Ein Mädchen ist am 19.11.2013 im Kinderkrankenhaus der MHH Medizinische Hochschule Hannover (Niedersachsen) an ein Dialysegerät angeschlossen. Das junge Mädchen wartet auf eine Spenderniere. Rund 11 000 sterbenskranke Menschen warten bundesweit auf ein Spenderorgan. Auf der Warteliste der Vergabeorganisation Eurotransplant standen im Oktober auch 112 Kinder unter 16 Jahren allein aus deutschen Transplantationszentren.
Warten auf eine Spenderniere: Die Bundesregierung will Transplantationen beschleunigen – aber läuft das neue Gesetz nicht ins Leere? / picture alliance

Organspende - „Die Situation für Empfänger von Spenderorganen ist desaströs“

In kaum einem anderen Land müssen Patienten so lange auf ein Spender-Organ warten wie in Deutschland. Deshalb hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt zwei neue Gesetze auf den Weg gebracht. Doch was bringt das? Ein Betroffener erzählt

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Herr Burrack, noch nie haben Menschen in Deutschland so lange auf ein Spenderorgan gewartet wie heute. Sie haben selber als 25-Jähriger nach sieben Jahren Wartezeit eine Spender-Niere bekommen. Wie hat sich das angefühlt? 
Man würde ja erwarten, dass die Niere sofort arbeitet, sobald sie wieder mit Blut versorgt wird. Das war bei mir leider nicht der Fall. Ich musste noch einige Male dialysieren. Als das Transplantat dann aber losgelegt hat, war es wie ein neues Leben. Ich konnte wieder alles essen und trinken, und auch die Zeit an der Dialyse entfiel komplett. Dabei reden wir von knapp einem Tag pro Woche, den ich wieder für mich hatte und habe.

Womit fing Ihre Krankheitsgeschichte an? 
Ich bin mit knapp 18 Jahren plötzlich kollabiert, und es war schnell klar, dass da gar nichts mehr geht. Ich hatte eine Autoimmunerkrankung. Der Körper hat Bakterien mit der Niere verwechselt. Er ist gegen den eigenen Körper vorgegangen. Es war ziemlich dramatisch. Ich musste mehr als sieben Jahre lang dreimal pro Woche zur Dialyse. 

Was passiert da?
Ohne funktionsfähige Nieren können Sie nicht pinkeln. Die gesamte Flüssigkeit, die sich zwischen den Dialysen angesammelt hat, muss künstlich entfernt werden. Das heißt, man nimmt jedesmal zwischen zwei und fünf Kilo Wasser ab. Daneben werden aber auch Giftstoffe herausgefiltert. Wenn ich zwischen den Dialyse-Intervallen eine Tafel Schokolade gegessen hätte, hätte ich mich in Todesgefahr begeben. 

Warum?
Schokolade enthält relativ viel Kalium, das kann den Muskelstoffwechsel des Herzens beeinträchtigen. 

Wie hat das Ihr Leben eingeschränkt?
Ich habe damals studiert. Dadurch, dass ich nur wenig trinken durfte und nach einer strengen Diät leben musste, war es sehr viel aufwendiger, soziale Kontakte zu pflegen.    

Nieren sind die am häufigsten transplantierten Organe. Warum ist es so schwer, einen geeigneten Spender zu finden?
Es gibt dafür drei Kriterien: die Blutgruppe, die Wartezeit – und die Gewebemerkmale, von denen sechs berücksichtigt werden. Hier sollte die Übereinstimmung mit dem Spender möglichst groß sein. Man muss unwahrscheinliches Glück haben, damit diese Merkmale auch nur annähernd zusammenpassen. 

Wie haben Sie die Wartezeit überstanden? 
Ich hatte viele soziale Kontakte. Die haben mich davor bewahrt, depressiv zu werden. Schwierig wurde es erst, als ich eine Niere angeboten bekam – und sich dann kurz vor der OP herausstellte, dass die nicht zu mir passte. Ich bin in ein Loch gefallen. Dabei passiert es relativ häufig, dass eine Transplantation in letzter Sekunde doch wieder abgesagt wird. 

