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Plädoyer für die Liebe - Die staatliche Ehe gehört abgeschafft!

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Homosexuelle auch ein Recht auf Ehegattensplitting haben. Würde man die Ehe aber gleich mit abschaffen, wäre auch diese unselige Steuerregelung passé. Ein Plädoyer für die Abschaffung der staatlichen Ehe – aus dem Archiv

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Zunächst und um Missverständnissen vorzubeugen: Der Autor dieser Zeilen ist verheiratet. Wichtiger noch: Er ist sogar ausgesprochen glücklich verheiratet. Ganz persönlich hält er die Ehe für eines der wunderbarsten und, ja, auch fordernsten Projekte, die das Leben zu bieten hat. Und weil man auch mal Mut im Leben haben und sich einer Herausforderung stellen muss, sollte jeder Mann und jede Frau, sofern sie den entsprechenden Partner gefunden haben, ein Herz fassen und heiraten. Ob das nun eine Frau oder ein Mann ist, das ist dabei vollkommen uninteressant, da es hier ausschließlich um das individuelle Glück geht, um persönliche Erfüllung und – natürlich – um Liebe. So, das musste gesagt werden.

Doch bei allem Lob der Ehe sollte man natürlich nie übersehen, dass sie, insbesondere für Frauen, über Jahrtausende ein Gefängnis war, in das die Menschen mehr oder minder hineingezwungen wurden. Die Entscheidung über eine Eheschließung lag entweder bei den Eltern oder bei dem Clanchef, bei dem Landesherrn, dem Gutsbesitzer, den Gilden oder Zünften. Die Ehe, sie war während des ganz überwiegenden Teils ihrer Geschichte eben keine romantische Einrichtung, in der das Glück zweier Liebender sein Ziel und seine Erfüllung finden sollte. Die Ehe war, soweit wir überhaupt zurückschauen können, eine gesellschaftliche Einrichtung, die den Clan, den Stamm, die Bürgerschaft und den Staat stärken, strukturieren und stabilisieren sollte. Der Sinn der Ehe lag im Nutzen für die Gemeinschaft, nicht im Glück der beiden Individuen, die verheiratet wurden. Und hier liegt das eigentliche Problem.

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Unser Modell der Ehe als einer Institution, die vor einem Beamten des Staates geschlossen werden muss, gründet gedanklich in einer Zeit, in der die Ehe nicht für die Eheleute da war, sondern für die Gesellschaft. Nicht um die freie Verbindung zweier autonomer Individuen, die ihre Leben gemeinsam verbringen und bewältigen wollten, ging es hier. Die Wurzeln der staatlich anerkannten und beglaubigten Ehe liegen in dem autoritären Willen, gesellschaftliche Strukturen zu festigen und zu bestätigen. Kaum verhüllt findet sich diese Tradition in der bei Politikern und Juristen nach wie vor so beliebten wie ärgerlichen Formel, die Ehe sei die Keimzelle des Staates.

Nein, die Ehe ist nicht für den Staat da und nicht für die Gesellschaft, sondern ausschließlich für die beiden Menschen die da heiraten. Ziehen wir die Konsequenzen: Schaffen wir endlich die staatlich sanktionierte Ehe ab!

Nach der Emanzipation der Individuen aus ihren ständischen und familiären Bindungen und dem Siegeszug der romantischen Liebesheirat ist die staatliche Ehe ein Relikt aus obrigkeitsstaatlichen Zeiten. Keine Frage: Zu dieser Emanzipation hat die Einführung der staatlichen Ehe im 18. und 19. Jahrhundert zunächst erheblich beigetragen. Zudem ergab das staatliche Ehemonopol, die Schutzpflicht des Staates gegenüber der Ehe und die dazu gehörigen steuerlichen Vorteile so lange einen gewissen Sinn, wie die Ehe aus sexualmoralischen Gründen unlösbar mit der Zeugung von Kindern verbunden war. Doch diese Zeiten sind bekanntlich lange vorbei. Die Ehe hat sich nicht nur aus ihren gesellschaftlichen Traditionen emanzipiert, sondern auch von dem Konzept der Familie mit Kindern. Wer heute heiratet, heiratet um des Partners willen, nicht um der Enthaltsamkeit zu entkommen oder um endlich Kinder kriegen zu dürfen.

