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(picture alliance) Palästinenser protestieren gegen die israelische Sperrmauer

Palästina - Der überfällige Staat

1947 lehnten die Palästinenser den UN-Teilungsplan ab. Heute fordern sie ihre staatliche Anerkennung. Ein Kommentar von Mahmud Abbas, Vorsitzender der PLO und Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Vor 63 Jahren war ein 13-jähriger palästinensischer Junge gezwungen, sein Heim in Safed in Galiläa zu verlassen und mit seiner Familie nach Syrien zu fliehen. Er fand Unterschlupf in einem Zelt. Obwohl er und seine Familie sich jahrzehntelang wünschten, in ihr Heim und ihre Heimat zurückzukehren, wurde ihnen dieses grundlegende Menschenrecht verwehrt. Die Geschichte dieses Kindes, so wie auch die so vieler anderer Palästinenser, ist die meinige.

Heute aber hat das palästinensische Volk Grund zur Hoffnung: In der UN-Generalversammlung im September werden wir die internationale Anerkennung des palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 sowie die Vollmitgliedschaft in der UN beantragen.

Viele fragen sich, welchen Wert eine solche Anerkennung hat, solange die israelische Besatzung fortbesteht. Andere haben uns beschuldigt, den Friedensprozess zu gefährden. Wir hingegen sind überzeugt, dass dieser Schritt einen enormen Wert hat für alle Palästinenser – für jene, die in ihrem Vaterland, jene, die im Exil und jene, die unter der Besatzung leben.

Das letzte Mal, als die Eigenstaatlichkeit Palästinas im Mittelpunkt der Generalversammlung stand, musste die internationale Gemeinschaft darüber entscheiden, ob unser Heimatland in zwei Staaten geteilt werden sollte. Im November 1947 beschloss die Generalversammlung die Schaffung eines palästinensischen und eines jüdischen Staates.

Nur wenige Minuten nach der Gründung des Staates Israel am 14.Mai 1948 erkannten die USA den Staat an. Unser palästinensischer Staat hingegen ist ein unerfülltes Versprechen geblieben.

Die Aufnahme Palästinas in die UN würde den Weg ebnen zur Internationalisierung des Konflikts im Sinne eines Rechtsstreits, nicht nur im Sinne einer politischen Auseinandersetzung. Dies würde uns auch ermöglichen, Ansprüche gegen Israel vor der UN, den Menschenrechtsausschüssen und vor dem Internationalen Gerichtshof geltend zu machen.

Unser Streben nach staatlicher Anerkennung sollte nicht als Trick missverstanden werden; wir haben zu viele Männer und Frauen verloren, um uns an einem solchen politischen Theater zu beteiligen. Wir wenden uns jetzt an die UN, um sicherzustellen, dass wir in den von unserem Heimatland verbliebenen 22 Prozent frei leben können; denn wir haben 20 Jahre lang mit Israel verhandelt, ohne dem Ziel eines eigenen Staates näher zu kommen. Wir können nicht ewig warten, während Israel weiterhin Siedler in die besetzte West Bank schickt und Palästinensern den Zugang zum größten Teil unseres Landes und zu den heiligen Stätten verwehrt. Weder politischer Druck noch das amerikanische Versprechen von Gegenleistungen haben Israels Siedlungsprogramm gestoppt.

Verhandlungen bleiben unsere erste Option, aber aufgrund ihres Scheiterns sehen wir uns jetzt veranlasst, uns an die internationale Gemeinschaft zu wenden, um uns zu unterstützen, die Gelegenheit für eine friedliche und gerechte Beilegung des Konflikts zu ergreifen. Der palästinensischen nationalen Einheit kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Die Wahl besteht nicht, wie Israels Premier Benjamin Netanjahu behauptet, zwischen der palästinensischen Einheit oder Frieden mit Israel, sondern zwischen einer Zwei-Staaten-Lösung oder Siedlungskolonien.

Ungeachtet Israels Versuchs, unsere lang ersehnte Mitgliedschaft in der Völkergemeinschaft zu verhindern, haben wir alle Voraussetzungen für eine Staatlichkeit erfüllt, die die Konvention von Montevideo aus dem Jahre 1933 festschreibt. Die Bevölkerung unseres Landes besteht aus dem palästinensischen Volk, dessen Recht auf Selbstbestimmung wiederholt von der UN und 2004 vom Internationalen Gerichtshof anerkannt wurde. Unser Territorium ist anerkanntermaßen das Land, das durch die Grenzen von 1967 markiert ist, auch wenn es heute von Israel besetzt ist.

Wir sind in der Lage, Beziehungen zu anderen Staaten aufzunehmen, und wir verfügen über Botschaften und Missionen in mehr als 100 Ländern. Die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Union haben signalisiert, dass unsere Institutionen weit genug entwickelt sind für die Ausrufung eines Staates. Nur die Besatzung hindert uns daran, unser ganzes nationales Potenzial zu entfalten; das verhindert aber nicht die Anerkennung durch die UN.

Der palästinensische Staat beabsichtigt, eine friedliebende, den Menschenrechten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Prinzipien der UN-Charta verpflichtete Nation zu sein. Wenn unser Staat erst einmal in der UN aufgenommen wird, sind wir bereit, über alle Kernthemen des Konflikts mit Israel zu verhandeln – wobei eine Schlüsselfrage die gerechte Lösung der palästinensischen Flüchtlingsfrage sein wird. Palästinenser würden dann aber aus der Position eines UN-Mitglieds verhandeln, dessen Staatsgebiet von einem anderen Staat militärisch besetzt ist, und nicht als ein besiegtes Volk, das bereit ist, jegliche Bedingungen anzunehmen, die ihm angeboten werden.

Wir rufen alle befreundeten und friedliebenden Nationen auf, den palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 anzuerkennen und seine Aufnahme in die UN zu unterstützen. Nur wenn die internationale Gemeinschaft ihr Versprechen hält, das sie uns vor sechs Jahrzehnten gab, und sicherstellt, dass eine gerechte Lösung für palästinensische Flüchtlinge realisiert wird, kann es eine hoffnungs- und würdevolle Zukunft für unser Volk geben.

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