- Der Ploppschutz-Macher
Er ist der Herr über die Winde: Archibald Schulze-Cleven. In Ostwestfalen produziert der Firmenchef der Schulze-Brakel-Schaumstoffverarbeitungs-GmbH eines der wichtigesten Accessoires der Medienwelt
Der Mitarbeiter der UEFA, der Ende Mai im ostwestfälischen Brakel anrief, hatte es eilig. Bis zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft waren gerade mal zwei Wochen Zeit, doch der europäische Fußballverband hatte noch keinen Windschutz im Design der Meisterschaft bestellt, die Fernsehreporter beim Einsatz am Rande des Spielfelds auf ihre Mikrofone stecken müssen. Der Mittelständler Schulze-Brakel, Spezialist für die Produktion von Mikrofon-Windschützen aus Schaumstoff, sollte helfen. Und er half: In aller Eile entwarfen dessen Mitarbeiter Muster für die Uefa. Der Verband entschied sich für ein blaubeerfarbenes Modell, das das Logo der Meisterschaft ziert, und bestellte 300 Stück. „Fünf Tage vor dem Eröffnungsspiel haben wir die ersten Windschütze in Warschau angeliefert“, sagt Unternehmer Archibald Schulze-Cleven. Schon beim Eröffnungsspiel konnte er sich seine Überzieher im Fernsehen anschauen.
Für Schulze-Cleven kein besonderer Anblick. Die bunten Schaumstofferzeugnisse, die das kleine Unternehmen in einem unscheinbaren Fünfziger-Jahre-Gebäude mitten in der ostwestfälischen Provinz herstellt, sind in aller Welt im Einsatz. Reporter von ARD und ZDF halten sie genauso in die Kamera wie Fernsehjournalisten der US‑Sender NBC und Fox, des indischen Kanals India TV und des Golfstaaten-Senders Star TV. Sie alle vertrauen darauf, dass der Schaumstoff aus Ostwestfalen nicht nur das Sender-Logo auf dem Bildschirm in Szene setzt, sondern auch unerwünschte Wind- und Ploppgeräusche unterdrückt. Neben großen TV‑Stationen schmücken allerlei kleinere Kunden ihre Mikrofone mit dem Schaumstoff aus Brakel, darunter Radio Vatikan und die Universität des Saarlands. „Manchmal wundere ich mich selbst ein wenig, wer alles bei uns bestellt“, sagt Unternehmer Schulze-Cleven.
Der Firmenchef hat sich in seiner Marktnische einen erstklassigen Ruf erarbeitet. Seit zehn Jahren konzentriert sich Schulze-Cleven voll auf die Produktion von Mikrofon-Windschützen. Das 1949 von seinem Vater gegründete Textilunternehmen, das Parkas und Rucksäcke für die Bundeswehr produzierte, musste 2002 Insolvenz anmelden. Seither beschränkt er sich auf die Windschutz-Produktion. „Das ist ein Geschäft mit Zukunft“, sagt er. Denn weltweit bläst der Wind, und weltweit steigt die Zahl der Fernseh- und Radiosender. Zuletzt wuchs der Umsatz des Unternehmens pro Jahr um 8 bis 10 Prozent. Für das laufende Jahr peilt Schulze-Cleven Einnahmen von rund zwei Millionen Euro an.
Rund 30 Angestellte arbeiten an den Schaumstoffteilen. Zunächst entwickeln Grafikdesigner am Bildschirm einen Vorschlag. Sobald der Kunde zugestimmt hat, beginnt die Produktion. Aus einem Schaumstoffblock schneidet eine Maschine die gewünschte Form. Kaufen kann man solche Maschinen nicht, ein Techniker des Unternehmens baut sie selbst. Im nächsten Arbeitsschritt wird der Schaumstoff gefärbt oder mit farbigen Flocken besprüht. Zehn Heimarbeiterinnen kleben die Sender-Logos auf.
Die Schaumstoffüberzüge dienen einerseits Marketingzwecken der Sender, viel wichtiger ist aber ihre technische Funktion: Der offenporige Schaumstoff schluckt bei Außenaufnahmen störende Windgeräusche. Moderatoren bezeichnen die Überzieher auch gerne als Plopkiller, weil sie die explosiven p- und t-Laute herausfiltern.
Die Herstellung ist kaum industrialisiert und erfordert viel Handarbeit. Das hat seinen Preis. Schulze-Cleven stellt seinen Kunden pro Windschutz zwischen 16 und 60 Euro in Rechnung – je nach Größe, Farbe und Gestaltung. Trotzdem hat er keine Sorge, dass ihn Billigkonkurrenz etwa aus China unter Druck setzen könnte. Die kleine Stückzahl, in der Windschütze produziert werden, mache das Geschäft für viele asiatische Hersteller uninteressant. Schulze nimmt Bestellungen ab 25 Stück entgegen. „Wir wollen nicht der billigste Anbieter sein“, sagt der Unternehmer. „Wir wollen das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.“
Schulze-Cleven und seine Mannschaft beraten bei der Gestaltung, wickeln auch eiligste Aufträge ab und zeigen sich bei Reklamationen kulant. Nicht immer aber ist das Unternehmen dafür verantwortlich, wenn sich das Senderlogo ablöst. „In vielen Gebäuden dürfen Reporter nicht mehr rauchen, während sie warten“, berichtet Schulze-Cleven. „Um sich abzulenken, knibbeln sie am Windschutz herum.“
Der 68-Jährige kommt gut in der Welt herum. Allein in diesem Jahr war er schon in neun Ländern, hat Kunden in Dubai, Kuwait, den USA und Polen besucht. Mit dem Thema Ruhestand befasst Schulze-Cleven sich nicht so gerne. Erst will er noch die letzten weißen Flecken seiner Weltkarte tilgen. „In Südostasien, Afrika und Südamerika gibt es Länder, in die wir noch nicht liefern“, sagt er. „Das will ich noch ändern.“
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