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() Arthur Sulzberger Jr. (M) bei einer Podiumsdiskussion
Der Kampf des Urenkels
Die New York Times Company gerät ins Wanken: Der Aktienwert schwindet, die Gewinne brechen ein. Die Verlegerdynastie kommt immer stärker unter den Druck der Wall Street. Kann Arthur Sulzberger junior das von seinem Urgroßvater begründete Imperium retten?
Der holzgetäfelte Tagungsraum, einst das Büro von Verleger Adolph Ochs, liegt in Trümmern. Arbeiter haben Zwischenwände eingerissen, Kabel aus der Decke gezerrt, den Kamin aus grünem Marmor abmontiert, die dunklen Möbel wurden ins neue Hauptquartier an der 8th Avenue geschafft. „Ich freue mich, in ein modernes Haus zu ziehen“, sagt Arthur Sulzberger junior, der Urenkel von Ochs. „Ich trauere dem alten Bau kein bisschen nach.“ Im Juni hat die New York Times ihr neues Hochhaus bezogen. Schmal, hoch, elegant und grau verhüllt, sieht es von außen aus wie eine „Gray Lady“ – so wird die Zeitung auf den Straßen New Yorks voller Respekt genannt. Innen aber ist das Gebäude lichtdurchflutet, offen und grün, erbaut nach modernsten Umweltstandards. Und unter seinem Dach sind die Print- und die Onlineredaktion vereint. Das ist die Zukunft der Times.
Sulzberger kann von seinem neuen Bürofenster aus das World Financial Center mit dem Wall Street Journal sehen. Die Bancrofts, eine Zeitungsdynastie wie die Sulzbergers, haben das Renommierblatt gerade an Rupert Murdoch und seine News Corporation verloren. Der Aktienkurs war so tief gesackt, dass Dow Jones übernahmereif wurde. Schon zuvor hatten die McCormicks ihre Chicago Tribune, die Chandlers die Los Angeles Times und die Ridders ihre Zeitungsgruppe Knight-Ridder auf Druck der Wall Street verkauft. Die Grahams halten an der Washington Post fest – können sich dies aber nur leisten, weil sie auch einen ertragsstarken Schulbuchverlag besitzen. Arthur Sulzberger junior, der im Oktober zehn Jahre lang als Vorstandsvorsitzender der New York Times Company vorstehen wird, ist der wichtigste große amerikanische Familienverleger – und einer der letzten.
Sulzberger junior ist nicht der klassische Chairman eines Drei-Milliarden-Dollar-Unternehmens. Der energetische 55-Jährige mit den wachen braunen Augen und dem sanften, spöttischen Lächeln hat als Student gegen den Vietnamkrieg demonstriert. Er wurde in allen Bereichen der New York Times ausgebildet, arbeitete als Rathausreporter, Auslandskorrespondent, Anzeigenverkäufer und Druckereileiter, bis er schließlich Verleger wurde. Er mag keine Krawatten und keine Schuhe, fährt ein BMW-Geländemotorrad und fördert Schwule und Frauen. Noch heute wirkt er jungenhaft. Gegner werfen ihm vor, es mangele ihm an „Gravitas“, jener Ernsthaftigkeit, die Industriekapitäne wie Jack Welsh auszeichnet. Inzwischen ist er ein wenig ernster geworden, weniger witzig, denn er muss nun die New York Times durch eine ihrer schwersten Zeiten steuern.
Sulzbergers Lieblingsfolge in der TV-Serie „Star Trek“ ist die, in der Captain Jean-Luc Picard die Gelegenheit bekommt, in der Zeit zurückzureisen und alle Fehler zu vermeiden, die er in jugendlichem Ungestüm beging – und Picard entscheidet sich, die gleichen Kämpfe noch einmal zu fechten. Freilich: Die Lage der Zeitungsbranche lässt nicht sehr viel Spielraum für Fehler. Die Klingonen stehen vor der demilitarisierten Zone. Die Times Company hat in den vergangenen drei Jahren die Hälfte ihres Börsenwerts verloren. Und im zweiten Quartal 2007 hat sie gerade mal 22 Millionen Dollar Gewinn erwirtschaftet – 59 Prozent weniger als im Vorjahr. „Tief drinnen weiß Arthur, wenn er versagt, dann brennt er in der Hölle“, sagt Susan Tifft, die gemeinsam mit Alex Jones „The Trust“, eine Biografie der Familie Ochs-Sulzberger, geschrieben hat.
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