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Vereinbarkeit von Beruf und Familie - Die Kinder sind nicht das Problem

Kolumne: Stadt, Land, Flucht: Manuela Schwesig will den Frauen ihr ewiges schlechtes Gewissen nehmen. Wenn sie damit mal nicht dem funktionierenden Familiensystem in Deutschland das Wasser abgräbt

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Erkenntnis der vergangenen Wochen: Die Wäsche will ernst genommen werden. Sonst packt sie dich von hinten und bricht dir das Genick. Eher hemdsärmelig treffe ich seit jeher Entscheidungen über das richtige Waschprogramm oder die Wahl der Seifenmarke. Das Abhängen und Aufhängen läuft nebenher. Was diesen Berg da in der Ecke hinter meiner Küche angeht, so denke ich: Der darf doch kein Gewicht haben in meinem Leben, dem Leben einer emanzipierten Frau mit einem doch irgendwie anspruchsvollen Job. Das rächt sich spätestens jetzt, da aus dem Baby ein fünfter Mitbewohner wird, der durch breiige Nahrungsaufnahme dazu beiträgt, dass der Wäschehaufen drohend anwächst.

Frauen – die Packesel der Nation und der Schwiegereltern


Aber wer da dachte, alles würde besser, wenn sich der Nachwuchs erst das eigene Pausenbrot schmieren kann, der irrt. Frauen bleiben die Packesel der Nation – bis zum Eintritt ins Rentenalter, so die deprimierenden Ergebnisse einer Studie, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gerade vorgestellt hat.

Das Institut für Demoskopie in Allensbach hat für die „Bild der Frau“ in einer repräsentativen Studie die Lebenswelten von 1060 Personen abgefragt. Nun konstatiert Geschäftsführerin Renate Köcher, man habe fälschlicherweise über Jahre „die Mehrfachbelastung berufstätiger Frauen vor allem unter dem Aspekt der Kindererziehung gesehen“, jetzt aber rückten die Eltern und Schwiegereltern in den Vordergrund. Und da kommt ein nahtloser Übergang der Kümmerei zu Tage.

Wer also mit 40 beruflich durchstarten wollte, wird schnell wieder ausgebremst: Drei Viertel der Frauen in der sogenannten Sandwich-Generation, also derer zwischen 40 und 59 Jahren, haben Kinder. 86 Prozent von ihnen unterstützen Eltern und Schwiegereltern bei Arbeiten im Haus, Arztbesuchen und Einkäufen, ein Fünftel pflegt seine Angehörigen. Knapp 80 Prozent dieser Frauen arbeitet, die Hälfte von ihnen in Vollzeit. Die Hausarbeit kommt in den meisten Fällen noch hinzu – auch wenn beide Partner Vollzeit arbeiten, ist sie neben der Familienarbeit weiterhin meist Frauensache.

Klinikaufenthalte als Fortbildungsreisen ausgegeben


Bemerkenswertes Distinktionsmerkmal der Frau, das auch aus dieser Studie herauszulesen ist, ist: ihr schlechtes Gewissen. Es scheint der Diesel zu sein, der den weiblichen Motor am Laufen hält. Da ist die Freundin, arbeitend, mit Kindern, den Haushalt im Griff, die sich wenige Tage Italienurlaub freigeschaufelt hat und nun mit schwerem Herzen voller Schuldgefühle in den Flieger steigt. Eine andere gibt ihren Klinikaufenthalt als Fortbildungsreise aus, die nächste wieder schleppt sich mit Magen-Darm-Virus in die Sandkiste. Mütterburnoutstatistiken lassen grüßen.

Ohne dieses Gewissen aber würde Familienleben im heutigen Deutschland wohl kaum funktionieren. Familienministerin Manuela Schwesig wusste deswegen genau, was sie tat, als die die Studie mit den Worten ankündigte: „Es ist wichtig, dass Frauen kein schlechtes Gewissen mehr haben müssen. Diese Frauen sind Leistungsträgerinnen.“

Spread the Word! Und – oh – jetzt aber schnell an die Wäsche.

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