Xi Jinping und Hun Sen
Ein guter Deal für beide: Chinas Staatspräsident Xi Jinping und Kambodschas Premierminister Hun Sen / picture alliance

Kambodscha nach den Wahlen - Chinas nächster Satellitenstaat

Nach der Wahl will Kambodschas neuer alter Premierminister Hun Sen sein Land weiter in Richtung Diktatur umbauen – mit Hilfe der Chinesen. Dadurch verleibt China sich Kambodscha immer weiter ein und weitet seinen Einfluss in der Region aus. Auch weil der Westen und die USA zuschauen

Chiara Thies

Autoreninfo

Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

So erreichen Sie Chiara Thies:

Alkoholverbot über das gesamte Wochenende, Polizeisirenen ertönen aus jeder Himmelsrichtung, kaum jemand ist auf der Straße. Nicht einmal Tuk-Tuk-Fahrer versuchen einem Drogen oder Waffen zu verkaufen. Alles ist ruhig, der Großteil der Geschäfte geschlossen. Phnom Penh, die Hauptstadt Kambodschas, wirkte während der Parlamentswahl wie eine Geisterstadt. Selbst den Müll hat Premierminister Hun Sen entfernen lassen, um sein Land von der besten Seite zu präsentieren.

Doch mit den Wahlen ist der Traum eines demokratischen Kambodschas nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg und der Schreckensherrschaft der Roten Khmer wieder in weite Ferne gerückt. Nach ersten inoffiziellen Ergebnissen gewann die „Cambodia Peoples Party” (CPP) vom wiedergewählten Sen mehr als 80 Prozent der Wählerstimmen. Hun Sen ist bereits seit 33 Jahren Premierminister und mit diesem Ergebnis stehen ihm fünf weitere zu. Die größte Oppositionspartei „Nationale Rettungspartei” (CNRP) ließ Sen rechtzeitig vor den Wahlen auflösen. So ist das Land auf dem besten Weg in eine Ein-Parteien-Diktatur.

Chinas als Vorbild

Hun Sens Vorgehen erinnert an das einflussreichste Land Südasiens: China. Allzu viel fehlt nicht mehr zur absoluten Diktatur. Wie in China unter Präsident Xi Jinping werden in Kambodscha ethnische Minderheiten ausgegrenzt. Die Staatsangehörigkeit wird ihnen verweigert. Freie Meinungsäußerung ist nicht möglich, nur hinter vorgehaltener Hand wird – wenn überhaupt – über Politik gesprochen. Und auch Onlineseiten hat Hun Sen bereits sperren lassen. 48 Stunden vor der Wahl konnte man die größten Zeitungen und Radiosender nicht aufrufen.

Unter Sens Ägide hat sich Kambodscha zu einem modernen Satellitenstaat Chinas entwickelt. Denn nicht nur ideell ist das Land der Mitte Vorbild. China ist ebenfalls zum größten Geldgeber Kambodschas geworden. Während die Hilfsgelder aus Deutschland dieses Jahr bei 46 Millionen US-Dollar liegen, spendet China 264 Millionen US-Dollar. Und im Gegensatz zu Deutschland sind diese Unterstützungen nicht einmal an Bedingungen geknüpft. Die chinesische Regierung prüft nicht, wohin die Gelder wandern. Also streicht sich Hun Sen den Großteil privat ein, wie man von vielen Seiten immer wieder hört Auf dem Korruptionsindex steht Kambodscha auf Platz 161 von 180.

Die Chinesen bleiben unter sich

Und Sen weiß, wie er China für dieses Geld zu danken hat: Bei internationalen Treffen stimmt er stets im Sinne seines Gönners ab. So auch im Streit um die Inseln im südchinesischen Meer. Obwohl China immer mehr Land ankauft, Spielhallen baut und Restaurants eröffnet, haben die Kambodschaner nichts davon. Denn die Chinesen bleiben unter sich, steigen in eigenen Hotels ab, gehen nicht kambodschanisch essen. In Phnom Penh kaufen sie nach und nach Gebiete in der Innenstadt auf, um dort eine offizielle China Town zu errichten.

