gilles-kepler-terror-tuerkei-islamismus-frankreich-erodogan-macron
Demo gegen Erdogan: Nicht alle Muslime in Deutschland lassen sich von dem Diktator „muslimisieren” / dpa

Gilles Kepel über Djihadismus - Brauchen wir ein Gesetz gegen den politischen Islam?

Nach der letzten Serie von Terroranschlägen hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ein Gesetz gegen den politischen Islam angekündigt. In einem Zeitungsinterview erklärt der renommierte Islam-Kenner Gilles Kepel, warum auch andere EU-Staaten nicht um schärfere Gesetze herumkommen.

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

So erreichen Sie Antje Hildebrandt:

Es sind nur fünf Jahre, die zwischen dem Terroranschlag auf den Pariser Club „Bataclan“ und der Enthauptung von Samuel Paty liegen, jenem Geschichtslehrer, der sterben musste, weil er seinen Schülern Mohammed-Karikaturen mit in den Unterricht gebracht hatte, um ihnen zu erklären, was Meinungsfreiheit bedeutet 

Es sind beides islamistische Gräueltaten, und doch habe der Terror sein Gesicht in dieser Zeit verändert, sagt der Pariser Sozialwissenschaftler Gilles Kepel. „Wir haben heute einen Jihadismus, der aus einer Atmosphäre entsteht: die Mohammed-Karikaturen, die Demonstrationen in der arabischen Welt und das Internet. Individuen, die gedanklich in dieser Stimmung drin sind, handeln direkt, ohne dass es eine Organisation dahinter gibt.“ 

Warnung vor dem „Stimmungs-Jihadismus“ 

Das ist nicht neu. Seit dem Zusammenbruch des Kalifats werden islamistische Terroranschläge nicht mehr aus der IS-Zentrale im irakischen Rakka gesteuert. Der Terror macht schon lange nicht mehr vor Landesgrenzen Halt. Doch wenn Kepel, einer der besten Kenner des politischen Islam, in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vor einem neuen „Stimmungs-Jihadismus“ warnt, der durch aktuelle Ereignisse wie die Wiederveröffentlichung der Mohammed-Karikaturen durch das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ getriggert wird, dann hat er noch etwas anderes im Blick. 

Hass auf den Westen und die Ablehnung westlicher Werte, das ist das Ergebnis einer weitreichenden Re-Islamisierung, wie sie der türkische Präsident Recep Tayyipe Erdogan begonnen hat, um sich als Führer der sunnitischen Welt zu inszenieren, schreibt Kepel. „Es war Atatürk, der aus der Hagia Sophia 1935 ein Museum und damit das Symbol der türkischen Laizität gemacht hat. Die atatürksche Laizität ist zudem französisch, das sieht man an dem ganzen Vokabular. Das nährt den abgrundtiefen Hass, den Erdogan für Frankreich und Macron empfindet. Für ihn verkörpert Frankreich die verhasste Laizität, die er aus der türkischen Identität ausrotten will.“ 

Europa braucht strengere Gesetze 

Der neue islamistische Terror, er kommt aus der Türkei. Hier haben auch die Muslimbrüder Zuflucht gefunden, seit sie aus Ägypten vertrieben wurden. „Hier haben sie ihr Gedankengut immer mehr in Richtung des Salafismus entwickelt.“ Auf diesem Nährboden wächst ein Extremismus, der sich auch in der Rhetorik Erdogans widerspiegelt. In seiner Hassrede auf Emmanuel Macron machte er dem französischen Präsidenten jüngst den Prozess wegen angeblicher Islamophobie. Diese Täter-Opfer-Umkehr sei „bekräftigt worden durch Erdogans Netzwerke und durch jene der Muslimbrüder rund um die Welt“, sagt Kepel. 

Was folgt daraus für Europa? Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat gerade angekündigt, er wolle den politischen Islam mit einem Gesetz verbieten lassen. Verfassungsrechtlich ist das höchst umstritten. Denn woran will der Staat die politische Gesinnung festmachen? Kepel sagt, zumindest um strengere Gesetze gegen islamistische Attentäter kämen die Staaten nicht herum. „Wenn wir es nicht machen, werden wir immer mehr Sicherheitsprobleme haben mit Leuten, die auf der Straße getötet werden. Politisch wird das die extreme Rechte befeuern.“

Das vollständige Interview mit Gilles Kepel lesen Sie hier.        

