Licht brennt am 23.11.2017 in einem Bürogebäude in München (Bayern).
Auch spät abends leuchten in vielen deutschen Büros noch Lichter / picture alliance

28-Stunden-Woche - „Viele sind stolz darauf, für eine Sache besonders lange zu brauchen“

Die IG Metall fordert eine mögliche Verkürzung der Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden pro Woche. Nicht nur die Arbeitgeber reagieren mit Unverständnis. Gute Arbeit bedeutet lange Arbeitszeit, dieses Denken ist immer noch weit verbreitet. Ein Irrtum, sagt Autor Volker Kitz im Gespräch

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So erreichen Sie Constantin Wißmann:

Herr Kitz, wie lange arbeiten Sie täglich?
Das ist sehr unterschiedlich. Oft arbeite ich lange, aber manchmal nehme ich mir auch Tage frei. Wenn es zum Beispiel im Sommer sehr heiß ist, nehme ich es mir auch raus, einen Tag einfach am Badesee zu verbringen.

Haben Sie dabei kein schlechtes Gewissen? 
Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Für mich ist wichtig, dass ich die Dinge, die zu erledigen sind, erledige. Dass ich mich an Absprachen und Termine halte. Aber wenn gerade nichts ansteht, nehme ich mir eben auch frei. Es gibt ja eigentlich immer etwas zu tun. Wenn man da nicht einmal sagt, ich nehme mir auch mal Zeit für mich, dann kommt man da nie raus.

Als Sie noch fest angestellt waren, haben Sie da auch mal gedacht, jetzt könnte man das Büro auch verlassen, das würde gar keinen Unterschied machen?
Ich habe fast immer pünktlich Feierabend gemacht. Das habe ich mir herausgenommen, weil alle mit meiner Arbeit zufrieden waren. Deshalb habe ich keinen Sinn darin gesehen, noch länger im Büro zu sitzen, auch wenn einen mancher Kollege komisch angeschaut hat. Ich habe immer versucht, die Chefs damit zu beeindrucken, dass ich die Dinge zuverlässig und gut erledige und nicht damit, dass ich lange daran sitze.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der Forderung der IG-Metall, die 28-Stunden-Woche einzuführen?
Ich halte es immer für schwierig, solche Dinge generell regeln zu wollen. Es gibt ja auch genug Leute, die gar nicht weniger arbeiten wollen. Aber: Für viele wäre Teilzeitarbeit eine große Erleichterung und würde viele ihrer Probleme lösten. Teilzeitarbeit ist noch immer mit einem Makel behaftet. Davon wegzukommen und die Vorstellung normaler zu machen, dass man auch in Teilzeit gute Arbeit leistet, das wäre ein großer Schritt.

Volker Kitz
Autor Volker Kitz / Foto: Andreas Labes

Warum wird man dann trotzdem schief angeguckt, wie Sie es beschrieben haben?
Es ist offenbar für viele Menschen schwer zu verstehen, dass man seine Arbeit auch in kürzerer Zeit gut erledigen kann. Gute Arbeit ist im Denken der Leute immer mit viel, viel Zeit verbunden. Effizienz wird dagegen viel zu wenig geschätzt. Dabei lebt jedes Unternehmen davon, dass sich Aufwand und Ertrag rechnen. Wenn aber die Mitarbeiter und die Chefs selbst nicht so denken, ist das sehr schwierig. Viele sind stolz darauf, für eine Sache besonders lange gebraucht zu haben.  

Hand aufs Herz: Dabei lassen wir uns aber auch gern ablenken, oder? 
Ja, die Mitarbeiter müssen auch ehrlich sein. Wie viel Zeit hat man bei der Arbeit tatsächlich mit Arbeit verbracht und nicht bei Facebook, bei Ebay und beim Online-Schuhkauf?