Im zweiten Anlauf hat es dann geklappt. Merken Sie es heute noch, dass es nicht Ihre eigene Niere ist?
Ja, die wurde ja nicht da eingebaut, wo die alte Niere gesessen hat, sondern im kleinen Becken. Sie ist sogar tastbar. 

Wissen Sie denn, wer Ihr Spender war? 
Nein. Die Spende ist anonymisiert. Die Angehörigen der Spender können von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) höchstens die Information bekommen, wie es dem Empfänger geht. Man kann sich als Empfänger mit einem anonymisierten Brief bedanken. Momentan werden diese Briefe von der DSO allerdings nicht weitergeleitet, weil es datenschutzrechtliche Bedenken gibt. 

Würden Sie es gerne wissen?
Schwierige Frage. Einerseits würde ich mich gerne bedanken, weil diese Niere für mich ein unglaublich großes Geschenk war. Andererseits frage ich mich, wie ich mich den Angehörigen dieses Spenders oder dieser Spenderin nähern sollte. Welche Wunden würde ich damit wieder aufreißen? Stellen Sie sich vor, der Spender hat Suizid begangen. 

Jetzt haben Sie ein Buch zum Thema Organtransplantation geschrieben. Was war Ihre Motivation?
Es gibt zwei Gründe. Voraussetzung für eine Transplantation ist, dass Ärzte vorher den Hirntod des Spenders diagnostiziert haben. Es gibt viele Vorurteile und Halbwissen, was diesen Hirntod betrifft. Die Angehörigen sind in einer ganz schwierigen Situation, da der Betroffene wie ein schlafender Mensch auf sie wirkt. Sie können nur schwer verstehen, dass der Mensch tot ist. Einen Leichnam stellen wir uns anders vor. Wenn dann noch spinale Reflexe dazukommen, wird es total schwierig. Und dann kann ich verstehen, dass Angehörige dann sagen: Das will ich nicht.

Und der zweite Grund? 
Ich bin seit 25 Jahren nieren-transplantiert. Ich wollte einfach mal Dankeschön sagen. 

Bild Burrack
Heiko Burrack / Freund

Ihr Buch liest sich, als wollten Sie den Gegnern des Gesetzesentwurfs des Gesundheitsministers den Wind aus den Segeln nehmen. Der sieht eine doppelte Widerspruchslösung vor. Das heißt: Jeder kann zum Organspender werden, sofern er einer Organentnahme nicht zeitlebens widersprochen hat oder seine Angehörigen nach seinem Tod nicht ihre Unterschrift verweigern.  
Eigentlich finde ich, dass die derzeit gültige Entscheidungslösung die bessere Lösung ist. Sie werden einmal im Jahr von Ihrer Krankenkassen über die Möglichkeit einer Organspende informiert und erhalten dazu einen Organspendeausweis. Als Empfänger habe ich die Gewissheit, dass sich der Spender aktiv mit dem Thema beschäftigt hat. Die Situation für die Menschen auf der Warteliste von Eurotransplant ist im Augenblick allerdings derart desaströs, dass ich der Meinung bin, dass der Gesetzgeber an mehreren Schrauben drehen muss. Eine davon ist die doppelte Widerspruchslösung.

Welche Schraube ist denn die wichtigste? 
Die Frage der Organisation der Organspende in den Krankenhäusern. Im April hat die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg gebracht, nach dem die Möglichkeiten des Transplantationsbeauftragten massiv erweitert wurden und der gesamte Prozess von den Krankenkassen besser vergütet wird. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Das Problem liegt hierzulande also gar nicht an der mangelnden Spendenbereitschaft der Bürger?
Genau, die Zahl der Organspender-Ausweise hat sich seit 2008 sogar verdoppelt. Es liegt an den Krankenhäusern. Der Arbeitsdruck und der Gewinndruck sind so stark  gestiegen, dass viele Kliniken gar nicht über eine Transplantation nachgedacht haben. Was die Krankenkassen dafür gezahlt haben, war auch nicht kostendeckend. Sie müssen bedenken: Die Organspende ist ein aufwendiger Prozess. 

