Taliban-Kämpfer stehen am Haupttor zum Präsidentenpalast Wache. Das US-Militär hatte am Montag, 16.08.2021, Mühe, eine chaotische Evakuierung aus Afghanistan zu bewältigen, während die Taliban in der Hauptstadt patrouillierten und versuchten, nach dem Sturz der vom Westen unterstützten Regierung Ruhe zu vermitteln.
Taliban-Kämpfer stehen am Haupttor zum Präsidentenpalast Wache / dpa

Taliban in Kabul - „Dieses Mal scheint ihnen ein geordneter Übergang wichtig zu sein“

Die Taliban haben jüngst das Präsidentenhaus in Kabul übernommen, nachdem Präsident Ashraf Ghani nach Tadschikistan geflohen und die Regierung kollabiert ist. Reporter Jan Jessen berichtet vor Ort von Plünderern und von Massenpanik an Flughäfen.

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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Charlotte Jost studiert Political- and Social Studies an der Julius-Maximilians Universität in Würzburg und ist Hospitantin in der Cicero Online-Redaktion.

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Jan Jessen, Reporter der Neuen Ruhr Zeitung, ist seit vergangener Woche in Kabul. Im Interview berichtet er über die Lage vor Ort – und über die Reaktion der Afghanen auf die Machtübernahme durch die Taliban.

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Romuald Veselic | Mo., 16. August 2021 - 17:15

Wand malen will, ähnlich sind auch die Roten Khmer/1975 in Kambodscha vorgegangen, als sie Phnom Penh eingenommen hatten. Erst Tage danach, zum Auftakt, haben sie 90 Offiziere der Lon Nol Armee u. ihre Frauen erschossen. Die Westlinken werteten dies als CIA Propaganda, denn Kommunisten, das waren die Roten Khmer tatsächlich, können per se, keinem etwas Böses antun, auch wenn man jemanden gelegentlich erschießt, einsperrt oder foltert.
Die Killing Fields ließen die Eurolinken dann nur sprachlos schlucken, ohne Demos dagegen zu organisieren.
Die erfahrene Vietnamarmee ist 1979 in Kambodscha einmarschiert, als die R-Khmer die Vietnam Minderheit zu morden begannen u. die Leichen in Mekong warfen. Die Viets machten mit Khmer kurzen Prozess u. schlugen sie in wenigen Wochen. Der Rest der roten Schurkenbande floh nach Thailand.

Es sei denn (Fall Afghanistan), die Kataris, die US Verbündeten vor Ort, ließen ihren Einfluss auf die Taliban wirken. Denn dort (Doha) gibt's Geld im Überfluss.

Rob Schuberth | Mo., 16. August 2021 - 18:13

Mein Gott, wie kann man nur so naiv sein und noch immer den hehren Worten (es sind doch eher leere) u. Versprechungen der Taliban Glauben schenken.

Die sind doch nicht dumm.
Jetzt machen sie auf Gutwill, aber nur damit wir wieder weitere Mrd. in "ihr" Land pumpen.

Lasst die Taliban zusehen wie sie das Land aufbauen.
Keinen Cent mehr in dieses absolut korrupte Land.

Nachbarländer, die Flüchtlinge aufnehmen, ja, denen sollten wir helfen.

Das Geld kommt (schon lange) von den Chinesen und aus Katar,evtl. auch von den Russen, die brauchen uns gar nicht ...

Rob Schuberth | Di., 17. August 2021 - 15:32

Antwort auf von Bernhard Kaiser

...werter Herr Kaiser, nur sind jetzt schon vermehrt die Stimmen (nat. von ProAsyl u. ä. NGOs) zu vernehmen die viele Mrd. Hilfsgelder für Afghanistan (dessen Wiederaufbau) fordern.

Diese Rechnungen aber die MÜSSEN m. E. ausschließlich an RUS (für dessen 1. Krieg) und die USA für deren 2. Krieg (an dem wir uns nur als - zur Hilfe gerufener - NATO-Partner beteiligt haben) gerichtet werden.

Klaus Funke | Mo., 16. August 2021 - 18:15

Man sollte sich die Bilder und Clips auf allen verfügbaren Kanälen anschauen, besonders auch von Al Jazeera, da sieht man den Grund für den schnellen Sieg der Taliban. Doch darüber schweigen unsere Versager-Politiker. Es ist nämlich so: Das afghanische Volk will, dass die Taliban zurück an die Macht kommen. Sie teilen alles, auch die Ideen von einem islamischen Gottesstaat, Und darin liegt die eigentliche Krux für den Westen und die USA. Besetzungen mit sog. zivilisatorischen Motiven sind zum Scheitern verurteilt. Demokratie ist kein Exportartikel. Sie muss von innen wachsen. Dazu braucht es Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Und viel Geld. Die Chinesen haben wieder die Nase vorn, auch die Russen. Sie werden Afghanistan aufbauen und für sich gewinnen. Der Westen braucht dort nicht mehr aufzutauchen. Null Chance. So verschiebt sich die Geostrategie infolge Dummheit, Ignoranz und Unfähigkeit westlicher Politik. Hört man da Selbstkritik? Nein. Wir werden Flüchtlinge aufnehmen. Wie immer.