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass wir unseren Beruf zu wichtig nehmen. Nun haben uns Motivationsgurus aber seit Jahrzehnten eingeimpft: Wenn du deinen Job leidenschaftlich machst, dann macht er nicht nur mehr Spaß, sondern du machst ihn auch besser. Stimmt das nicht? 
Das ist ein Mythos. Dann könnten ja alle Leute alles gut, was sie gerne machen. Da muss man nur eine Folge „Deutschland sucht den Superstar“ schauen, um zu sehen, dass das nicht stimmt. Da singen ganz viele Leute mit ganz großer Leidenschaft, aber sehr schlecht. Wer das sieht, kann nicht ernsthaft daran glauben, dass Leidenschaft und Können etwas miteinander zu tun haben. Ich kann nur staunen, wie wir daran festhalten. Ein Anwalt vertritt sich in wichtigen Dingen niemals selbst und auch ein Arzt operiert ungern Angehörige. Einfach, weil da zu viel Nähe ist. Mit ein bisschen Distanz und Nüchternheit macht man seine Arbeit oft besser.

Wenn ich aber zurück an meine Schulzeit denke, dann erinnere ich mich doch hauptsächlich an die leidenschaftlichen Lehrer. Von denen, die nur stumpf den Lehrplan heruntergebetet haben, blieb fast nichts hängen. 
Natürlich wirkt sich das im Zwischenmenschlichen aus, ob ich etwas gern oder ungern mache. Aber ich kenne auch Lehrer, die ihren Job ganz toll fanden und trotzdem zwei Monate gebraucht haben, um eine Klassenarbeit zu korrigieren. Bei ihnen hat man nichts gelernt, die sind dem Lehrplan hinterhergehinkt. Ich plädiere aber auch nicht dafür, seine Arbeit möglichst schlecht gelaunt zu machen und seinen Job zu hassen. Eine engagierte Gelassenheit ist ideal. 

Woher kommt denn diese Überhöhung der Arbeit hierzulande? 
Das Phänomen gibt es noch gar nicht so lange. Den größten Teil der Menschheitsgeschichte war Arbeit etwas Verpöntes. Adam und Eva sind aus dem Paradies vertrieben worden und die Strafe war, dass sie arbeiten mussten. Im Mittelalter hat man mit Arbeit Sünden verbüßt. Dass die Arbeit der Sinn des Lebens sein soll, ist erst seit Kurzem der Fall. Das hängt auch damit zusammen, dass die Introspektion sich immer weiter verbreitet hat. 

Also, dass jeder ständig selbst fragt, wie’s ihm gerade geht?
Genau. Die Menschen kreisen zunehmend um den eigenen Bauchnabel und fragen sich, ob das, was sie tun, sie auch glücklich macht. Im Grundsatz ist das ja richtig, aber oft nimmt es überhand. Da spielen auch die Medien eine Rolle. Die normale Routinearbeit kommt dort nicht vor. Wir lesen immer nur von Leuten, die ihren Bürojob gekündigt haben, jetzt etwas ganz anderes machen und so den Sinn des Lebens gefunden haben. Jeder, der das liest, denkt sich sich doch: Ich bin der letzte Depp, wenn ich weiter jeden Tag ins Büro oder in die Fabrik gehe, mein Leben ist völlig verpfuscht. 

Aber all diese Phänomene gibt es überall in der entwickelten Welt. Dennoch scheint es diese Überhöhung der Arbeit besonders bei uns zu geben. Ein Bekannter, frisch verheiratet mit kleinem Kind, hat einen Job in Schweden angefangen. Um zu zeigen, wie engagiert er ist, ist er immer länger als die anderen geblieben. Irgendwann hat ihn dann sein Chef beiseite genommen und ihn gefragt, ob in seiner Beziehung alles in Ordnung sei, weil er anscheinend die Zeit lieber im Büro als bei seiner Familie verbringt. In Deutschland undenkbar, oder? 
Ja, hier ist es umgekehrt. Mir hat ein Chef gesagt, er hätte ein Problem mit einer Mitarbeiterin, weil die immer pünktlich nach Hause geht. Dann habe ich ihn gefragt, ob sie ihre Arbeit gut mache. Das musste er zugeben und dann ist ihm selber aufgegangen, dass es eigentlich keinen Grund dafür gibt, dass die Frau nicht pünktlich Feierabend macht. 

Woher kommt diese Haltung?
Viele Leute, die heute in Führungspositionen sind, haben einen großen Teil ihres Lebens dafür geopfert. Die haben ihre Kinder nicht aufwachsen sehen, manche haben ihre Ehe zerstört und kaum ein Privatleben. Das war früher nötig, um Karriere zu machen. Und so einem fällt es schwer, einer neuen Generation zuzugestehen, es ohne diese Opfer zu schaffen. Deshalb hält sich diese Auffassung von Arbeit sehr hartnäckig.

