Henning Geisel steht vor der Tafel und unterrichtet seine Schüler an der Wuppertaler Realschule Neue Friedrichstraße
Henning Geisel in seinem Element: Unterricht an der Wuppertaler Realschule Neue Friedrichstraße / Marcus Simaitis

Bildungskrise - Der Klassenkampf

Die Gewalt an Schulen nimmt zu – vor allen in Berlin, aber auch deutschlandweit. Hinzu kommen Lehrermangel und eine wachsende Zahl an Quereinsteigern. Es zeigt sich: Deutschlands Schulen scheitern immer häufiger an den Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Ein Bericht von der pädagogischen Front

Autoreninfo

Oliver Uschmann kam 1977 in Wesel zur Welt und hat als Schriftsteller und Leiter für literarische Workshops bereits Hunderte von Schulen aller Formen besucht. Einige seiner Jugendromane werden bereits von Schülern in Serbien und Polen gelesen. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit seiner Frau und Ko-Autorin Sylvia Witt an neuen Stoffen

So erreichen Sie Oliver Uschmann:

Ein kleiner Klassenraum. Die Tafel ohne Risse. Unter dem sorgsam in seinem Fach klemmenden Schwamm hängt ein blauer Eimer für den Wischwassernachschub. Ganze sechs Kinder werden hier unterrichtet, in aller Ruhe. Fehlstunden oder Personalwechsel gibt es nicht. Die Lehrerin ist für ihre Klasse da, schenkt Vertrauen und erhält im Gegenzug aufrichtige Loyalität und Dankbarkeit. Verlässt man das Gebäude, in dem sich diese optimale Bildungsanstalt befindet, sollte man sich allerdings die Hände desinfizieren – die Klasse befindet sich in einem Krankenhaus.

Vor kurzem verließ Judith Kaiser-Rübsamen den sicheren Schoß des Beamtentums und wechselte vom staatlichen Regelbetrieb an die Schule für Kranke in der DRK-Kinderklinik Siegen. Dort sammeln sich Halbwüchsige, die ihrer Heimatschule ganz oder zumindest für eine Weile fernbleiben müssen. Ganz besondere Mitschüler rollen zum Unterricht aus der angeschlossenen Kinderinsel herbei, einer Intensivstation mit Wohnheimcharakter. Sie sitzen im Rollstuhl oder sind langzeitbeatmet. Wer von ihnen das Bett gar nicht verlassen kann, den besuchen die Lehrer für mindestens 20 Minuten am Tag und unterrichten auch hier je nach den Möglichkeiten. Beim zehnjährigen Jan bedeutet das, in Form von Fotobänden oder realen Objekten wie Tannenzapfen die Natur ins Zimmer zu holen und zu erläutern. Der elfjährige Tom, der immer noch den Körper eines Dreijährigen besitzt, saust hingegen mit seinem elektrisch betriebenen Rollstuhl so geschickt wie rücksichtsvoll durch die Flure.

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Karl Schneider | Do., 17. Mai 2018 - 14:22

Seit zehn Jahren versuche ich kindern bei den Haisaufgaben in einer DRK-Einrichtung zu helfen. Meist sind es Kinder mit "migrantem" Hintergrund. Die meisten dieser Kinder wollen lernen und sind aufgeschlossen gegenüber dem Lehrstoff. Leider höre ich aber immer wieder, dass zu Hause nicht geholfen werden kann, weil nur alles Mögliche, jedoch nicht deutsch gesprochen wird. Sehr oft fragen mich die Kinder, warum denn der Lehrer/die Lehrerin ihnen Sachzusammenhänge oder Rechenwege nicht so verständlich erklären können wie ich. Ich bin kein ausgebildeter Lehrer , sondern nur bemüht, den Kindern den Weg zum Erfolg zu ebnen. Aggressionen mir gegenüber habe ich noch nicht erlebt, weil die Kinder mir vertrauen und sie wissen, dass ich sie ernst nehme. Dauernd wird seit Jahren von "Bildungsoffensive" geschwafelt, aber mehr als "bildungspolitische Säue durchs Dorf jagen" passiert offenbar nicht. So mache ich weiter und erkläre den Kindern, wie sie ihre Aufgaben anzugehen haben.

