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(picture alliance) Seinen Namen „Goodluck“ feierten viele Nigerianer noch vor kurzem als gutes Omen

Goodluck Jonathan - Der einstige Hoffnungsträger Nigerias

Goodluck Jonathan ist der Sohn eines armen Kanuschnitzers aus dem Nigerdelta. Als Präsident Nigerias hatte er Islamisten und Kriminellen den Kampf angesagt

So hat sich Nigerias Präsident Goodluck Jonathan seinen Kampf nicht vorgestellt: Gegen die Korruption werde er kämpfen, rief er seinen Anhängern im Wahlkampf im Frühjahr 2011 zu – gegen die gierige politische Klasse und den verfilzten Beamtenapparat, die gemeinsam fast allen Reichtum des weltweit zehntgrößten Ölproduzenten abschöpfen. Der Sohn eines armen Kanuschnitzers aus dem Nigerdelta wurde als Hoffnungsträger gefeiert. Nicht einmal ein Jahr später droht aus dem angekündigten Kampf ein Krieg zu werden, der Afrikas bevölkerungsreichste Nation (160 Millionen Einwohner) ins Chaos stürzen könnte.

Im Norden haben Islamisten Goodluck Jonathan den Krieg erklärt. Am ersten Weihnachtstag detonierten vor Kirchen in vier Städten Bomben, mehr als 40 Christen wurden in den Tod gerissen. Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem die radikalislamische Boko Haram („Alles Westliche ist Sünde“) nicht einen neuen Anschlag verübt. Ihr mutmaßlicher Anführer Abubakar Shekau fordert alle Christen auf, den mehrheitlich muslimischen Norden zu verlassen. „Uns zu besiegen, ist jenseits deiner Fähigkeiten, Jonathan“, verhöhnt Shekau den Christen aus dem Süden.

Sein Ziel, die Nation zu spalten, hat Shekau schon erreicht. Der größte Dachverband protestantischer Kirchen kündigte an, man werde sich gegen die Angriffe zur Wehr setzen. Im Süden Nigerias, wo vor allem Christen leben, gingen seit Weihnachten mindestens zwei Moscheen in Flammen auf. Beobachter befürchten einen Flächenbrand.

Der Konflikt im Norden ist nicht der einzige, mit dem Jonathan hadert. In seiner Heimat, dem Nigerdelta, jahrelang Schauplatz von Gewalt, wackelt der Waffenstillstand. Von der versprochenen Friedensdividende ist in der unterentwickelten Region, in der die Quellen von Nigerias Reichtum liegen, kaum etwas zu spüren. Von der neuen Stabilität in der Ölförderregion profitieren vor allem Soldaten der „Joint Task Force“, einer Elitetruppe der Armee, die sich am Diebstahl von Rohöl bereichert.

Der dritte Konfliktherd schließlich hat das ganze Land ergriffen: Weil Jonathan zu Jahresbeginn die Treibstoffsubventionen gestrichen hatte, demonstrierten Hunderttausende. Benzin und Diesel waren über Nacht mehr als doppelt so teuer geworden – und damit praktisch alle Waren des täglichen Bedarfs. Die Rüchnahme dieser Entscheidung – jetzt kostet der Liter Benzin nur noch 60 Cent – ist ein Verzweiflungsakt.

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Wie konnte es passieren, dass ein Mann, dessen Vorname „Goodluck“ (viel Glück) so viele Nigerianer noch vor kurzem als gutes Omen für ihr Land feierten, auf einmal so viele Gegner hat? Als einen der ihren hatten gerade die einfachen Nigerianer den erst 54-jährigen Politiker gefeiert, der eine absolut unwahrscheinliche Karriere hinter sich hat. Im dreckigen, perspektivlosen Nigerdelta hat Jonathan die notorisch überfüllten öffentlichen Schulen besucht. Nach einem Intermezzo als Zollbeamter studiert Jonathan Zoologie und promoviert.

1999 entscheidet er sich, selbst für seine Freunde überraschend, für die Politik und steigt zum Vizegouverneur im Delta-Bundesstaat Bayelsa auf. Als sein Chef wegen Geldwäsche verhaftet wird, ist Jonathan auf einmal Gouverneur. Und obwohl er sich im Wahlkampf als selten schlechter Redner entpuppt, wird Jonathan wiedergewählt – und 2007 als Kompromisskandidat zum Vize von Präsident Umaru Yar’Adua ernannt. Yar’Adua stirbt überraschend, der Vize wird Präsident.

Sein Glück verschafft Jonathan Chancen. Er will das Land reformieren – und schafft sich damit viele Feinde. So scheint klar, dass Boko Haram außer von Al Qaida auch von Mafiabossen unterstützt wird. Paten und Islamisten eint das Ziel, um ihrer Macht willen Chaos im Land zu säen. Die politische Elite im Norden, die Nigeria jahrzehntelang regiert hat, sieht zumindest tatenlos zu. Sie trägt die Schuld daran, dass im Norden blanke Not herrscht – die Arbeitslosigkeit wird auf 40 Prozent geschätzt, doppelt so hoch wie im Süden. Gerade Jugendliche lassen sich deshalb leicht radikalisieren.

Die Ölsubventionen, alleine 2010 mehr als fünf Milliarden Euro, verschwanden größtenteils in den Taschen korrupter Importeure, die ihrerseits Politiker schmieren. Dass Präsident Jonathan das Geld stattdessen investieren will, ist richtig – nur glaubt ihm niemand, dass er es wirklich tun wird. Denn Nigerias politische Klasse kümmert sich normalerweise nicht um das Volk.

Bleibt die Armee: Ein Viertel des Budgets fließt in diesem Jahr an Militär und Sicherheitskräfte – und an Politiker und Bandenbosse, die auch hier mitverdienen. Vom Kampf gegen Boko Haram profitieren so diejenigen, die Goodluck Jonathan bekämpfen will. Dass die Profiteure ihrerseits Boko Haram unterstützen, damit der Geldsegen möglichst lange anhält, versteht sich von selbst. So ist Jonathan wieder einmal der Getriebene, mit dem die Politik irgendwie passiert – nur scheint seine Glückssträhne diesmal endgültig vorbei zu sein.

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