Braucht es also andere Regeln, um das Verhältnis von Arbeit und Beruf in Einklang zu bringen? 
Es bringt schon viel, wenn wir den Fokus ändern. Die Leute müssen ihre Arbeit nicht gut finden, sondern gut machen. Dazu kann auch der Mitarbeiter beitragen, indem er selbstbewusst schaut, was er geleistet hat und dann auch einfach pünktlich nach Hause geht. Ob jemand seine Arbeit gut macht, ist leider weniger leicht nachzuvollziehen, als ob jemand lange arbeitet. Da sind die Mitarbeiter gefordert, was sie tun, auch darzustellen. Aber auch die Chefs könnten mehr darauf achten. Die, die ihre Arbeit „nur“ gut machen und nicht so viel Theaternebel drumherum, das sind die Leute, die die Wirtschaft wirklich am Laufen halten. 

Nun gibt es aber auch viele Menschen, die sich bei der Arbeit schlicht langweilen. Viele leiden dann an einem so genannten „Bore-out“. Würde es denen nicht helfen, eine Arbeit zu machen, für die sie mehr Leidenschaft empfinden? 
Besser wäre es, wenn sie diese Leidenschaft dafür entwickeln könnten, ihre Arbeit gut zu machen. Wenn man sich anschaut, was beim Berliner Flughafen oder bei Sicherheitsbehörden rund um den Anschlag auf den Breitscheidplatz alles schief gelaufen ist, dann scheint mir auch das ganz normale, alltägliche Arbeitsleben noch genügend Herausforderungen bereitzuhalten. Die Herausforderung ist so ein Schlagwort, aber eigentlich wollen wir nicht mit Menschen zu tun haben, die von ihrer Arbeit herausgefordert sind. Niemand möchte mit einem Piloten fliegen, der aus dem Cockpit sagt, „dieser Flug ist für mich eine große Herausforderung“. Da sind uns Leute lieber, die ihren Job routiniert machen. Seine Arbeit gut zu machen, kann Sinn und Herausforderung gleichzeitig bieten. 

Viele Manager aber wollen, dass ihre Mitarbeiter „intrinsisch“ motiviert sind, also von innen heraus, weil diese Art der Motivation tiefer geht als „extrinsische“ Faktoren wie zum Beispiel das Gehalt. Was sagen Sie denen? 
Wirklich intrinsisch motiviert sind doch, wenn wir ehrlich sind, nur die Leute, die ohne Gehalt arbeiten. Sobald ich für die Arbeit Geld bekomme, überlagert sich das. Was ist falsch an einem ehrlichen Austausch Zeit gegen Geld? Wir tun immer so, als wäre die Arbeit erfunden worden, um die Leute glücklich zu machen. Das stimmt aber nicht. Die Bäckerei wurde ja nicht erfunden, um dem Bäcker einen Lebenssinn zu schenken, sondern damit die Mitmenschen zu essen haben. Ich habe oft den Eindruck, dass die Unternehmen, die immer davon sprechen, wie toll es ist, für sie zu arbeiten, aber eher ungern über eine gerechte Bezahlung reden.

Ist da aber nicht auch bei den Arbeitnehmern etwas schief gelaufen? Die suchen doch auch immer öfter einen möglichst „sinnvollen“ Job. 
Ja, diese Sinnschraube ist völlig überdreht. Sinnvoll ist heute für viele nur noch, wenn man im großen Stil die Welt verändert. Viele träumen davon, in Afrika eine Schule zu gründen. Wir brauchen aber auch Menschen, die den Kindern in Braunschweig rechnen und schreiben beibringen. Tatsächlich ist das sinnvoll, was ein Bedürfnis der Gesellschaft befriedigt. Und das tun die meisten Tätigkeiten, für die es einen Markt gibt. Das reicht weit über Essen und Trinken hinaus. Auch wer Computerspiele entwickelt oder Make-Up verkauft, befriedigt damit menschliche Bedürfnisse.

