Notunterkunft in der Berliner Messehalle dpa/picture alliance

Moldawier in Berlin - Flüchtlinge ohne Perspektive

Im ersten Quartal sind vermehrt Asylantragsteller aus der Republik Moldau in Deutschland angekommen. Sie haben keine Chance auf Anerkennung. In Berlin sollen viele von ihnen in einer Flüchtlingsunterkunft versammelt werden, die früher ein Abschiebegefängnis war

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Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Im Berliner Südosten, Stadtteil Treptow-Köpenick, saßen einst Menschen ein, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Sie warteten auf den Tag X, an dem sie mit Flugzeug und Begleitschutz in ihre Heimatländer zurückgeführt würden. 214 Haftplätze hatte das Abschiebegefängis Grünau, das die Verwaltung aber nur „Gewahrsam“ nennt.

Nun soll das Berliner Abschiebegefängnis am Airport wieder Menschen beherbergen, die keine Chance auf eine Bleibeperspektive in Deutschland haben – allerdings als Flüchtlingsunterkunft. Seit November laufen die Umbauarbeiten.

Die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales teilte mit, dass der Standort „perspektivisch für die Unterbringung von Menschen aus sicheren Herkunftsländern“ infrage komme.

Eine Gruppe hat die Senatsverwaltung dabei besonders im Blick: Moldawier. Ihre Zuzugszahlen sind im ersten Quartal sprunghaft nach oben gestiegen.

Demnach meldeten sich im ersten Quartal dieses Jahres 1.347 Moldawier (Januar: 358, Februar: 647, März: 342). Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Jahres 2015, in dem sich 2.498 moldawische Staatsbürger erstmals registrierten.

Abschiebegefängnis wird für abgelehnte Asylbewerber umgebaut


Das ist auch Mario Czaja, CDU, Senator für Gesundheit und Soziales, aufgefallen. In einer Besprechung mit Betreibern von Flüchtlingsunterkünften und betroffenen Verbänden brachte er das Anfang April auf die Tagesordnung. Sein Pressesprecher bestätigte, dass Czaja „den ungewöhnlichen Anstieg von Staatsbürgern Moldaus“ thematisiert habe.

Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bemerkte diese Veränderung. Beantragten im Dezember noch 122 Moldawier Asyl, stiegen die Zahlen (Januar: 216; Februar: 603) bis März auf 636 an, teilt das Bundesinnenministerium mit. Im April waren es 92. Dabei haben Staatsbürger der Republik Moldau gar keine Chance auf Anerkennung. Im ersten Quartal hat das BAMF über 233 Asylanträge von moldawischen Staatsangehörigen entschieden. Nur eine Person wurde als Flüchtling anerkannt – bei allen anderen hieß es: Ablehnung – oder Verfahrenseinstellung.

Dass die Moldawier alle in Berlin landen, hat mit einem internen Verteilungsschlüssel des Bundesamtes zu tun. Das verteilt gleiche Staatsangehörige immer in eine Region, wegen der Synergieeffekte. In der Hauptstadt gibt es zahlreiche Dolmetscher und Experten für die Republik Moldau.

Überlastete Behörden


Aber wie erklärt sich der plötzliche Zuzug von Moldawiern?

Schätzungen zufolge lebt rund ein Fünftel der Be­völkerung in dem Land zwischen Rumänien und der Ukraine unter der absoluten Armutsgrenze. Seit genau zwei Jahren dürfen Bürger der Republik Moldau ohne Visum in die EU einreisen – wovon bereits nach BAMF-Angaben mehr als ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung Gebrauch machte.

Hinzukommt die politische Krise in dem Land: Die USA haben vor einer Woche 200 Soldaten nach Moldau entsandt, um gegen Russland Stärke zu zeigen. Die Truppen sollen bis zum 20. Mai stationiert bleiben.

Moldawien ist zwischen dem Westen und Russland zerrissen; im Osten gibt es mit der abtrünnigen Provinz Transnistrien einen eingefrorenen Konflikt. Dort kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen: Entführungen, Folter, Erpressungen. Diese Informationen liegen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor.

Trotzdem gilt die Republik Moldau ingesamt als „sicherer Herkunftsstaat“. Die „schlechte politische und wirtschaftliche Lage“ begründe laut BAMF keinen Schutzstatus.

Die Botschaft der Republik Moldau reagierte nicht auf Anfragen zu dem Thema.

BAMF kämpft gegen Schlepper


Das Bundesamt teilt auch mit, Schlepper würden Flüchtlinge gezielt mit falschen Versprechungen locken. Mit Kampagnen versucht es in Moldau wie in vielen Westbalkanstaaten dagegen anzugehen. Lokale Experten schalten Anzeigen, informieren bei Facebook, geben Interviews in Medien.

Karg ist dagegen die Informationspolitik zum neuen Flüchtlingsheim im ehemaligen Abschiebegefängnis Grünau. Auf die Frage, ob das für Moldawier vorgesehen ist, teilt die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mit: Das Gebäude komme „perspektivisch“ in Frage für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, „sowohl aus Moldau, wie auch aus anderen sicheren Herkunftsländern“.

Soll aus der ehemaligen Haftanstalt also eine Sammelunterkunft für Migranten ohne Bleibeperspektive geschaffen werden, um sie dann „perspektivisch“ abzuschieben?

Das weist die Behörde weit von sich. Aus dem Berliner Innensenat heißt es: Seit Jahresbeginn seien keine Moldawier oder Moldawierinnen abgeschoben worden. Sicher auch, weil der Zeitpunkt ein denkbar schlechter wäre. In Berlin sind im September Abgeordnetenhauswahlen. Die Asylpolitik ist da kein Gewinnerthema.

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