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Tonicek Schwamberger | Di., 17. November 2020 - 16:40

. . . daß in diesem Satz sich ein Fehler eingeschlichen hat und es statt "dem türkischen" hier "dem französischen" heißen muß?

In seiner Hassrede auf Emmanuel Macron machte er dem türkischen Präsidenten jüngst den Prozess wegen angeblicher Islamophobie.

Markus Michaelis | Di., 17. November 2020 - 16:53

Ich denke nicht, dass daran etwas neu ist, es schreitet nur weiter voran. Einerseits eine islamische Identität, andererseits eine zunehmende demografische, kulturelle, wirtschaftliche europäische Schwäche. Bisher ging man davon aus, dass Europa kulturell der Maßstab ist, in den sich alle integrieren wollen und werden, aber das ist wahrscheinlich nicht der Fall. Warum auch? Letztlich ist eine bunte Welt besser - nur nicht gleich alle Farben am selben Fleck.

Ich denke das Hauptproblem wird auch nicht die Sicherheit sein, die ist nur am sichtbarsten und hat die höchste Symbolik. Die identitären Konflikte, wer sich durch wen vertreten oder benachteiligt, ausgegrenzt etc. fühlt, sind wahrscheinlich maßgeblicher, da sie täglich Millionen Erfahrungen betreffen. Die Sicherheitsbedrohung ist dann mehr eine Konsequenz davon, dass sich nicht alle als Eins fühlen.

Hermann Kolb | Di., 17. November 2020 - 17:15

Antwort auf von Markus Michaelis

...als ob es nicht Dutzende von Studien zum Thema geben würde. Es sei hier nur auf die Metaanalyse von Dinesen und Sonderskov hingewiesen. Über 80 Einzelstudien weisen nach, dass das Vertrauen zu- und untereinander abnimmt, je heterogener die Bevölkerung ist. Und das auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene.
Eigentlich unbegreiflich, da „Diversität“ als gefeierten und angestrebtem gesellschaftlichen Ziel jegliche empirische Grundlage fehlt, die entsprechenden ökonomischen Studien, sozialwissenschaftlichen Erhebungen und Bildungsrankings im Gegenteil ein ums andere Mal belegen, dass die Einwanderungsgesellschaft in aller Regel und in allen Belangen verliert statt gewinnt.

verkauft man uns die Zuwanderung, dann trotzdem als den großen Benefit? Warum werden diese höchst interessanten Studien nicht lang und breit von den Medien diskutiert?
Hallo Frau Hildebrandt, wäre das nichts für Sie? Übrigens, vielen Dank für Artikel und Link.

Jacqueline Gafner | Mi., 18. November 2020 - 11:09

Antwort auf von Charlotte Basler

A) Wirtschaftswachstum und Demographie: Mehr Zuwanderung bedeutet mehr Konsum, im engeren wie im weiteren Sinne (Ausbau der gesamten Infrastruktur), und sorgt damit automatisch für Wirtschaftswachstum auch in (vorübergehend) überalterten und unterdurchschnittlich "gebärfreudigen" Gesellschaften des Westens, ohne das sich deren Wohlstandsniveau scheints nicht halten lässt.
B) Ideologisch fundierter Internationalismus der (extremen) politischen Linke: Nationalstaaten, namentlich nicht augenfällig "buntscheckige", sind im Verein mit dem Kapitalismus scheints die Quelle allen Übels dieser Welt und gehören daher zugunsten von entgrenzten, umverteilungsorientierten und multikulturellen Gebilden überwunden, die sich der Einfachheithalber weiterhin Staaten nennen.
C) In Kombination hat man damit die "Zutaten" für die als segensreich postulierte Zuwanderung beisammen, die unter dem Strich scheints eine zukunftsträchtige "Win-Win"-Lösung für jedermann ist.