Volker Kitz ist promovierter Jurist, Autor und international gefragter Redner.

FeierabendSein jüngstes Buch „Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss“ stand in den Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste.

 

 

 

 

 

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André Oldenburg | Mo., 15. Januar 2018 - 07:45

Ich mache es kurz:
28 Stunden, die Kosten steigen, die Arbeitsplätze wandern wieder ab. Hatten wir und würden wir wieder bekommen.

Michael Schlüters | Mo., 15. Januar 2018 - 09:41

Man darf allerdings nicht vergessen, dass der puritanische Glaube, Arbeit sei ihrer selbst wegen eine gute Sache, auch auf die heutigen angeblich Progressiven umgeschlagen hat. Mit dem gleichen Kollektivismus, mit dem Kapitalisten (immerhin gegen Bezahlung) Gehorsam fordern, arbeiten die Sozialisten, wenn Sie die totale Unterordnung unter den Sozialstaat fordern. Wie Mussolini: Alles für den Staat, nichts gegen den Staat, nichts außerhalb des Staates.
Das erste Problem in Deutschland ist völlige fehlende ökonomische Bildung, und das trotz mindestens 10 Jahren Schule. (Und das in einer angeblich so kapitalistischen Gesellschaft!) Ohne diese kann man den Menschen 50% Steuern aus der Tasche ziehen und den Hass auf die Reichen lenken. Würden viele wissen, wie viel weniger sie eigentlich arbeiten müssten, würden sie mehr Freiheit fordern. Ob 28h oder nicht, staatliche Regulierung (auch der Gewerkschaften) ist das Problem. Und Inflation!

Lutz Gundlach | Mo., 15. Januar 2018 - 15:18

Antwort auf von Michael Schlüters

Kapitalismus funktioniert am besten mit "ungebildeten" Spezialisten! Außerdem sind die Steuern nur die eine Seite...überbezahlte Arbeit in manchen Bereichen(Finanzsektor, Bürokratie), unterbezahlte in anderen(Soziale Berufe) sind die andere, in meinen Augen schlimmere, Seite...siehe Wertesystem.

Sozialismus funktioniert nämlich gar nicht.
Und dass soziale Berufe unterfinanziert sind, ist zunächst reine Wortspielerei. Denn wer sagt, ein Ingenieur oder Banker sei kein sozialer Beruf? Kaum ein Mensch bringt so viele Menschen zusammen, wie die Autos und Handys von Ingenieuren. Und kaum ein Mensch ermöglich so viele gegenseitig vorteilhafte Geschäfte wie ein Banker.
Auch kann man angesichts des heutigen Interventionismus und teilweise gar Sozialismus gar nicht wissen, wie hoch welcher "soziale" Beruf auf dem freien Markt bezahlt würde.
Nicht zuletzt können Sie gar nicht wissen, welche individuelle Markthandlung wie hoch bezahlt werden soll. Außerdem haben Sie gar nicht das Recht, Ihr Gesellschaftsmodel allen aufzudrücken. Wie wäre es, Sie machen es wie der Rest von uns und probieren es durch Argumente und friedliche Diskriminierung...

Karin Zeitz | Mo., 15. Januar 2018 - 09:53

dass man durch Erhöhung der Effektivität seine Aufgaben in kürzerer Zeit erledigen kann. Diese Erfahrung machen z.B. die Teilzeitbeschäftigten, denen trotz ihrer verkürzten Arbeitszeit genausoviel Aufgaben aufgebürdet werden wie vorher. Da die Menschen verschieden sind wirken sich die Erhöhung der körperlichen und nervlichen Belastungen bei jedem Einzelnen unterschiedlich aus - mancher verträgts und mancher eben nicht.