Können Sie das mal erklären?
Der Kreis der potenziellen Spender ist sehr klein. Voraussetzung ist, dass der Kreislauf zwar noch funktioniert, aber die Hirnfunktionen unwiederbringlich erloschen sind. So ein Hirntod kommt nur sehr selten vor – in kleinen Krankenhäusern vielleicht nur ein- bis zweimal im Jahr. 

Das heißt, Transplantationen haben sich finanziell nicht gelohnt?
Genau, das war ein wichtiges Problem. Sie müssen als Mediziner Gespräche mit den Angehörigen führen. Das ist für alle Beteiligten nicht leicht. Dann muss der Hirntod von zwei Medizinern diagnostiziert werden, das braucht auch noch zwei Tage. Die Organe müssen entnommen werden, eine Multi-Organ-Entnahme dauert vier bis fünf Stunden. Das kriegt man bei einer normalen OP-Auslastung nur nachts hin – mit der Konsequenz, dass die Mitarbeiter am nächsten Tag nicht mehr zur Verfügung stehen. 

Aber wenn die Wirtschaftlichkeit das größte Hindernis war, läuft dann die geplante Widerspruchslösung des Gesundheitsministers nicht ins Leere?
Nein, das sehe ich nicht so. Sie birgt die Chance, dass die Zahl der entnommenen Organe steigt. Deshalb sollte die Politik auch an dieser Stellschraube drehen.  

Können Sie es denn verstehen, warum sich Menschen vor der Beschäftigung mit der Organspende lieber drücken?
Na klar. Wer beschäftigt sich schon gerne mit dem eigenen Tod? Das Thema schiebt man erstmal weg. Meine Frau hat sich damit auch erst beschäftigt, seit sie mich kennt. Und sie ist Biologin.  

Heute arbeiten Sie als Berater für Werbeagenturen. Wie sähe Ihr Leben aus, wenn Sie vor 25 Jahren keine Spenderniere bekommen hätten?
Die Frage ist, ob ich heute noch am Leben wäre. Die körperlichen und seelischen Belastungen durch eine Dialyse sind gewaltig. Ich weiß nicht, ob man das jahrzehntelang überlebt. 

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 Heiko Burrack, Leben hoch zwei. Fragen und Antworten zu Organspende und   Transplantation, medhochzwei, 24,99 Euro. 

 

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Christa Wallau | Mo., 8. April 2019 - 10:44

Grundsätzlich gilt: Was technisch machbar ist,
muß nicht unbedingt gemacht werden bzw. ein Recht generieren, daß es in jedem Falle gemacht wird.
Es ist m. E. eine hochherzige, aber nicht zwangsläufige Entscheidung, im Falle des eigenen Hirntodes seine Organe anderen Menschen zur Verfügung zu stellen. Dieser Entschluß kann und darf nicht von allen Menschen erwartet werden, d. h. niemand muß sich schlecht vorkommen, wenn er es nicht tut. Das Recht auf Selbstbestimmung über sein eigenes Leben und den eigenen Körper
wiegt schwerer als der Wunsch eines Kranken
auf Empfang eines Spenderorgans.
Letztlich wird es immer Glückssache (bzw. Schicksal) bleiben,ob jemand mit einer schweren Krankheit weiterlebt oder nicht. Dies gilt ja auch z. B. bei Krebserkrankungen.
Ich halte nichts von der Regelung, die Herr Spahn befürwortet. Weiterhin sollten die Kassen ihre Mitglieder regelmäßig befragen, und dann sollten die positiven Entscheidungen in einem Register gespeichert werden.

