und ein vertauensunwürdiges Element der Gesellschaft, durch Gebirt und Muttersprache. Jedes falsche Wort hätte mich ein paar Zähne kosten können...

Karla Vetter | Mi., 3. März 2021 - 18:39

Im eigenen Land nicht geschätzt.Wir sind aus allen Wolken gefallen über die Reaktion einer russischen Reiseleiterin in Sankt Petersburg.Der Name Gorbatschow löste bei ihr einen allergischen Anfall aus.Wir versuchten Schadensbegrenzung, indem wir Gorbis Namen nie mehr erwähnten.Für uns Deutsche war er ein Held.Russen schoben aber alle bestehenden Probleme auf ihn.Dabei hatte er einfach Pech. Seine Antialkoholstrategie nahm man ihn teilweise sehr übel.Steigende Ölpreise ruinierten jeden Wirtschaftsaufschwung.Jelzin erledigte den Rest.Am Ende stand eine Oligarchie.Für uns in Deutschland würde ich mir eine Regierung wünschen die sich so einsetzt.Für das eigene Land u n d für die Freiheit.