Erhard Sendowski | Mo., 15. Januar 2018 - 09:56

Den Journalisten scheint es noch gut zu gehen ! Fragen Sie mal einen kleinen Selbstständigen oder dessen Angestellte ob sie um 17:00 Uhr den "Griffel" fallen lassen können. Oft wird mit unbezahlten Überstunden das Unternehmen am Leben gehalten, oder sind wir alle Porsche, Beamte oder Politiker ??? Mann oh Mann, was für ein Geschwurbel.

helmut armbruster | Mo., 15. Januar 2018 - 10:00

oder wie Goethe es ausdrückte:
Wer sich nicht nach der Decke streckt, dem bleiben die Füße unbedeckt.
Und ein amerikanisches Sprichwort sagt zum selben Thema:
Allways fight and be sure you are right.
Ich halte es für gefährlich zu predigen, dass man sich nicht unbedingt anstrengen müsse, wenn man etwas erreichen möchte.
Das mag funktionieren in normalen, friedlichen Zeiten und mit einem Sozialstaat als Auffangnetz. In Krisenzeiten und unter Druck wird es nicht funktionieren. Und genau diese Möglichkeit wird heute vom herrschenden Zeitgeist ausgeblendet. Es wird so getan als ginge es ewig so weiter wie es jetzt gerade geht und als wären schlechte Zeiten und Krisen ein Ding aus der Vergangenheit, das es heute nicht mehr gäbe.
Was für ein Irrtum!

Bernhard Kopp | Mo., 15. Januar 2018 - 10:44

Der IG-Metall geht es sicher nicht um intrinsische oder extrinsische Motivation. Die Bäckerei wurde auch sicher nicht deshalb erfunden, damit die Menschen etwas zu Essen haben. Sie wurde erfunden, weil man Geld damit verdienen konnte, Brot gewerblich zu backen und zu verkaufen, anstatt es jedem Haushalt selbst zu überlassen, mit beschränkten Kenntnissen und technischen Möglichkeiten, Brot selbst zu backen.

Karl Kuhn | Mo., 15. Januar 2018 - 10:53

"Wie viel Zeit hat man bei der Arbeit tatsächlich mit Arbeit verbracht und nicht bei Facebook, bei Ebay und beim Online-Schuhkauf?"

Es gibt Jobs, wo das nicht geht, aber die werden rasant weniger. Und immer mehr Branchen und Jobs, wo es geht ... nämlich überall da, wo im Büro Routineaufgaben oder Langfristprojekte abgearbeitet werden, beides auch zunehmend ohne erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen. Bullshitjobs. Ich kriege es überall mit. Da gähnt ein Abgrund an versteckter Unterbeschäftigung und Unterforderung, der zu Frustration und innerer Kündigung führt. Wenn nun die IG Metall die 28h-Woche einführen will, kann ich nur sagen: falsche Branche!

Felix Kühne | Mo., 15. Januar 2018 - 18:13

Antwort auf von Karl Kuhn

Dem kann ich als Werkzeugmechaniker nur beipflichten. Der Artikel mag für warme-Sessel-Jobs stimmen und absolut gerechtfertigt sein. Aber ich würde glatt behaupten, dass eine Verkürzung in handwerklichen Berufen von 40 auf 28 Std die Woche Produktivitätseinbußen von nahezu 12/40-steln nach sich zieht. Dinge, die man aus seinem Büro-Cubicle vermutlich nur schwer nachvollziehen kann.

Christa Wallau | Mo., 15. Januar 2018 - 10:54

Der Autor hat recht: Es geht letzlich um die
Effizienz der Arbeit, nicht um die Zeit, in der sie
erledigt wurde, wenn sie gerecht entlohnt werden
soll. In der Physik wird zwar die Leistung berechnet als Faktor aus Arbeit u. Zeit, aber hier handelt es sich um rein mechanische Arbeit.
Die meisten Arbeiten sind heute derart, daß die Schnelligkeit der guten Erledigung beim Einzelnen sehr unterschiedlich sein kann. Von daher bietet es sich wirklich an, nicht mehr die abgeleistete Z e i t als Maß für die Bezahlung zu nehmen, sondern die
perfekt erledigte Arbeit selbst.
Dadurch ist es jedem Mitarbeiter überlassen, wieviel Freizeit er sich "erarbeiten" kann.
Natürlich wird es weiter viele Menschen geben, für die ihre Arbeit so wichtig und wertvoll ist, daß sie keinen Wert darauf legen, möglichst effizient zu
arbeiten. Das bleibt jedem unbenommen.
Auf keinen Fall darf die Effizienz des Schnellsten zum Maßstab für alle gemacht werden, um das Stundensoll zu erhöhen. Das ist Ausbeutung.

