- Säbelrasseln auf der koreanischen Halbinsel
Drohungen und Gegendrohungen werden erhoben, Raketen stationiert – die Welt schaut auf die koreanische Halbinsel. Wie gefährlich ist die Lage?
Seit Tagen schaukelt sich die Lage auf der koreanischen Halbinsel auf. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye liefern sich einen verbalen Schlagabtausch.
Wie ist die Situation aktuell?
Nordkorea hat bereits vor einer Woche zwei Musudan-Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 4000 Kilometern an der Ostküste des Landes auf mobilen Abschussrampen installiert. Südkoreas Armee geht davon aus, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen und die Raketen jederzeit abschussbereit sind. Es wird außerdem vermutet, dass zeitgleich mit den beiden Mittelstreckenraketen mehrere Kurzstreckenraketen von verschiedenen Standorten in Nordkorea abgefeuert werden könnten.
Militärische Überwachungsgeräte hatten vier oder fünf zusätzliche mobile Abschussrampen in Nordkoreas Hamgyeongnam-Provinz entdeckt.
In Südkorea wird über den möglichen Zeitpunkt des Raketenangriffs spekuliert. Aus Nordkorea gab es vermehrt Hinweise, dass der Raketenstart für Mitte April geplant sei, in zeitlicher Nähe zur Feier des Geburtstags von Nordkoreas Staatsgründer Kim Il Sung am 15. April. Experten nehmen an, dass die Raketen entweder am frühen Morgen oder am späten Abend gefeuert werden könnten, weil sie dann eventuell von der Radarüberwachung unbemerkt bleiben würden.
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte in Washington, Nordkorea bewege sich nahe „einer gefährlichen Linie“. Die USA seien in der Lage, mit jeder denkbaren Handlung Nordkoreas umzugehen, um die USA, ihre Interessen und ihre Verbündeten zu schützen. Auch Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye zeigte sich bei einem Treffen mit ausländischen Unternehmern am Donnerstag zuversichtlich und versicherte, dass Südkorea die momentane Krise genau wie alle vorherigen Konfliktsituationen unbeschadet überstehen werde. Sie erklärte, das Land sei gegen eventuelle Provokationen durch Nordkorea gewappnet und arbeite eng mit der internationalen Gemeinschaft zusammen. Die Außenminister der acht führenden Industriestaaten (G-8) drohten am Donnerstag bei ihrer Tagung in London Nordkorea mit neuen Sanktionen.
Wie wahrscheinlich sind Verhandlungen?
Überraschende Worte kamen am Donnerstag von Südkoreas Vereinigungsminister Ryoo Kihl Jae. Laut Berichten der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap erklärte der Minister, die Wiedereröffnung des Kaesong-Industriekomplexes müsse im Dialog zwischen Nord- und Südkorea geklärt werden. Die Schließung des Industriekomplexes setzt die 123 in Kaesong produzierenden südkoreanischen Firmen massiv unter Druck, denn einige Firmen sind aufgrund der momentanen Lage vom Bankrott bedroht.
Die südkoreanische Regierung hatte bereits am Mittwoch finanzielle Unterstützung für die betroffenen Firmen zugesagt. Bisher wurden aber direkte Gespräche zwischen Nord- und Südkorea von der südkoreanischen Regierung abgelehnt. Bereits seit Tagen fordern Vertreter der südkoreanischen Wirtschaft, Friedensaktivisten und Politiker der Oppositionspartei DUP eine diplomatische Lösung. Die Äußerung des südkoreanischen Vereinigungsministers ist bislang das erste Anzeichen, dass Südkoreas Regierung an einem direkten Dialog mit Pjöngjang interessiert wäre. Nach Berichten der südkoreanischen Zeitung „JoongAng Ilbo“ hatte die Oppositionspartei DUP als Kandidaten für eine Vermittlerrolle die beiden ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und Jimmy Carter sowie die früheren US-Außenministerinnen Madeleine Albright und Hillary Clinton vorgeschlagen. Im Gespräch war auch die Option, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon als Vermittler einzusetzen. Es wurde kolportiert, dass dieser prinzipiell bereit wäre, nach Pjöngjang zu reisen.
Welche Rolle könnte Ban Ki Moon spielen?
In den letzten Tagen wurde in Südkorea über das Für und Wider einer möglichen Vermittlerrolle Ban Ki Moons diskutiert. Kritische Stimmen merkten an, dass die UN-Sanktionen gegen Nordkorea vom 7. März der Auslöser der momentanen Krise seien, weswegen eine UN-Intervention eventuell kontraproduktiv sein könne. Befürworter erklärten allerdings, dass Ban Ki Moon als südkoreanischer Außenminister im September 2005 eine wichtige Rolle bei den Sechs-Parteien-Gesprächen über Nordkoreas Kernwaffenprogramm gespielt habe und sich bestens mit der Materie auskenne.
Für eine mögliche Vermittlerrolle Bans oder einer anderen renommierten Persönlichkeit spricht auch, dass in der Vergangenheit die Entsendung hochrangiger Vermittler nach Pjöngjang gute Ergebnisse brachte und offenbar von der nordkoreanischen Führung erwünscht war. So erklärte Bill Clinton nach seiner Rückkehr aus Pjöngjang im August 2009, dass vor seiner Visite die Verhandlungen über die Entlassung der beiden inhaftierten US-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee bereits weit fortgeschritten waren. Ein persönlicher Besuch des ehemaligen US-Präsidenten wurde aber von Pjöngjang zur Bedingung für die Freilassung der Frauen gemacht.
Was hat der Besuch von Nato-Generalsekretär Rasmussen in Südkorea zu bedeuten?
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen war am Donnerstag zu einer dreitägigen Visite nach Südkorea gekommen. Es ist der erste Besuch eines Nato-Generalsekretärs in Südkorea seit Bestehen des Bündnisses. Bereits am Donnerstag sprach Rasmussen mit Südkoreas Außenminister Yun Byung Se über die momentane Lage auf der koreanischen Halbinsel und über das Thema Cybersicherheit. Er wird auch Präsidentin Park und Verteidigungsminister Kim Kwan Jin treffen.
Berichten zufolge war Rasmussens Besuch bereits seit Monaten geplant, doch der Zeitpunkt sendet auch ein starkes Signal an Nordkorea. Rasmussen hatte zwar im Vorfeld erklärt, die Nato habe keinerlei Absicht, in Ostasien einzugreifen, da Südkorea kein Nato-Mitglied sei. Doch Rasmussens Präsenz stärkt Südkorea den Rücken und weist darauf hin, dass die Nato auf einen möglichen Bündnisfall gefasst ist. Schließlich könnten Nordkoreas Musudan-Mittelstreckenraketen auch den US-Militärstützpunkt auf der Pazifikinsel Guam treffen, was ein Angriff auf ein Nato-Mitglied wäre. Am Donnerstag wurde auf Guam ein Warnsystem getestet.
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