Lenin-Denkmal in Tiraspol
Lenin-Denkmal in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol / dpa

Transnistrien - Zwischen Kriegsangst und russischer Propaganda 

In Transnistrien wächst die Angst vor einem Krieg. Doch die Einheimischen reden ungern darüber. Keiner will verschwinden oder ins Gefängnis kommen. Das abtrünnige Gebiet im Osten der Republik Moldau könnte bald ein Teil von Russland werden.  

Autoreninfo

Alisa Bauchina ist freie Journalistin und wurde in Moldau geboren.

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In diesen Tagen könnte die lang ersehnte Anschließung an die Russische Föderation wahr werden. Putins Plan ist, die Ukraine einzunehmen, und die militärische Verstärkung für seine Armee im Südwesten des Landes soll aus Transnistrien erfolgen. Tausende bewaffnete Soldaten sind seit Ende Februar 2022 in voller Kampfbereitschaft, auch der Militärflugplatz in Tiraspol ist einsatzbereit. Aber was wollen die Einheimischen? 

Transnistrien ist wie eine Zeitkapsel, in der sich Schmuggler, Ex-Geheimdienstler und korrupte Geschäftsleute wohlfühlen. Obwohl sich Transnistrien 1992 von Moldau abspaltete, wurde diese Unabhängigkeit von keinem Staat der Welt anerkannt. Pass und Währung sind außerhalb des Landes nicht gültig. Die geschriebenen Gesetze gelten nur dann, wenn diese das politische Image verbessern sollen. Jeder ohne inländische Staatsbürgerschaft ist hier ein Ausländer und potenzieller Staatsfeind.  

Von Chisinau nach Tiraspol fährt ein alter Mercedes-Sprinter mehrmals am Tag. Die Fahrt kostet umgerechnet drei Euro und dauert anderthalb Stunden. In der Marschrutka, so werden hier diese Sprinter genannt, brüllt russische Popmusik, am Armaturenbrett ruhen transnistrische, russische und sowjetische Fähnchen friedlich nebeneinander. An der Fensterscheibe hängt Werbung für Busreisen nach Deutschland.  

Da Moldau Transnistrien nicht anerkennt, gibt es keine Grenzkontrolle. Der Sprinter fährt an zwei moldauischen Polizisten und zwei Soldaten des sogenannten russischen Friedenskontingents vorbei. Am transnistrischen Zoll steht auf Russisch „Willkommen in der Moldauischen Transnistrischen Republik“. Das Staatswappen ist eine Hommage an das alte sowjetische, genauso wie die Uniform der Grenzbeamten, die die Pässe nicht abstempeln dürfen, da das Land de jure nicht existiert. Nur ein Migrationsformular wird ausgefüllt. Wer am selben Tag abreist, braucht keine Auskünfte zu geben. Die anderen sind verpflichtet, Reisezweck und genaue Aufenthaltsadresse einzutragen.  

Dem Oligarchen und Mafiaboss Victor Gushan gehört fast ganz Transnistrien

In der Marschrutka sind die meisten Insassen transnistrische Bürger, zwei Ausländer müssen ein paar Fragen beantworten und werden unter die Lupe genommen. Einem von ihnen wird die Einreise verweigert. Der argentinische Journalist hätte eine Akkreditierung im Voraus anfragen müssen, ein Presseausweis sei nicht ausreichend. Die in seinem Rucksack entdeckte Schutzweste und ein ukrainischer Ausreisestempel im Pass sind Gründe für ein Einreiseverbot. „We are not bad guys“, sagt der Zollbeamte und hilft dem Argentinier, schnellstmöglich eine Mitfahrgelegenheit zurück nach Chisinau zu finden. „Falsches Outfit und verdächtiges Gepäck“, sagt ein Schweizer mit kariertem Hemd, billiger Brille und grauer Mütze. „Unauffälliges Aussehen wirkt manchmal Wunder.“ Er darf tatsächlich weiterfahren. Bis vor kurzem leitete er ein kleines Atelier in Kiew. Als das benachbarte Haus von einer Rakete getroffen wurde, packte er seine Sachen und überquerte die ukrainisch-moldauische Grenze. Gutes Internet, niedrige Löhne und einfache Logistik machten es für ihn rentabel, in Kiew Bademode für Schweizer Kunden zu produzieren. In Tiraspol will er Mitarbeiter und eine Mietfläche finden. „Man sollte nicht über Politik reden“, sagt er leise. „Ich beschäftige mich mit Stoffen, nicht mit Weltangelegenheiten. Das garantiert mir Sicherheit.“  