Karl Kuhn | Mo., 15. Januar 2018 - 11:02

"Die Bäckerei wurde ja nicht erfunden, um dem Bäcker einen Lebenssinn zu schenken, sondern damit die Mitmenschen zu essen haben."

"It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own interest."

Adam Smith

Achim Scharelmann | Mo., 15. Januar 2018 - 13:59

Das auskömmliche Einkommen ist in der Regel auf die 40 Stundenwoche ausgelegt. Wer 28 Std. arbeitet bekommt entsprechend weniger und wer kann sich das schon leisten. Demzufolge ist jede Abweichung zwar ein frommer Wunsch aber irreal, es sei denn man geht auf eine Kernzeit über und die Restzeit läuft unter der Rubrik Anforderung und Verfügbarkeit. Das wäre natürlich die Idealvorstellung der Arbeitgeberverbände, kann aber nicht im Interesse der Arbeitnehmerschaft liegen, die auf ein festes Einkommen in den meisten Fällen angewiesen ist. Es gebe vielleicht noch das fiktive Modell der Akkordarbeit, was anhand der abgearbeiteten Menge überprüfbar wäre, aber gleichzeitig gewisse unmenschliche Züge in sich trägt und demzufolge bleiben nur noch rollierende Systeme übrig, auf unterschiedliche Zeiten verteilt, aber im Ergebnis immer bezogen auf ein monatlich gleichbleibendes Gehalt. Alles andere funktioniert nicht, auch wenn es wie Sauerbier angepriesen wird.

Gerhard Hein | Mo., 15. Januar 2018 - 14:05

Ein sehr theoretischer Standpunkt. Unser Wohlstand ist mit Sicherheit nicht durch den Grundsatz " Zeit gegen Geld" entstanden.
Ich plädiere für " Leistung gegen Geld ! "
Wird die vereinbarte Leistung in kürzerer
Zeit als geplant erbracht, stellt sich zunächst die Frage, ob der Mitarbeiter für Mehrleistung eine bessere Bezahlung erhält. Sofern der arbeitsteilige Betriebsablauf es zulässt, wäre es natürlich möglich, dass der Betreffende die Arbeitszeit verkürzt. Seine Mehrleistung wird dann in Zeit umgesetzt und nicht in Geld.

Jedenfalls : Bei weniger Leistung und gleicher Bezahlung bleibt ein Unternehmen auf der Strecke. Weniger Leistung und weniger Geld
schadet beiden Seiten.

Wilhelm Maier | Mo., 15. Januar 2018 - 15:31

noch in den 70-er hatte damals uns unser Chefingenieur gesagt: wenn es ihnen die Regelarbeitszeit nicht ausreicht dann sind sie hier am falschen Platz. Es gibt aber auch manchmal Ausnahmen. Manchmal!.

Werner Baumschlager | Mo., 15. Januar 2018 - 15:38

Ein typischer Unsinn aus den Elfenbeintürmen von Sozialwissenschaft und "Irgendwas-mit-Medien" und meines Erachtens genau die Art von weltfremden Theorien, mit denen man die Working Class provoziert. Man möchte dem Autor zurufen: "Geh einfach mal irgendwo hin, wo wirklich gearbeitet wird und lass dir den Output-Unterschied zwischen einem Halb-, Dreiviertel- und einem Vollzeitjob erklären. Die wissen das ziemlich genau. Da braucht man nicht zu raten oder zu fühlen."

Rolf Pohl | Mo., 15. Januar 2018 - 15:53

Als gerechten Ausgleich dafür sollte allerdings gefordert werden: 7 Tage mehr Urlaub - vollen Lohnausgleich für nun verkürzte Arbeitszeiten - Rente mit 50 - Rückholung aller bisher ins Ausland verlagerten Arbeitsplätze - etc.pp.
Und
wir erwarten, dass Politik und Wirtschaft endlich anerkennen, dass die Erde eine Scheibe sei Punkt