Christa Wallau | Mo., 8. April 2019 - 10:44

Wer schon länger Organspender ist (Nachgewiesenermaßen!), der sollte bei der Organ-Zuteilung auf jeden Fall bevorzugt werden; denn hier muß der Grundsatz gelten: Wer selber einwilligt, anderen seine Organe zu spenden, der hat ein größeres Anrecht darauf, im Notfalle Hilfe zu erfahren, als derjenige, der dazu nicht bereit ist.
Ich bin der Überzeugung, daß genau diese Regelung dazu beitragen würde, daß m e h r Menschen den Spender-Ausweis ausfüllen.

jetzt bin ich aber doch einmal ganz anderer Meinung als Sie. Ihre Aussage überrascht mich sogar immens. Die Selbstbestimmung über das eigene Leben führt dann doch in der Kosequenz zu einer Bestrafung bzw. zu Patienten zweiter Klasse. So begonnen können wir auch für Raucher und/oder Vielesser entsprechende Regelungen einführen; weitere Türen lassen sich sicher zudem öffnen. Überdenken Sie bitte noch einmal Ihre Aussage, auch unter dem Aspekt, dass zum Leben auch das Sterben gehört (ein Hirntoter liegt im Sterben).

Klaus Funke | Mo., 8. April 2019 - 11:35

Zuerst einmal: Hirntod ist nicht gleich Tod insgesamt. Das Herz arbeitet noch und versorgt die Organe mit Blut, auch die Organe leben noch - nur "lebende" Organe können transplantiert werden. Das neue "Organverpflanzungsgesetz" des Herrn Spahn ist keine "Spende" mehr. Sie ist eine Organentnahme. Und zwar die Organentnahme von einem noch lebenden menschlichen Organismus. Das Wort "Spende" ist ein irreführender Begriff. Leider hängt an derartigen Organverpflanzungen viel Geld dran. Und Geld macht eine Sache immer schlechter, vor allem moralisch. Ich bin gegen Herrn Spahns neue Gesetzgebung und ich werde mir meine Organe nicht entnehmen lassen so wie ich auch keine empfangen will. Warum will der Mensch Gott spielen? Wenn Schluss ist, dann ist Schluss. Früher war es aus technischen Gründen nicht möglich. Und das war gut so. Warum soll einer länger leben, wenn er es bezahlen kann? Was macht der ärmere? Hinzu kommen die Risiken. Ein Freund ließ sich die Leber ersetzen und starb dennoch..

Gerhard Lenz | Mo., 8. April 2019 - 11:54

Antwort auf von Klaus Funke

Derjenige, der dringend auf eine Organspende wartet, wird wohl kaum einen Gedanken an irgendwelche "Geschäfte" verschwenden, er wird einfach nur dankbar sein, wenn ihm geholfen wird.
Derjenige, der sein Organ "abgibt", gleich ob jetzt nach einer Willenserklärung oder aufgrund eines durchaus vernüftigen Gesetzes, wird nach seinem Ableben wohl kaum noch etwas einzuwenden haben - so makaber das auch klingen mag.
Egoismus bis über den Tod hinaus? Lieber Organe sich der allmählichen Auflösung überlassen, statt Notleidenen, darunter Kinder, Familienoberhäupter usw...einen Dienst zu erweisen, der niemandem mehr weh tut, aber Leben rettet?
Seltsamerweise gibt es die von Spahn angestrebte Regelung bereits in den meisten Nachbarländern - sie ist schlicht Selbstverständlichkeit und regt dort keinen auf. Nur wir Deutsche sind mal wieder am meckern?
Richtig, es gibt keine medizinische Garantie für Erfolg - aber viele erfolgversprechende Beispiele.

Klaus Funke | Mo., 8. April 2019 - 14:03

Antwort auf von Gerhard Lenz

Sie wissen, dass bei "Organspenden" (dieses Wort ist zynisch) viel Geld im Spiele ist. Ein Bekannter von mir hat wegen einer kranken Leber mehrere tausend Euro bezahlt, um auf der Warteliste weiter nach oben zu kommen (Klinik, Arzt - alles bekannt). Man hat ihn operiert. Und schon ein paar Tage nach der OP war er tot. Arztfehler! Wo ist das Geld? Weg. Es geht nicht um Meckern, es geht um Verantwortung für sich und seinen Körper. Wem gehört mein Körper? Die sog. Widerspruchslösung (egal, ob das woanders reibungsloser funktioniert) ist eine Entmündigung der Bürger und ein massiver Eingriff in die Freiheitsrechte. Es werden viele vergessen zu widersprechen und schwupps sind sie Organlieferant. Das Gesetz ist ganz klar gegen die christlichen Glaubensgrundsätze. Leider aber empören sich die "Staats"kirchen nicht. Apropos "Ableben" - wieso sagen Sie nichts dazu, dass nur lebende Organe entnommen werden können? Tote Organe können nicht verpflanzt werden. Es gibt bei Hirntod noch Restfunktion

Christliche Glaubenssätze hin oder her - für viele Menschen spielen die sowieso keine Rolle in unserer zunehmen sekulären Gesellschaft.

