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Medienpolitik - Die FDP will Journalismus von der Steuer befreien

Immer weniger Zeitungen, immer mehr medialer Einheitsbrei: Der Zustand der Presse bewegt nicht nur die Stiftungen, sondern auch die FDP. Sie will jetzt gemeinnützigen Journalismus ermöglichen

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Es klingt vielversprechend: Deutsche Stiftungen und Vereine wollen den Medien helfen, ihr „Lügenpresse“-Image endlich abzulegen.

Der „Expertenkreis Stiftungen und Qualitätsjournalismus“ im Bundesverband Deutscher Stiftungen hat in dieser Woche vorgeschlagen, die Journalismusförderung auszubauen, den Dialog zum Publikum zu verbessern und das ramponierte Vertrauen in die Medien zu kitten. Auch in die Forschung wollen sie investieren. Unter den 26 Beteiligten sind neben der Rudolf Augstein oder Otto Brenner Stiftung etwa auch die BMW-Stiftung Herbert Quandt, die Daimler und Benz Stiftung, die Deutsche Telekom Stiftung oder die Vodafone Stiftung Deutschland. Aus dem Stifterkreis heißt es: Man diskutiere noch „lebhaft“.

„Stiftungen werden die Medienkrise nicht lösen“, betont die Sprecherin Katrin Kowark. Das sei auch gar nicht ihre Aufgabe. „Aber sie können die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, was auf dem Spiel steht, wenn der kritische Journalismus nicht mehr finanziert wird.“

Unternehmensstiftungen und der Einfluss


Prinzipiell ein guter Ansatz: Wie genau das aber funktionieren soll, bleibt aber selbst für Medienpolitiker vage.

Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz sorgt sich darum, wie sichergestellt werden könne, dass Unternehmensstiftungen nicht auf Inhalte Einfluss nehmen. „Würde beispielsweise Google, das sich bereits in der Journalismusförderung engagiert, einen Essay über die Gatekeeperfunktion von Suchmaschinen finanzieren?“, fragt er sich. „Wenn wir zurecht großen Wert darauf legen, dass Presse und Medien frei von staatlicher Einflussnahme bleiben, müssen wir uns gleichzeitig bewusst machen, dass ein von wirtschaftlichen Interessen gelenkter Journalismus ein mindestens zweifelhafter Beitrag zu unserer medialen Vielfalt wäre.“ Er fordert daher Mechanismen zu entwickeln, die „vorbeugen“.

Ein Beispiel, Transparenz zu gewährleisten, wäre das Recherchebüro Correctiv. Es hat einen Ethikrat eingerichtet – und seine Geldgeber offengelegt.

Die Frage ist aber auch: Wieso setzen sich die Stiftungen nicht gleich für die Gemeinnützigkeit journalistischer Projekte ein? Schach, Hundesport und das Engagement von Landsmannschaften sind steuerbefreit – § 52 der deutschen Abgabenordnung listet 25 Themenfelder auf. Journalismus dagegen nicht.

Spenden für Blogs nicht absetzbar


Wer im Internet etwa für den „Bildblog“ spendet, wer sich an Crowdfunding-Initiativen für journalistische Recherchen beteiligt – der kann das Geld nicht von der Steuer absetzen. Das Start-up Krautreporter sammelte vor einem Jahr eine Million Euro im Netz ein – und musste anschließend 160.000 Euro davon wieder ans Finanzamt abdrücken. Das hemmt journalistische Initiativen und kleinere Blogs – weshalb sich Lobbyverbände wie Verdi und das Netzwerk Recherche oder Correctiv für die Gemeinnützigkeit einsetzen.

Wenn Zeitungen immer mehr sparen und es im Regionalen fast nur noch Monopole gibt – dann ist sogar die FDP alarmiert.

In Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland von Christian Lindner, brachten die Liberalen im Juni einen Antrag in den Landtag ein, um die Gemeinnützigkeit von Journalismus zu erreichen.

Das Ziel: Steuerbefreiung von Journalismus

Sie erinnerten an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1966: Eine freie und vielfältige Presse sei „ein Wesenselement des freiheitlichen Staates“ und „für die moderne Demokratie unentbehrlich“.

Der FDP-Medienpolitiker Thomas Nückel, auf den die Initiative zurückgeht, war selbst jahrelang Journalist. Er sagt: „In Nordrhein-Westfalen gibt es nur noch wenige Städte, in denen wir eine mediale Vielfalt haben.“

Am 22. Oktober findet im Kulturausschuss des Düsseldorfer Landtages ein Expertengespräch statt. Nückel hofft, dass es noch im Januar zur Abstimmung kommt. Er möchte das ganz große Rad drehen: einen bundesweiten Gesetzentwurf zur Steuerbefreiung von Journalismus. „Die Idee wäre, dass das Land Nordrhein-Westfalen über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative anschiebt.“

Verena Staats, Justiziarin beim Bundesverband Deutscher Stiftungen, sagt aber: „Die Gemeinnützigkeit bringt nicht nur Vorteile mit sich, sondern setzt den gemeinnützigen Organisationen auch enge Grenzen.“ Deswegen würden einige Organisationen die Gemeinnützigkeit gerade nicht anstreben.

Wo wäre die Grenze nach oben?


Offen ist, wo die Grenze zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Aktivitäten wäre, ab welcher „Größe“ eine Initiative also Steuern zahlen müsste. Auf Presseerzeugnisse gilt ohnehin schon ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Eine Frage wäre auch, ob kleine, steuersubventionierte Medien-Startups dann nicht sogar die bisherigen Marktteilnehmer gefährden könnten.

Der FDP-Mann Nückel glaubt das nicht.  „Das sind ganz große Stiftungen – die haben die Probleme der kleinen Lokalblogs gar nicht mal auf dem Schirm.“ Thomas Nückel denkt etwa an den Blog der „Ruhrbarone“, wo freie Autoren kritisch über Politik und Wirtschaft in NRW berichten.

In den USA gibt es gemeinnützigen Journalismus schon lange. Vorbilder dort sind etwa Knight Foundation oder das Pulitzer-preisgekrönte Recherchebüro „Pro Publica“.

Gemeinnütziger Journalismus hätte zumindest einen Vorteil: Er könnte mehr Leserinnen und Leser, Nutzerinnen und Nutzer zum Spenden motivieren. Und ihn weniger abhängig machen von staats-, parteien-, kirchen- oder unternehmensnahen Stiftungen, so nützlich deren Engagement auch ist.

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