Uwe Hengelhaupt | Mo., 15. Januar 2018 - 18:00

Wer schon mal am Band, in einem kleinen Betrieb , nicht im Konzern! gearbeitet hat, das sind mittlerweile viele Ausländer, vor allem aus Osteuropa! weiß das das Unsinn ist, was da verlangt wird. Es wird kein Arbeitgeber etwas bezahlen, was vorher nicht verdient worden ist. Und die meisten Deutschen machen diese Arbeit für den Mindestlohn schon jetzt nicht mehr. Außer Leiharbeiter so wie ich und noch geschätzte 1 Millionen

Dana Winter | Mo., 15. Januar 2018 - 19:02

Es gibt derzeit viele Berufe, in denen die 40-Stunden-Woche ein unerreichbarer Traum ist. Interessiert die Gewerkschaften aber nicht. Mit der Forderung nach einer 28-Stunden-Woche überzeugen Sie doch nicht einmal das eigene Klientel, denn die Menschen wissen, dass dann ihre Arbeitsplätze woanders hin ausgelagert werden. Zum Interview: "Wenn es zum Beispiel im Sommer sehr heiß ist, nehme ich es mir auch raus, einen Tag einfach am Badesee zu verbringen." Nun, als "international gefragter Redner" können wir ja nicht alle arbeiten. Daher als Fazit: siehe meine meine Überschrift.

Torsten Knecht | Mo., 15. Januar 2018 - 19:32

... ist sekundär.

Früher setzten sich die Gewerkschaften für höhere Löhne der AN ein - heute für flexible Arbeitszeitmodelle wie in der Leih- und Zeitarbeit. Guck an!

28 h Woche mit Mindestlohn von 8,84 Euro kommt man wie weit in München, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart oder auf dem Dorf weit weg vom Öffentlichen Nahverkehr und Ärzten?

Die meisten AN haben kein Problem mit ihren Arbeitszeiten sondern mit zu geringen Löhnen! Voll am Problem vorbei! Weiter so!

Guido Schilling | Mo., 15. Januar 2018 - 20:03

wird bald flächendeckend die 28 Std-Woche zur Regel machen. Aber mit Lohnausgleich! Gerade die überbezahlten IG-Metallwerker (13 Gehälter + Bonus = 60.000€ und mehr) werden das spüren dürfen.
Dafür wird in der Pflege die 60 Std-Woche wieder eingeführt.

Walter Scharnagl | Mo., 15. Januar 2018 - 21:18

Ich kann mir nicht vorstellen wie mit einer 28-Stunden Woche der Wohlstand erhalten werden soll.

Yvonne Walden | Di., 16. Januar 2018 - 11:48

Angesichts der Tatsache weltweiter Überproduktion wäre es längst an der Tagesordnung, daß wir allesamt nur 20 oder maximal 25 Wochenarbeitsstunden am Arbeitsplatz verbringen oder in Heimarbeit erbringen.
Die von uns allen geleistete "Mehrarbeit"" kommt nämlich bisher ausschließlich der Arbeitgeberseite zu Gute.
Wollen wir das?
Dann sollten sich auch die übrigen Gewerkschaften beeilen, auf den fahrenden Zug "Arbeitszeitverkürzung" aufzuspringen, um endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

Lutz Gundlach | Di., 16. Januar 2018 - 16:33

Es geht doch nicht nur darum, möglichst effektiv zu sein! Es geht doch auch um Lebensqualität! D. ist ein reiches, wirtschaftlich(sic!) funktionierendes Land. Und genauso leben auch die meisten Menschen: sie funktionieren wirtschaftsähnlich(schaffe, schaffe, Häusle baue...). Lebensfreude, genießen, Hobbies, auch Zeit zum Nachdenken haben kommen zu kurz. Die Wirtschaftsmanager denken und handeln opportunistisch, sie müssen auch manchmal gezwungen werden,vernünftige(nicht nur effektive) Strategien zu entwickeln. Viele Leute arbeiten immer mehr, und andere werden nicht reingelassen, weil es effektiver ist, das ist in hohem Maße unsozial und kontraproduktiv. Es gibt "Lebensstandard" und "Lebensqualität"!!! Andere Länder sind so viel einfallsreicher in ihren Arbeitsmodellen(Holland, Skandinavien), D. ist das stolze Arbeitstier Europas(und Europa sollte unser Standard sein und nicht die Staaten oder Asien). Arbeiten, um zu leben und nicht umgekehrt zeugt von Lebens-Kultur.