Natürlich gibt es auch bei Organspenden Mißbrauch, und wieso? Weil gerade in Deutschland solche Organe knapp sind, und diejenigen, die es sich leisten können, eben bereit sind horrende Summen zu zahlen, gerade auf dem Schwarzmarkt für Organe.

Diesem Mißbrauch, einschliesslich der einhergehenden finanziellen Schiebereien, würde das Gesetz einen gehörigen Klotz in den Weg stellen.

Und nochmal: Mit viel Pech - salopp gesagt - können Sie auch bei einer Blinddarmoperation sterben.
Der Arzt wird aber trotzdem bezahlt. Der Grundsatz: Entlohnung nur bei Erfolgsgarantie gilt im Gesundheitswesen nicht - zum Glück. Denn wer würde dann noch in der Tat lebensgefährliche, aber notwendige Eingriffe vornehmen?

Christliche Glaubenssätze hin oder her?? Es geht um unser Werteverständnis, mein Lieber. Lesen Sie den Beitrag von Herrn Jarzina. Da wird Ihnen womöglich manches klar. Es stimmt nämlich nicht, es geht nicht nur um Leben zu retten. Dem einzelnen Arzt mag es vielleicht ein Motiv sein. Oder auch, um seine ärztliche Kunst unter Beweis zu stellen. Der Organ-Connection jedenfalls geht es nicht um die Lebensrettung. Denen geht es ums Geldverdienen. Ich jedenfalls möchte nicht ein Teil dieses Systems sein, sei es, dass ich Organe ablieferte oder welche empfange. Sie, Herr Lenz ,können gerne alles "spenden", was Sie haben, auch Ihr Hirn, wenn es noch brauchbar ist. Es sei jedem unbenommen, ganz naiv und brav an die staatlichen Segnungen zu glauben, auch an das neue Organspendegesetz des Herrn Spahn. Bin gespannt, ob der auch "Spender" ist. Also, viel Spaß beim Ausweiden!

..mehr nicht. Für viele Menschen spielt Religion keine Rolle mehr, und Einstellungen, die darauf basieren, sind nicht in Stein gemeißelt (sondern wurden auch irgendwann von Menschen erdacht). Schiebereien mit Organen, die nur den überleben lassen, der jeden Preis zahlen kann, können, davon abgesehen, wohl kaum in christlichem Intersse sein. Spahns Gesetz ist für viele überlebenswichtig. Im Ausland ist man wieder mal schlauer. Und auch Ihre Organe werden sich eines Tages verabschieden, auf biologischem Weg halt. So what?

Sie, verehrter Herr Lenz, werden sich, wiewohl Sie nichts verlauten ließen, in dem guten Glauben von der Welt verabschieden, dass Sie Ihre wertvollen Organe einem anderen überlassen, vielleicht einem Kriminellen, einem Neureichen oder Gottlosen wie Sie selber einer sind, allerdings nur dann, wenn Sie weder Diabetes oder Bluthochdruck oder eine Fettleber noch Rheuma oder sonst eine chronische Krankheit haben. Denn das wollen die Organübernehmer nicht haben. Merken Sie nicht, dass dieses ganze Theater eine riesige Farce ist? Ich wiederhole, ich möchte nicht Teil dieses kriminellen Kartells sein, dass sich im Grunde auf Ausschlachten eines lebenden Organismus gründet, denn der Körper des sog. Spenders ist nicht tot, nein, nur sein Hirn arbeitet nicht mehr, alles andere aber lebt noch - sonst, wie gesagt, können die Organe nicht verwendet werden: Nur lebende Organe (sprich: durchblutete) können verpflanzt werden. Das ist mein Horror, verehrter Herr Lenz. Ihnen scheint aber auch dies egal.