Unser Sprinter hält kurz in der Grenzstadt Bender an. Dort steigen mehrere Fahrgäste aus. Eine Frau dreht sich um und sagt: „Warum provozieren Sie mit Ihren Fragen? Wollen Sie, dass hier Krieg herrscht? Wir sind ein friedliches Land. Fahren sie zu Ihren Europäern und Amerikanern, wir wollen nichts von Ihnen.“ Die andere erwidert ihr: „Ich habe Angst vor diesem Krieg!“ und fügt hinzu, dass viele ihrer Verwandten in der Ukraine leben. Transnistrien als Staat habe keine Chance, aber Russland sei zwar keine „gemütliche, aber realistische Alternative“.  

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Gerhard Lenz | Di., 12. April 2022 - 14:08

in der Ukraine....

Wahrscheinlich ist auch Transnistrien in Putins krankhaftem Denken längst logischer Teil seines Zarenreichs.

Moldawien? Ist wahrscheinlich auch kein richtiger Staat. Oder wird von hochgerüsteten Nazis regiert, die Rußlands Sicherheit bedrohen.

Oder, wie ein Putin-Getreuer in diesem Forum zur Ukraine meinte, ein Kunstprodukt, von den USA geschaffen um das pazifistische Russland zu bedrohen.

Egal, wenn eines Tages die Russen einmarschieren, sind die USA und der Westen Schuld.

Und, wie manche Foristen so "erwachsen" meinen: Wenn Putins Truppen das Land platt gemacht haben, sollte man ihm Verhandlungen anbieten, damit er auf "rechtmäßigem" Weg Transnistrien, oder was davon noch übrig bleibt, einkassiert.

Zur Gesichtswahrung.

. . . Ihrem Satz: " . . . auch Trandnistrien in Putins krankhaftem denken . . ." stimme ich zu. Putin wird sich Transnistrien "holen" und die transn. "Regierung" wird nicht dagegen haben.
Ihrem Satz betr. der Rep. Moldau: " wahrscheinlich auch kein richtiger Staat . . ."
kann ich nicht zustimmen. Die moldauische Präsidentin Maia Sandu hat sich sehr viel vorgenommen und wirkt sehr entschlußfreudig, aber auch kräftig in der Umsetzung. Hoffen wir, daß sie ihre Ziele erreichen wird, wenigstens einige, sie hat es verdient.-
Als ich in Moldau war, sagte mir ein Bekannter: "Der größte Exportartikel aus der Rep. Moldau sind seine Bürger - sie wandern aus und kommen nie zurück." Hoffen wir, daß sich das auch mal ändert. . . Ich wünsche es diesem kleinen, aber sehr schönem Land.

Das war natürlich "ironisch" gemeint. Selbstverständlich hat Moldawien genauso eine Existenzberechtigung wie die Ukraine usw. Und natürlich auch die Freiheit, SELBST zu entscheiden, welche Politik es betreibt, welchen Bündnissen es sich anschließt.

Auch wenn Putin-Papageien meinen, jeder Staat der ehemaligen Sowjet-Einflusszose müsste zuerst Vladimir Adolf Putin um Genehmigung fragen.

. . . und verzeihen Sie, daß ich Sie nicht richtig verstanden und interpretiert habe; auch meine Nerven liegen blank aufgrund des Kriegsverbrechers Adolf Putin. Neuerdings vermute ich hinter jeder Duískussion irgendwelche Kriegstreibereien, und dann denke ich an das Lied von olle Udo L.: "Wozu sind Kriege da . . .?"