Sihanoukville, eine bei Touristen besonders beliebte Stadt am Meer, ist mittlerweile in chinesischer Hand. Sie kauften die Verträge europäischer Investoren auf und übernahmen deren Geschäfte. Auch die chinesische Mafia ist mit von der Partie, das bestätigen verschiedene Quellen, etwa von der türkischen Mafia und Drogendealern. Die Mafia betreibe in den Casinos nebenbei Geldwäsche. Anwohner beschweren sich über die neuen Gäste, europäische Investoren ziehen weiter in die Stadt Kampot.

Die Kambodschaner wollen am Boden bleiben

Doch das chinesische Geld fließt auch in bitternötige Infrastrukturprojekte wie Fernstraßen. So hat sich die Skyline von Phnom Penh in den vergangenen vier Jahren stark gewandelt. Mehr und mehr Hochhäuser prägen jetzt das Stadtbild. Das Problem dabei: Die Miet- und Essenspreise sind bis zu viermal teurer geworden und die Kambodschaner wollen gar nicht so hoch oben wohnen. Auch die fünf neuen Shopping-Malls nutzen sie nicht, weil ihnen schlicht das Geld dafür fehlt.

Besonders pikant ist: Hun Sen ist ehemaliger General der roten Khmer. Jener kommunistischen Diktatur, die 1,7 Millionen Menschen umbrachte – ein Viertel der damaligen Bevölkerung. Sen setzte sich jedoch rechtzeitig nach Vietnam ab. Auch nachdem die Vietnamesen Phnom Penh von den Khmer Rouge befreit hatten, kämpften diese bis in die neunziger Jahre hinein einen Guerillakampf aus dem Dschungel und kontrollierten die Flüchtlingsunterkünfte in Thailand. Und wer hat sie die ganze Zeit finanziell unterstützt? Natürlich China.

Die USA geraten ins Hintertreffen

Während China sich Kambodscha also immer weiter einverleibt, wendet sich ein anderes Land ab: die USA. Vergangenen Mittwoch beschloss der US-Senat Sanktionen gegen Hun Sen und seinen engsten Kreis. Der Senat sieht freie Wahlen, Menschenrechte und die politische Freiheit gefährdet. Hun Sen glaubt jedoch, dass US-Präsident Donald Trump das Papier nicht ratifizieren wird. Doch damit dürfte er falsch liegen. Heute ließ das Weiße Haus verkünden, die kambodschanischen Wahlen seien “weder frei noch fair” gewesen. Ein Streitpunkt zwischen den beiden Ländern sind kambodschanische Schulden bei den Amerikanern aus der Lon Nol-Zeit Anfang der siebziger Jahre. Der General Lon Nol hatte sich 500 Millionen US-Dollar bei den damals verbündeten Vereinigten Staaten geliehen. Das Geld will Hun Sen nicht zurückzahlen. Donald Trump wiederum besteht darauf.

Aber nicht nur in Kambodscha läuft China den USA den Rang ab. Auch andere südostasiatische Länder wenden sich verstärkt dem Reich der Mitte zu. Es ist mittlerweile auch der größte Geldgeber in Laos, Malaysia und Myanmar. Myanmar hatte sich ursprünglich noch gegen chinesisches Geld gewehrt. Doch bei der aktuellen Menschenrechtslage um die Rohinga ist es bequemer, Geld aus China anzunehmen. Denn auch hier stellen die Chinesen keine Bedingungen. In Singapur und Vietnam ist China zum zweitstärksten Geldgeber geworden und bietet ebenfalls militärische Unterstützung an. Trotz allem ist die Skepsis gegen die Chinesen in der Region immer noch groß. Viele Staaten fürchten eine Vorherrschaft des Landes.

Kambodscha auf dem Weg in die Diktatur

In Kambodscha wird das offizielle Wahlergebnis erst Mitte August veröffentlicht. Wahrscheinlich wird es aber keine starken Abweichungen vom vorläufigen Ergebnis geben. Eines ist jedoch klar: Hun Sen wird seine Macht nutzen, um sich weiter an China zu binden und seine Verbindungen zum Westen zu trennen. Ihm ist eine mögliche Vorherrschaft Chinas in der Region egal. Sen will seine Macht weiter ausbauen und seinen Sohn als Nachfolger installieren. Dafür möchte er Kambodscha in eine vollkommene Diktatur führen. Noch schauen die USA unter Donald Trump dabei zu und überlassen China das Feld.