Gerhard Lenz | Di., 9. April 2019 - 16:18

Antwort auf von Klaus Funke

Nein, ich kann Ihre Ängste nicht teilen. Organe müssen innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Eintritt des Todes entnommen werden, das stimmt.
Die Furcht, noch nicht "richtig" tot zu sein, aber bereits - wie Sie es nannten, ausgeweidet zu werden, kann ich verstandesmässig nachvollziehen, alleine sie scheint mir irrational.

Ansonsten wünschen ich Ihnen, dass Sie niemals persönlich, oder dass jemand aus dem Umkreis Ihrer Familie, auf ein Spenderorgan angewiesen ist, um zu überleben. Dann werden Sie - garantiert - nicht mehr von Theater oder Farce reden - sondern dankbar sein, dass jemand da ist, der Ihre Meinung nicht geteilt hat, und damit Ihnen (oder einem Familienmitglied) das Leben gerettet hat..

Klaus Funke | Mi., 10. April 2019 - 11:27

Antwort auf von Gerhard Lenz

Da muss ich Sie enttäuschen. In unserer Familie herrscht absoluter Konsens, dass keiner ein Organ "spendet" und auch keiner eines verlangt. Wenn das Ende da ist, ist es da. Da wird nichts verlängert oder ersetzt. Wie gesagt, nicht alles, was möglich ist, muss auch gemacht werden. Schluss bedeutet Schluss. Das ist seit Tausenden Jahren so. Ein paar Angehörige der Familie hätten sowohl spenden wie auch empfangen können - sie taten es nicht. Und zwar im vollen Bewusstsein. Nicht aus religiösen, sondern aus ethischen Gründen. Und ich werde es auch so halten. Ich weiß, Sie Herr Lenz, finden alles super, was der Staat sich so ausdenkt und beschließt, egal was - früher sagten wir: "Die Genossen werden sich schon was dabei gedacht haben". Man nennt das Obrigkeitsgläubigkeit. Egal. Meine Familie und ich (insgesamt über 35 Personen) wir werden den Organzirkus nicht mitmachen. Wenn einer von uns unheilbar erkrankt und stirbt, dann ist das traurig, aber nicht zu ändern. Der Tod gehört zum Leben.

Klaus Funke | Mo., 8. April 2019 - 14:04

Antwort auf von Gerhard Lenz

Sie wissen, dass bei "Organspenden" (dieses Wort ist zynisch) viel Geld im Spiele ist. Ein Bekannter von mir hat wegen einer kranken Leber mehrere tausend Euro bezahlt, um auf der Warteliste weiter nach oben zu kommen (Klinik, Arzt - alles bekannt). Man hat ihn operiert. Und schon ein paar Tage nach der OP war er tot. Arztfehler! Wo ist das Geld? Weg. Es geht nicht um Meckern, es geht um Verantwortung für sich und seinen Körper. Wem gehört mein Körper? Die sog. Widerspruchslösung (egal, ob das woanders reibungsloser funktioniert) ist eine Entmündigung der Bürger und ein massiver Eingriff in die Freiheitsrechte. Es werden viele vergessen zu widersprechen und schwupps sind sie Organlieferant. Das Gesetz ist ganz klar gegen die christlichen Glaubensgrundsätze. Leider aber empören sich die "Staats"kirchen nicht. Apropos "Ableben" - wieso sagen Sie nichts dazu, dass nur lebende Organe entnommen werden können? Tote Organe können nicht verpflanzt werden. Es gibt bei Hirntod noch Restfunktion

Ich habe mir sowohl die Argumente von Herrn Lenz als auch ihre nochmals gründlich durch den Kopf gehen lassen. Ihre Argumente und Aussagen, die schon immer meine eigenen waren, haben mich in meiner Haltung und die meiner Angehörigen voll bestätigt. Neben Ihrem Schlusssatz: "Der Tod gehört zum Leben" möchte ich noch etwas hinzufügen. Wir sollten und auch die Frage stellen, was der Sinn des Lebens ist. Sicherlich nicht als Ersatzteillager für andere Körper zu dienen und wie ein Schrottreifes Fahrzeug ausgeschlachtet zu werden. Sie haben sehr recht. Wenn es zu Ende geht ist es traurig, aber in jedem Ende ist ein neuer Anfang.