Willy Ehrlich | Do., 17. Mai 2018 - 14:24

Vielleicht kann man hier etwas schreiben, ohne vom Mainstream erschlagen zu werden.
Ich persönlich halte die Inklusion in der jetzigen Form für das größtmögliche Verbrechen an den derzeitigen Schülern.
Alle Eltern von Schülern der unbehinderten Mehrheit nehmen in Kauf, dass ihre Kinder in diesem System weit weniger FÜR IHR BERUFSLEBEN lernen, als es möglich wäre. Alle Gegenargumente dazu sind pure Augenwischerei.
Durch die Inklusion stirbt die klassische Leistungsgesellschaft aus. Und PISA lässt grüßen!

Christa Wallau | Do., 17. Mai 2018 - 15:55

Antwort auf von Willy Ehrlich

Die sog. INKLUSION ist Irrsinn hoch drei.
Wir haben (bzw. hatten) in Deutschland ein vorbildliches Sonderschulwesen
aufgebaut, um das uns fast jedes andere Land der Welt beneidete. Mit speziell ausgebildeten Lehrern werden hier die - wie auch immer - behinderten Kinder maximal gefördert und gefordert, weil die Methoden auf sie abgestimmt sind.
Mit der Inklusion dagegen schadet man beiden: Behinderten und Nicht-Behinderten.

Dieser Irrsinn feiert im deutsch. Bildungswesen schon seit Jahrzehnten
fröhliche Feste. Denken Sie daran, daß jetzt weit über 50% eines Jahrganges
Abitur machen! Das geht nur deshalb, weil die Anforderungen immer stärker
abgesenkt wurden. Da die Eltern alleine entscheiden dürfen, welche weiterführende
Schule ihr Kind besucht, schicken diese sie auf's Gymnasium, weil sie
angeblich "das Beste" für ihr Kind wollen. Dabei wären mindestens die Hälfte der
Gymnasiasten viel besser in einer Real- oder Hauptschule aufgehoben.

Sie sehen: Die Narretei hat Methode!

Die Betriebe haben inzwischen festgestellt, dass Abiturienten nicht unbedingt die 1. Wahl für Ausbildungsbetriebe sind. Viele durchlaufen eine Ausbildung und verlassen dann das Unternehmen, um zu studieren. Dann war für das Unternehmen die Ausbildung für die Katz. Es kann für Kinder sehr sinnvoll und stressfrei sein, einen guten oder sehr guten Haupt- oder Realschulabschluss zu machen und in eine Ausbildung zu gehen. Karriere kann, wer will, dort auch sehr gut machen. Es ist der Irrglaube, dass ein Studium alle Wege eröffnet. Ein Orchideenstudium - wegen schlechter Abinote - führt in jedenfalls nicht in die steile Karriere. Inzwischen bin auch ich der Meinung, dass diese ganze Narretei Methode hat.

Yvonne Walden | Do., 17. Mai 2018 - 16:31

Gibt es ähnliche "Probleme" auch in denjenigen Staaten, die bei PISA-Studien Spitzenplätze einnehmen?
Wie gehen dortige Schulleitungen mit schulischer Gewalt um?
Warum sind wir in Deutschland vielfach außerstande, von Nachbarländern zu lernen?

Die Antwort ist einfach und unkompliziert: weil wir im Besitz der absoluten Wahrheit sind, weil an unseremWesen die Welt genesen soll.

ingrid Dietz | Do., 17. Mai 2018 - 20:58

dass jedes Bundesländle nach Gutdünken sozial romantische Experimente an Kindern und in den Schulen ungestraft durchführen können !

Hier sollte dem Föderalismuswahnsinn endlich ein Riegel vorgeschoben werden !

Mittlerweile kann man jedem verantwortungsbewussten Elternteil nur empfehlen, seine/ihre Kinder schleunigst in eine Privatschule unterzubringen !

