Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
()
Nicht ohne meinen Vater

Saddam Hussein steht in Bagdad vor Gericht. Seine älteste Tochter Raghad organisiert von Jordanien aus die Verteidigung. Die 37-jährige Dolmetscherin kämpft für die Familienehre – und den Mörder ihres Ehemanns.

Ganz in Schwarz, die Haare nur locker von einem weißen Seidentuch umhüllt, sitzt sie da, und als sie in perfektem Englisch antwortet, lassen ihre Worte schaudern. „Er war ein sehr guter Vater, liebevoll, hatte ein großes Herz. Er liebte seine Töchter, seine Söhne, seine Enkel. Er war unser Freund.“ Dann lässt sie Tränen laufen. „Ich liebe dich und ich vermisse dich. Wir beten für dein Wohlergehen“, schickt sie ihrem Vater hinterher. Der war ein Töter, hatte seiner Tochter sieben Jahre zuvor die Seele genommen und ist zum Zeitpunkt des Interviews, im August 2003, der meistgejagte Mann der Welt. Wochen später wird er in einem vermoderten Erdloch aufgestöbert und der Welt mit wild zerzaustem Bart, halbnackt in Unterhose präsentiert werden. Das demütigende Ende eines Menschenschlächters in einem Drama, dessen vorerst letzter Akt in diesen Wochen gegeben wird. Saddam Hussein, der Hunderttausende foltern und töten ließ und selbst mit eigener Hand gefoltert und getötet hat, der den Tod Zehntausender im Gas befahl, steht in Bagdad vor Gericht. Kein Zweifel, wie das Urteil ausfallen wird: Schuldig. Kein Zweifel auch am Strafmaß: Tod. Dagegen kämpft seine Tochter Raghad Hussein (37) aus dem sicheren Exil in der jordanischen Hauptstadt Amman an. Seitdem sie mit ihren fünf Kindern am 31. Juli 2003 nach dem Sturz des irakischen Diktators den Irak verließ, dirigiert sie die internationale Heerschar der Verteidiger Saddam Husseins. Einzige Bedingung bei der Auswahl der amerikanischen Anwälte: „Es darf kein Jude sein. Saddam würde das nie billigen.“ Die Verteidigungsstrategie der ausgebildeten Dolmetscherin für Englisch ist simpel: „Mein Vater ist ein Held“, beharrt sie Ende September auf einer Menschenrechtskonferenz im libyschen Tripolis. „Er wird ein Held bleiben, ob er nun im Gefängnis ist oder ein freier Mann. Mit Gottes Hilfe wird er die Haft eines Tages verlassen. Ich bin stolz, dass dieser Mann mein Vater ist“, verkündet sie in einer Serie von Interviews und stellt die Rechtmäßigkeit der Gerichtsverfahren gegen ihren Vater in Frage: „Was ist das für eine Demokratie, wo ist die Immunität, die Präsidenten genießen?“ Ist das Verblendung, gar Hybris, die sie verdrängen lässt, was Saddam Hussein den Völkern des Iraks, aber auch ihr selbst und ihrer Schwester Rana angetan hat? Raghad Hussein ist nicht zum ersten Mal nach Jordanien geflüchtet. Bereits vom 8.August 1995 bis zum 20. Februar 1996 hatte Raghad Hussein zusammen mit ihrem Mann, ihrer Schwester und deren Ehemann im jordanischen Exil gelebt. Ihre Flucht aus dem Irak des Saddam Hussein kam damals einem politischen Erdbeben gleich. Raghads Ehemann, Hussein Kamal al Madschid, war im Irak verantwortlich für das biologische und chemische Massenvernichtungswaffenprogramm des Diktators. Vier Jahre durchkämmen die UNO-Inspekteure nach dem ersten Golfkrieg 1992 ergebnislos jeden Winkel des Irak auf der Suche nach dem geheimen Massenvernichtungswaffenprogramm Saddam Husseins. Im innerirakischen Machtkampf zwischen Hussein Kamal al Madschid und Saddams Sohn Udai glaubt sich der Eheman von Raghad Hussein auf der Verliererstraße. Er nimmt Kontakt zur amerikanischen CIA auf und flüchtet in einer Nacht- und Nebelaktion zusammen mit seiner Frau, seinem Bruder und Saddams zweiter Tochter Rana nach Jordanien. Im Gepäck: alle Unterlagen über die geheimen Massenvernichtungsprogramme Saddam Husseins. Die CIA bedankt sich mit 20 Millionen US-Dollar – und lässt Raghads Ehemann fallen. Dessen Traum, sich aus dem jordanischen Exil heraus zum Nachfolger des irakischen Diktators aufzubauen, lässt sich ohne Unterstützung der CIA nicht realisieren. Was dann geschieht, ist bis heute nicht geklärt. Aus Bagdad lockt Saddam Hussein die Flüchtlinge, spricht von Vergebung und garantiert Straffreiheit. Am 20. Februar kehren die Flüchtlinge in den Irak zurück. Direkt hinter der Grenze warten Saddams Schergen. Raghad und ihre Schwester werden zwangsgeschieden. Ihren Ehemännern gelingt die Flucht bis Bagdad, dort werden Raghads Ehemann und ihr Schwager sowie deren Vater und Mutter festgenommen und auf Befehl Saddams von Raghad Husseins Brüdern Udai und Kussai ermordet. Ein einziges Mal äußert sich Raghad Hussein über den Mord am Vater ihrer Kinder: „Unsere Abreise war ein großer Fehler und die Entscheidung zurückzukommen ein noch größerer.“ Zwischen 1996 und 2003 lebt sie mit ihrer Schwester im goldenen Gefängnis. Ein Leben in Schwarz, zwischen Luxus und Guillotine. Mit ihrem Vater, so behaupten das zumindest arabische Zeitungen, wechselt sie in diesen Jahren kein einziges Wort. Bis dessen Reich unter den Bomben der USA zusammenbricht. Seither stilisiert ihn Raghad zum Vater der irakischen Nation: Für Saddams Tochter ist es unmöglich, öffentlich über die Verbrechen ihres Vaters zu sprechen. In ihren Augen wäre das Verrat. „Der ist nicht mit der arabischen Ehre vereinbar.“ Ihre Zukunft scheint nur eine Richtung nehmen zu können. Raghad Hussein träumt davon, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Als dessen Nachfolgerin. „Ich bin die Tochter von Saddam, meine Mutter ist Saddams Ehefrau, und meine Kinder sind die Enkel von Saddam. Ich kann nichts anderes sein als eine Politikerin. Die Menschen sehen mich als Saddams Erbin.“

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.