Uwe Ruckriegel | Mo., 8. April 2019 - 12:28

ich möchte einfach keine Organe spenden oder gar "spenden" müssen und habe deshalb keinen Organspendeausweis und möchte auch keinen. Die gegenwärtig noch bestehende Zustimmungsregelung halte ich für vollkommen ausreichend.

Die geplante Widerspruchsregelung sehe ich als einen massiven und rabiaten Eingriff in meine bürgerlichen Rechte an, die ziemlich den Methoden von Drückerkolonnen ähnelt.

Wir Menschen sterben übrigens, weil wir sterblich sind. Das kann biologisch bedingt nach einem langen Leben oder durch Krankheit, Unfall, falsches Verhalten, schlechte Lebens- und/oder Arbeitsbedingungen oder Gewalttat früher sein.

Sie sollten sich in jedem Fall einen Organspende-Ausweis zulegen, denn auf diesem kann man auch ankreuzen, dass man KEIN Organspender ist! Ich selbst habe meinen nächsten Angehörigen einen von mir ausgefüllten Ausweis gegeben, damit jedem klar ist, dass ich kein Spender bin.

Schon früh in meiner Jugend hatte ich einen Ausweis und war Spender, denn damals war ich fasziniert von dieser Technik und der Möglichkeit, Leben zu verlängern. Heute, weit über 60 Jahre alt, bin ich kein Spender mehr, denn ich habe im Laufe meines Lebens viele alte Menschen beim Sterbeprozess begleitet und habe auf das Sterben mittlerweile eine andere Sicht der Dinge als früher. Der natürliche Sterbeprozess sollte nicht durch chirurgische Eingriffe oder Maschinen beeinflusst werden.
Es sei aber jedem Menschen unbenommen, seine Organe zu spenden oder aber auch fremde Organe zu empfangen.

Ulrich Jarzina | Mo., 8. April 2019 - 14:43

Auch wenn Spender bzw. Angehörige nichts für die gespendeten Organe bekommen, bedeutet das nicht, dass bei dem Thema keine wirtschaftlichen Interessen hineinspielen. Neben den Ärzten, die die Transplantation vornehmen, verdienen u.a. Kliniken und Stiftungen wie Eurotransplant massiv an jedem verpflanzten Organ. Der Spender mag selbstlos agieren. Danach jedoch greift ein System, das von knallharten Geschäftsinteressen bestimmt wird. Diesem System kommt die Hirntodkonvention natürlich sehr zu gute.

In Deutschland werden mehr Organe transplantiert als gespendet wurden, sprich: wir sind ein Land, das Organe importiert. China z.B., ist hingegen ein Nettoexportland in diesem Bereich und das deswegen, weil auch zum Tode verurteilte Gefangene als Organspender herhalten müssen. Hinzu kommen die Vorwürfe der illegalgen Organentnahmen bei Falun-Gong Anhängern durch den Staat.

Man sollte sich daher gut überlegen, ob man Teil dieses Systems werden möchte, sei es als Spender oder Empfänger.

Ihr Beitrag, Herr Jarzina, ist gut und richtig und sollte den Romantikern unter den Organspendebefürwortern vorgelesen werden. Es geht um Geld, um viel Geld. Ja, es ist ein Markt. Humanismus und Lebenshilfe sind Vokabeln. Ich werde nicht spenden und nicht empfangen, weil ich (sic) eben nicht Teil dieses Systems werden will. Nicht alles, was technisch möglich ist, sollte auch gemacht werden. Was war vor den Organverpflanzungen? Waren die Menschen etwa unglücklicher? Weil wir jetzt technisch in der Lage sind, überheben wir uns und wollen Gott spielen: Das Leben geben, das Leben nehmen! Doch das Schlimme ist, das Ganze wirft Gewinn ab. Wenn es ein Nullsummenspiel wäre und der Staat/die Kassen die Kosten übernehmen würden, wäre ich der erste, der das lauthals begrüßen würde. Bleibt allerdings noch die Problematik des Hirntodes. So wie es jetzt funktioniert, ist es schlicht und ergreifend sanktionierter Mord. Liebe Befürworter - erst mal schlau machen. Der Hirntod ist der Drehpunkt.