Experten waren wohl nicht vor Ort?
Man mußte doch nur schauen, welche Gruppe die tragfähigste Rolle spielen könnte für eine zumindest nach aussen, wenn nicht auch nach innen gemäßigte Regierung.
Da fielen mir als Laie auch nur die Taliban ein, alles andere hätte nur mit Besatzungsmacht und ständigem Klein-Krieg funktioniert?
Wenn Steinzeit im Nahen Osten evtl. auch als "Saudi-Arabien" existiert, dann hätte man sich daran orientieren können. Eine Königsfamilie gibt es in Afghanistan nicht, aber sicher entsprechende Strukturen der Paschtunen.
Mit denen mußte man eine friedliche Übergabe verhandeln und hätte sofort nach Verkünden des Abzuges der Truppen mit Evakuierungen beginnen müssen.
Ich hoffe, dass die Anrainer jetzt die ihnen nahestehenden und durch die Taliban evtl. bedrohten Ethnien aufnehmen.
Wenn es keine Alternative zu den Taliban gab, hätte man sich auf nichts anderes als auf diese Übergabe konzentrieren müssen und die zu erwartenden Flüchtlingsströme.
20 Jahre für NICHTS?

Jens Böhme | Mo., 16. August 2021 - 19:03

Den Kollaps des Staates als geordneten Übergang zu bezeichnen, hat schon satirischen Charakter. Die Taliban fahren lediglich von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und sind einfach da. Das öffentliche Leben wurde von den Bewohnern und den Administrationen schon eingestellt, weil eh kaum was verwaltet wurde. Afghanistan ist ein bitterarmes Land. Da sind außer Steine und Sand nichts zu verteidigen. Die westlichen Werte, die man hier im tiefsten Mittelasien installieren wollte, scheiterten an der vorherrschenden Religion.

Christoph Kuhlmann | Di., 17. August 2021 - 08:40

Die Taliban schaffen die Grundlage zum Entstehen eines Afghanischen Staates dem alle Stammesgebiete unterstehen. Damit ist die erste Voraussetzung, das Gewaltmonopol des Staates erreicht. Man wird mit ihnen reden, denn sie können Verträge abschließen, die auch eingehalten werden. Ob die gesellschaftliche Evolution dort jemals in der Demokratie enden wird steht auf einem anderen Blatt. In Deutschland hat es knapp 1000 Jahre und zwei verlorene Weltkriege gebraucht, bis die demokratischen Kräfte die Oberhand behielten.

Ernst-Günther Konrad | Di., 17. August 2021 - 09:29

Nein, nicht sofort. Erstmal die Spreu vom Weizen trennen und vor allem ist jeder "bekehrte" Afghane ein Kämpfer mehr. Natürlich werden dort jede Menge Ortskräfte sofort erklären, sie hätten nie dem Westen geholfen, waren schon immer für die Scharia und begrüßen die "Befreiung". Der Westen hat noch nie verstanden, dass sich "unsere" westlichen Werte nicht mit Zuckerbrot und Peitsche implementieren lassen. Einen besseren Beweis für die Taliban, dass auf die "Ungläubigen" kein Verlass ist, aber eben auf die Scharia, ist der Abgang der Teilbesetzer. Wenn man kampflos obsiegt, muss niemand Gebäude und Brücken usw. zerstören. Die Taliban werden alle durch den Westen ins Land gebrachtes now how für sich nutzen, da muss man nichts zerstören. Und haben die erstmal ihre eigenen Strukturen mit verlässlichen eigenen Leuten besetzt, auch Kämpfer wollen mit einem Posten entlohnt werden, wird langsam, aber zielsicher alles und jeder vernichtet werden, das stört, außer den Geldfluss des Westens.

Gerhard Lenz | Di., 17. August 2021 - 10:09

Wer's glaubt, wird selig. Wie kann es einen geordneten Übergang von einer gewählten, wenn auch nicht unumstrittenen Regierung zu einer Terrormiliz geben, die mit kriegerischen Mitteln die Macht an sich gerissen hat?
Selbst wenn die Taliban durch ihre Pressesprecher Mäßigung versprechen: Es gibt bereits zahlreiche Berichte, dass die Steinzeitreligiösen zum Terror der Vergangenheit zurückkehren.

Die Taliban brauchen aus wirtschaftlichen Gründen internationale Akzeptanz?
Von wegen.
Pakistan und Saudis haben in der Vergangenheit wohl nicht nur zuvor von Donald Trump grosszügig gelieferte Waffen, sondern wohl auch erhebliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Die Chinesen haben bereits angekündigt, gute Beziehungen zu den Islamisten zu wollen. Russland wird nachziehen: Es gibt schon lange die Vermutung, dass die Russen ihre Kalaschnikows auch den Taliban verkauft haben.
Beide Großmächte kennen keine moralischen Bedenken, pfeiffen auf Menschenrechte.
Die Taliban danken recht herzlich.

Jens Böhme | Di., 17. August 2021 - 18:59

Hier liegt ein Irrtum vor. Der Islam ist immer noch in der Zeit Mohammeds. Es gibt keinen modernen, mit der Zeit gehenden Islam. Die westliche Welt redet sich ein, dass es einen gemäßigten Islam gäbe. Den gibt es in keinem Staat, der islamisch geprägt ist. In christlichen Ländern gibt sich der Islam lediglich angepasst der herrschenden Ordnung, um nicht Probleme zu bekommen. Die aktuelle Ehrenmord-Debatte in Deutschland zeigt, mit welch Blauäugigkeit der hiesige Islam in der Gesellschaft betrachtet wird. Während im modernen Christentum Altes und Neues Testament nicht mehr als politische Handbücher gebraucht werden, ist im heutigen Islam der Koran aus dem 8.Jahrhundert weiterhin gesellschaftliches und politisches Gesetzbuch. Die Taliban mögen radikal sein, aber keineswegs schlechter oder böser als andere Muslime. Dies heißt aber nicht, dass alle Muslime radikal sind. Man verschließt lieber aus Nächstenliebe, Gleichmacherei und Solidarität die Augen und träumt sich die Muslime zurecht.