Bernd Muhlack | Di., 17. November 2020 - 17:52

Antwort auf von Markus Michaelis

Dieses Buch ist schon etwas älter (1987), leider nur auf französisch erhältlich.
Mit Hilfe meiner multilingualen Tochter habe ich es trotz meiner verschütteten Sprachkenntnisse lesen können.
Kepel ist in der Tat ein Experte, kein Vergleich zu diesen inflationären selbst ernannten Experten-Hanseln und Greteln.

Ja, es gibt mMn eine Bedrohung der westlich-europäischen Kultur, Lebensart durch den Islam.
Durch den Islam?
Ja, und zwar durch diese seitens der Politik hofierten "Opfer-Organisationen", etwa DITIB.
Ein "Anti-IslamismusG" ist nicht hilfreich, Unsinn. Das ist Aufgabe der Sicherheitsbehörden; keine falsche Toleranz, Endlos-Alles-Verstehen.

"Die Sicherheitsbedrohung ist dann mehr eine Konsequenz davon, dass sich nicht alle als Eins fühlen."
"EINS"?
Herr Michaelis, Sie sind ja ein Verfechter von "One world, one vision"; Queen.
Gute Musik, illusorischer Text.
Europa ist nicht Afrika, Arabien und soll es auch nicht werden!

Vielfalt ist schön, aber nicht Kapitulation, Selbstaufgabe.

@BerndMuhlack: ich bin kein Verfechter von "One World". Ich schreibe viel, um meiner Beobachtung Ausdruck zu verleihen, dass die Menschen sehr verschieden denken und ich auch nicht meine, dass das alles in einer Welt aufgehen sollte, die wir uns dann doch europäisch denken - eben jetzt "progressiv europäisch". Ich bin eher für Vielfalt und Grenzen dazwischen - nehme aber auch zur Kenntnis wie sonst gedacht wird.

Ich sehe das Problem auch nicht nur mit "dem Islam". Prinzipiell gibt es genügend Unterschiede auch zu China, Indien, Afrika, um eine von Vertrauen und gemeinsamen Werten getragene Gesellschaft nicht zum Selbstläufer zu machen. Schon innerhalb Europas ist es ein Projekt und viel Arbeit.

@CBasler,HKolb: Zuwanderung bringt schon viele Impulse und Zuwanderer (aus bisher "abgehängten" Regionen/Kulturen) können überdurchschnittlich viel Einsatz entwickeln, weil es für sie relativ mehr zu gewinnen gibt. Nur gibt es auch Reibung, Kosten und Nachteile.

Tomas Poth | Di., 17. November 2020 - 17:05

Nein das brauchen wir nicht, wie will man da trennen.
Der Islam ist das Substrat auf dem der politische Islam wächst und hervorgeht, das ist eine Einheit.
Wir brauchen nur konsequente und durchgreifende Anwendung unserer Gesetze.
Dazu gehört auch die komplette Durchleuchtung und Kontrolle der Moscheenvereine, einschließlich des Finanzierungsverbots dieser Vereine aus islamischen Ländern. Imame dürfen nur in Deutschland ausgebildet und rekrutiert werden. Das müssen die Muslime und ihre Vereine in Deutschland selber finanzieren.
Außerdem sollte die islamische Einwanderung nach Deutschlandfür die Dauer von 20 Jahren komplett ausgesetzt werden.

Tomas Poth | Di., 17. November 2020 - 18:51

Antwort auf von Yvonne Stange

Stimmt, danke für die Ergänzung.

stimme Ihnen soetwas von zu. Die immer wieder gebrauchte Differenz zwischen Islam und politischem Islam ist nichts anderes als "Sand in die Augen zu streuen".
Da der Islam politisch ist, ist dies ein weißer Schimmel oder schwarzer Rappe.
Neben den von Ihnen angesprochenen Verbänden und NGOs wird in absehbarer Zeit
eine Partei gegründet, die sich unter dem Deckmantel unseres GG islamischer
Interessen annimmt.
Vielleicht erst auf kommunalen Ebenen. Dann haben wir endgültig verloren.