Bernd Muhlack | Mo., 8. April 2019 - 16:07

Die Widerspruchslösung ist doch quasi eine stillschweigende Duldung, Zustimmung nicht wahr? Jedoch gilt "Schweigen" nur im Handelsrecht (HGB) unter Kaufleuten als Zustimmung, Annahme.
Es mag ja sein, dass die Widerspruchslösung in vielen Staaten angewendet wird, jedoch haben auch viele Staaten die Todesstrafe; das ist kein schlagendes Argument!
Im Übrigen dürfte das doch auch ein "tatsächliches" Problem sein: woher will man wissen, ob die Organe überhaupt zur Transplantation tauglich sind? Da liegt also ein verunglückter Motorradfahrer ohne Beine und den fliegt man dann ratzfatz "lebenserhaltend" in eine Klinik, oder wie? Schaun mer mal, was noch zu gebrauchen ist!
Abgesehen davon, dass von mir eher NICHTS zu gebrauchen ist, habe ich massive Bedenken mit dieser unterstellten Zustimmung!
Ist das nicht auch eine "Enteignung" des Körpers? Der Trend geht ja zur Sozialisierung!
Was sagen eigentlich Bedford-Strohm und Kollege Marx dazu? Von den beiden hört man ja gar nichts mehr!?

Werter Herr Muhlack, ich stimme sehr häufig ihren Kommentaren innerlich zu. Diese Mal möchte ich Ihnen auch durch meine Antwort in vollem Umfang zustimmen. Vieles wurde hier bereits von einigen Kommentatoren zu diesem Thema ausgeführt und soweit sie sich gegen das Vorhaben des Herrn Spahn richten, stimme ich auch diesen Kommentatoren zu.
Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang den Hinweis auf unser Grundgesetz Art. 1:
" Die Würde des Menschen ist unantastbar". Das einzige aus diesem Artikel unverrückbare Recht ist somit die Freiheit, führte Herr Prof. Schachtschneider einmal in einem Klageverfahren beim BVG an. Zur Freiheit gehört nicht nur die physische, sondern auch die geistige und damit einhergehend die Willensfreiheit. So wie es nicht unter Strafe gestellt werden kann, sich selbst zu töten und dies gesetzlich verboten werden kann, so kann man nach meiner Rechtsmeinung auch niemand dazu zwingen Spender zu sein, wenn er vorher nichts anderes bestimmt hat. Alles Gute für Sie.

Heidemarie Heim | Di., 9. April 2019 - 18:59

Und das größere Vertrauen in eine eigens dafür geschaffene Institution. Zu diesem Schluss kam ich, als ich einen Artikel über die spanischen "Organspende-Weltmeister" im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil, 2018 über 5000 Organtransplantationen/Entnahmen, und die völlig andere Einstellung dazu las. Und dies bei einer überwiegend ihrem katholischen Glauben m.E. noch stärker verhafteten Bevölkerung. Der bisher älteste Organspender war 94 Jahre alt! Und obwohl eine Organspende sogar nach einem Herzstillstand mit folgendem Hirntod gesetzlich möglich ist, ist es keineswegs so, das Jedem einfach ohne weiteres die Organe entnommen werden. Gesondert geschulte Ärzte und Spezialisten versichern sich mehrere Male u.a. bei Angehörigen rück. Aufgrund dieser und weiterer Unterschiede zur deutschen Regelung existiert wohl ein höheres Vertrauenspotential in die Institution. Ansonsten habe ich hier schon an anderer Stelle zum Thema reichlich kommentiert sowie meinen Standpunkt erläutert. MfG