So geht bereits am Tag nach der Wahl alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Straßen sind voller Menschen und die Tuk-Tuk-Fahrer fragen, ob man mit Bazookas auf Kühe schießen will. Und auch der Müll türmt sich wieder in den Straßen und verströmt einen verwesend-süßlichen Geruch.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Dietrich Paul Kurtenbach | Di., 31. Juli 2018 - 15:59

Der Westen kann nicht alles, jedes tun und machen. Man muss auf die Ressourcen und Realitäten achten. Gute Verhältnisse mit diesem Land zu haben, ist schon ein großer Gewinn.
Es hängt von unserem Wille ab, stark zu bleiben.
"omittite timorum

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 31. Juli 2018 - 16:27

nicht.
Was genau sollte der Westen oder die USA da organisieren, was sie nicht vielleicht schon als "Kolonialmächte" hätten tun sollen?
Zynismus am Rande.
Wenn China dafür sorgt aus wohlverstandenem Eigeninteresse, so wie wir einen friedlichen Nahen Osten/Afrika schätzen SOLLTEN, dass diese Region sich entwickelt zu Selbstbestimmung und eben nicht Abhängigkeit, weder vom Westen, noch vom amerikanischen Kontinent, dann würde China fördern ohne zu kontrollieren oder etwa auf eine einseitige politische Entwicklung zu pochen.
Staatliche Souveränität und nationale/regionale Identität sind allemal besser als Wolkenkuckucksheim-Projektionen bzw. Kopfgeburten irgendwelcher westlicher Intellektueller oder US-Thinktanks.
Die Länder haben doch unendlich gelitten und die wollen vielleicht einfach mal wieder ihre Geschichte?
Ich weiss allerdings nicht, wie jemand, der ehemals ROTER Khmer war, dies bewerkstelligen soll.
Die Khmer stellen laut Wiki bis zu 90% der Bevölkerung.
Let them be!

Oliver Mandt | Di., 31. Juli 2018 - 16:56

Es stimmt mich traurig, wenn ich sehe, wohin der Weg für Kambodscha zu führen scheint. Ich kenne dieses Land recht gut, bin mit einer Kambodschanerin verheiratet und verfolge die Entwicklungen mit großem Interesse. Nach all den schrecklichen Zeiten, die die Menschen dort zu erleiden hatten (...und sie lächeln trotzdem noch...), hätten sie besseres verdient. Leider ist dieses kleine Land international scheinbar zu unbedeutend und der Clan von Hun Sen kann treiben was er will, ohne mit großen Widerständen rechnen zu müssen, zumal er innerhalb seines Landes alles tat, um jegliche Opposition zu beseitigen. Bleibt zu hoffen, dass dieses kleine und doch sympathische Land nicht gänzlich zerrieben wird und eine positive Entwicklung nehmen kann, die ihm in den 60er Jahren so jäh genommen wurde...

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 2. August 2018 - 11:23

Antwort auf von Oliver Mandt

Eher halb so groß wie Deutschland.
Denken Sie an Sihanouk? Und wenn, welchen Nachfolger? Der war laut Wiki sechsmal verheiratet und hinterliess 14 Kinder.
Aber ich will diese aristokratische Linie in Kambodscha nicht klein reden. Sie steht für Traditionen, die im Volk großen Einfluss hatt/ben.
Aber eigentlich passt das nicht so gut für moderne Staaten, jedenfalls nicht für das große China. Da wäre Konfuzius oder Lao Tse tragfähiger als Kulturträger eines demokratischen China
Europa hat viele Königshäuser, warum dann nicht auch Kambodscha...
Mögen Sie deutlicher werden?
Freundichst

Manfred Riester | Mi., 1. August 2018 - 08:40

Sie haben ja auch so eine tolle Unterstützung durch den "Westen" bzw. die EU - die den Chinesen förmlich in den Hintern kriecht. In der ersten Reihe Merkel, die auch den Ausverkauf Deutschland kräftig unterstützt. Fast hätten wir den Strom an Peking bezahlen müssen. Welcome an alle - wir schaffen das, oder besser wir schaffen uns ab.

Bernd Muhlack | Mi., 1. August 2018 - 09:50

Die US-Boys haben in Indochina wohl hinreichend Unfug angestellt, nicht wahr? Wie sagte der ehemalige US-Außenminister Mc Namara zurückschauend: "Wir haben alles falsch gemacht!"
--- Vietnam: Trauma einer Weltmacht --- Ein sehr lesenswertes Buch (Spiegel-Verlag)