Man kann es auch anders ausdrücken: Die Ehe ist durch den kulturellen Wandel seit der Aufklärung radikal privatisiert worden. Sie ist der Ausdruck ganz persönlicher und intimer emotionaler und sexueller Vorlieben. Genau diese aber haben den Staat nichts anzugehen. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, irgendwelche sexuellen oder emotionalen Präferenzen zu fördern. Ob man sich lebenslange Treue schwören, eine offene Zweibeziehung führen oder lieber polygam leben möchte: es obliegt nicht dem Staat, den einen Lebensentwurf einem anderen vorzuziehen.

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Und damit hat sich im Grunde auch die ganz Diskussion um die so genannte „Homo-Ehe“ erledigt. Heiraten sollte eine reine Privatsache sein. Die Ehe sollte geschlossen werden vor Vertretern von Glaubensgemeinschaften, weltlichen Rednern oder was sonst noch alles vorstellbar ist. Staatliche Beamte, so freundlich und nett sie sein mögen, haben hier nichts verloren. Nun auch noch die Ehe für Homosexuellen einzuführen, ist das komplett falsche Signal – wenngleich aus den richtigen Gründen.

Der Staat hat, wenn überhaupt, ein Interesse an Kindern. Auch hier sollte man im Übrigen vorsichtig sein. Getrieben von der alltäglichen Sozialstaatsmanie wird mitunter so getan, als seien Kinder für Sozialversicherungssysteme da. Sind sie aber nicht. Kinder sollte man bekommen, weil man Kinder liebt, nicht wegen der Rente. Doch das nur nebenbei.
Richtig und sinnvoll ist es, dass Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen und Erwachsene eine besondere Verpflichtung ihnen gegenüber übernehmen, vom Staat unterstützt, gefördert oder zumindest nicht behindert werden. Welche sexuellen oder sonstigen Beziehungen die Erwachsenen untereinander unterhalten, die diese Kinder aufziehen, sollte dem Staat gleichgültig sein.

Die Ehe ist eine soziale Konstruktion, genau so wie der Staat oder das Recht. Es gibt nicht „die“ Ehe oder „den“ Staat oder „das“ Recht. Jeder Argumentation, die darauf hinausläuft, dass irgendeine Institution naturgemäß oder per Definition so oder so sei, ist Unsinn. Daher kommt auch der Ehe keine natürliche, gottgegebene oder sonst wie unabänderliche Eigenschaft zu. Weder war die Ehe immer schon eine Liebesbeziehung noch steht irgendwo geschrieben, dass sie ausschließlich heterosexuellen Paaren zwecks Fortpflanzung vorbehalten sein sollte. Jeder sollte heiraten dürfen. Aber gerade weil wir die Ehe – zum Glück – aus allen traditionellen Bindungen befreit haben, ist sie ausschließlich Sache der beiden Individuen, die sich in ihr zusammentun.

Und ganz nebenbei: Für all jene, die neben dem Gang zum Traualtar rechtliche Sicherheit für den Fall der Fälle suchen, ist der Termin beim Notar demjenigen beim Standesbeamten ohnehin vorzuziehen. Ein Ehevertrag bietet mehr Rechtssicherheit als die Ehe, deren rechtlicher Rahmen in den letzten Jahrzehnten erheblich geändert wurde: Wer 1970 geheiratet hat, wird heute nicht nach dem damals gültigen Recht geschieden, sondern nach dem von 2013.

Doch um diese unschönen rechtlichen Finessen soll es hier gar nicht gehen. Wichtiger ist etwas ganz anderes: Die Ehe ist eine Verbindung zweier Individuen um ihrer selbst willen. Sie entspringt Motiven und hat Lebensformen zur Konsequenz, die den Staat gleichgültig sein sollten. Dass als Folge der momentanen Rechtslage kinderlose heterosexuelle Ehen steuerrechtlich gegenüber anderen Verbindungen bevorzugt werden, gehört zu den Kuriositäten eines überholten obrigkeitsstaatlichen Denkens.

Machen wir endlich Schluss damit. Wer Kinder bekommt oder großzieht, soll steuerrechtlich unterstützt werden, dafür braucht man keine staatliche Ehe. Und wer aus guten Gründen sich Liebe und lebenslange Treue versprechen möchte, der soll unbedingt heiraten. Dafür braucht man aber keine staatlichen Beamten. Da ist der Pfarrer oder – wem es gefällt – auch der weltliche Prediger der bessere Weg.

Die Ehe ist viel zu wertvoll und zu schön, um sie ihren familienpolitischen Fürsprechern zu überlassen. Retten wir die Ehe vor ihren staatlichen Beschützern!

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