Günter Fischer | Fr., 18. Mai 2018 - 07:08

Herr Schneider, da gebe ich Ihnen zu 75 % Recht. Ich erlebe es genau so ebenfalls. Wir erläutern aus dem Leben und aus der Praxis, selbst in der manchmal trockenen Mathematik ... Die fehlenden 25 % sind nicht Ihren Fehlern geschuldet, sondern hängen mit dem deutschen Schulsystem und einem anderen Punkt zusammen.
Ich bin als gelernter DDR-Bürger sehr demokratischen Abläufen zugetan. Diesen Gedanken halte ich für das Lernen im Allgemeinen nur bedingt für zweckmässig, wenn wir ernsthaft die Zukunft und die dafür nötigen Basiskenntnisse unserer Jugend im Auge haben.
Meinen Kindern habe ich das im entsprechenden Alter so erläutert:
In jungen Jahren wissen Kinder nix, also lege ich "kraft meiner Wassersuppe" fest, was richtig und zu tun ist.
Mit zunehmenden Alter beginnt der Erläuterungsprozess mit der Beantwortung der "Warum"-Fragen altersgerecht bis hin zur Pubertät, jedoch mit stets konsequenter Handhabung und bedingten Mitspracherechten.
Fortsetzung im nächsten Kommentar.

Günter Fischer | Fr., 18. Mai 2018 - 07:21

Die ist die Fortsetzung des Vorkommentars zu den Ausführungen des Herrn Schneider.
Wir waren bei den Pubertäten und konsequeter Handlung stehengeblieben.
Die Fortsetzung gegen Ende der Pubertät (das ist bei jedem Einzelnen ein unterschiedlicher ZEITRAUM) - dann ist ja noch niemand ein fertiger Erwachsener - erfolgt in dann relativ schnell steigendem Masse gegenseitigem Austausch mit den jungen Leuten zuhause, in der Ausbildung, im Job und mit Freunden bzw. Bekannten.
Allerdings bedarf es einiger Bedingungen und da bin ich bei den anfangs erwähnten 25 %, die nicht dem Herrn Schneider geschuldet sind.
Wir müssen wieder in eine Situation kommen, in welcher für einen bestimmten Altersrahmen die unbedingte Pflicht zum Lernen festgeschrieben, die Rechte der Lehrer auf ein früheres Niveau auch als ein gewisses Machtinstrument gestärkt und vor Allem die Rechte der Eltern, über jede Angelegenheit zu diskutieren oder rechtlich zu beeinflussen, beschränkt werden.
Fortsetzung in Kommentar 3.

Günter Fischer | Fr., 18. Mai 2018 - 07:39

Wir waren stehengeblieben bei zu verändernden Verpflichtungen und Rechten.
Mehr Pflichten zum Lernen beginnt bei Durchsetzung von Disziplin, angefangen bei der Beseitigung jeglicher Ablenkung durch Mitbringsel, egal wie begründet und striktes Massregeln von Störungen. Erholung in den Pausen muss tatsächliche Entspannung sein. Der Unterricht sollte wieder zurück zum Geben von Informationen + gemeinsamem Erarbeiten von Wissen durch Lehrer und Schüler steigend nach Altersstufe sein.
Hausaufgaben ohne Ausnahme, allerdings immer in angemessem qualitativem Volumen muss Standard werden. Eltern haben verpflichtende Kontrollaufgaben.
Durchsetzung der Schulpflicht konsequent, beginnend mit der 1. Klasse ohne Ausnahme, um in etwa 10 Jahren eine Normalisierung eintreten kann.
Das ist der Grund, dass ich anfangs die Demokratie relativierte. Alle sprechen darüber, es sei für die Kinder, tun wir es endlich.
Diktieren wir der Regierung, das schnell zu regeln für alle.
Und nun kritisiert mich !

Herr Fischer, ich stimme Ihnen zu in vollem Umfang Ihrer Ausführungen.
Was ist an den derzeitigen Schulsystemen so gut, wenn sie so viele Abbrecher und Aussteiger produzieren? Und was war am Schulsystem vor fünfzig Jahren so schlecht, wenn es damals zwar zahlenmäßig und prozentual weniger, jedoch motiviertere Abiturienten gab? Ich will nicht zurück in die 50er Jahre, bitte nicht falsch verstehen, ich will aber, dass endlich mit der Bildung unserer Jugend begonnen und nicht mit der immer weiter umgreifenden Einbildung der "Systemverbesserer" weitergemacht wird.