Charlotte Basler | Di., 17. November 2020 - 17:08

In den letzten Jahren gab es viele Angriffe, meistens von einer bestimmten Personengruppe und mit Messern, gegen normale Passanten. Diese wurden dann meist als "von verwirrten Einzeltätern" deklariert. Andererseits passt das sehr gut zu "Stimmungs-Jihadisten". Intelligente Zeitgenossen könnten auch die Frage stellen, warum es im arabischen keine Übersetzung für Islamismus gibt. Ist wohl nicht erforderlich, weil es dasselbe ist?
Und D? Erinnert mich an meinen kleinen Neffen, der sich die Augen zuhielt, wenn er nicht gesehen werden wollte.

Hanno Woitek | Di., 17. November 2020 - 17:20

eine Bereinigung der 2 Religionen, dem Islam und die katholische Kirche. Beide verstoßen gegen unsere Verfassung und das Grundgesetz.
Was es für den Islam braucht: Eine Eid-Leistung auf unsere Verfassung mit öffentlichem Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Frau und abschwören auf die Scharia und nur noch Erlaubnis der Predigten auf deutsch. sonst Ausweisung und Verbot.
Für die Katholische Kirche, auch absolute Gleichberechtigung der Frau und uneingeschränkte, auch priesterliche, Berufsausübung, Überstellungszwang der Kinderschänder Verbrecher an die staatliche Justiz und Abschaffung des kanonischen Rechts. Sonst Einstellung der Kirchensteuer und Verbot dieser Religion.

Günter Johannsen | Di., 17. November 2020 - 17:31

"Hass auf den Westen und die Ablehnung westlicher Werte, das ist das Ergebnis einer weitreichenden Re-Islamisierung, wie sie der türkische Präsident Recep Tayyipe Erdogan begonnen hat." Ja, Frau Hildebrandt, da kann ich ihnen voll zustimmen. Ich denke, dass sich ein moderater Islam in unseren Land nicht durchsetzen wird, weil es auch nicht gewünscht ist. So wird es also auch keine Integration geben! Es gibt tatsächlich viele Moslems, denen die aufdringlich-anmaßende Überheblichkeit vieler ihrer radikalen Mit-Muslime in Deutschland peinlich ist und dieses ablehnen! Nur diese arrogant-aufdringlichen Erdogan-Fans werden von den Grün-Linken (aus alter Freundschaft - RAF-PLO?) leider besonders hofiert - siehe Umgang mit dem Radikal-Islamischen-Erdogan-Verein Ditib. Es tut Not, dass dieser Verein nicht mehr gefördert wird vom Geld der "bösen Ungläubigen"! Was Ditib wirklich will, hat Erdogan selbst formuliert: "Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind!"

mal bei der Wahrheit, auch wenn es weh tut. Kaum jemand hat Erdogan so laut und deutlich kritisiert wie die Grünen Roth und Özdemir oder die Linke Dagdelen.
Die AfD hofiert derweil den Schlächter Assad und trifft sich dort beim Haus- und Hofimam zum fröhlichen Teetrinken. Und selbstverständlich bekommt das syrische Terrorregime von den "AfD-Gesandten" Absolution erteilt.
Der grösste und dickste Freund aller Patrioten, der grosse Donald, verkauft derweil seine Waffen juchzend bevorzugt an radikal-muslimische Länder wie Saufi-Arabien.
Wer natürlich seine Tage damit verbringt, die SED zu beobachten, bekommt von der realen Welt nicht mehr viel mit.

Schauen wir alle der Wahrheit ins Gesicht: Böse gibt es überall ... nicht nur im rechten Lager ... die richtig Gefährlichen sind m.E. momentan die religiösen Radikalen und Linken können den Rechten diesbezüglich auch die Hände geben (ironischerweise machen das die "Gemäßigteren" das ja momentan indirekt sogar bei ihren Aufläufen ... wie schon bei der "Fasterstürmung" des Bundestages ;)

Ellen wolff | Di., 17. November 2020 - 20:02

Wir brauchen härtere Gesetze gegen jegliche Extremisten, die andere Menschen bedrohen, diffamieren und herabwürdigen, die zu Hass und Hetze aufrufen, und besonders gegen jene, die andere töten oder verletzen.