- Alkoholfreier Wein: Gerne, aber nicht zum Essen
Unser Genusskolumnist hat sich mit alkoholfreien Weinen und Sekten beschäftigt. Und kam zu dem Ergebnis, dass die als fruchtige Softdrinks mitunter durchaus lecker sein können. Aber mit den „Originalen“ haben sie geschmacklich kaum etwas gemein.
Und schon wieder wird eine Sau durchs Weindorf getrieben. Glaubt man den zahlreichen PR-Kampagnen einschlägiger Institutionen und der Werbung vieler Weingüter und Kellereien, dann ist alkoholfreier Wein das nächste große Ding. Die Rede ist von einem „Trend“ zu alkoholfreien Getränken, der besonders bei der „Generation Z“, also Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind, immer mehr Raum greife. In der Tat ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von „normalem“ Wein im vergangenen Jahr erstmals seit Jahrzehnten auf unter 20 Liter gesunken. Auch der Konsum von Spirituosen und Bier ist rückläufig.
Oft wird betont, dass sich der Geschmack alkoholfreier Still- und Schaumweine dank technologischer Fortschritte immer mehr dem Geschmack „richtiger“ Weine und Sekte annähern würde und diese daher eine echte Alternative seien, sogar als Speisebegleiter. Das wollte ich mir mal genauer anschauen, und die Gelegenheit ergab sich bei einer Pressereise des Deutschen Weininstituts nach Baden mit dem Thema „Wein und Kulinarik“.
Mit dem Original nur wenig Ähnlichkeit
Aber der Reihe nach. Von einem „Trend“ zu sprechen, ist wohl etwas gewagt. Zwar sind das Angebot und der damit verbundene Werbeaufwand in den vergangenen Jahren beträchtlich gewachsen, doch der Marktanteil alkoholfreier Weine (ohne Sekt) liegt nach wie vor bei unter einem Prozent. Etwas anders ist das bei Sekt, da sind es mittlerweile 6 Prozent. Doch genau genommen handelt es sich dabei gar nicht um Sekt, sondern um einen mehr oder weniger süßen Softdrink aus entalkoholisiertem Wein mit zugesetzter Kohlensäure. Bei Sekt beziehungsweise Schaumwein darf nämlich keine Kohlensäure zugesetzt werden, die prickelnden Bläschen entstehen durch die zweite Gärung der Weine in Tanks oder in Flaschen. Das geht bei alkoholfreiem „Sekt“ natürlich nicht, denn bei der zweiten Gärung entsteht ja durch die Zugabe von Zucker und Hefe erneut Alkohol, der dann auch nicht mehr entfernt werden könnte. Es handelt sich auch nicht um ein Produkt im Sinne des Weingesetzes, sondern um ein Getränk, das dem allgemeinen Lebensmittelrecht unterliegt.
Im Prinzip ist alkoholfreier „Sekt“ also eine Art Fruchtschorle – und genauso schmeckt er auch. Und natürlich gibt es wie bei Fruchtschorlen sehr gute bis sehr miserable Erzeugnisse, doch auch die besseren weisen nur relativ entfernte Ähnlichkeiten mit gutem Sekt auf. Wesentlich einfacher wäre es wohl, stattdessen guten Traubensaft mit stark sprudelndem Mineralwasser zu mischen – aber das wäre natürlich nicht so stylisch wie das in Sektflaschen mit entsprechenden Korken abgefüllte Getränk, das dann auch in entsprechenden Gläsern serviert wird.
Besserer Geschmack durch bessere Technik
Nichts spricht dagegen, wenn Menschen manchmal oder auch grundsätzlich auf den Genuss von alkoholischen Getränken verzichten und stattdessen Softdrinks zu sich nehmen. Aber weder geschmacklich (Alkohol ist schließlich ein Geschmacksträger) noch in Bezug auf das Mundgefühl lassen sich alkoholfreie „Sekte“ mit dem Original vergleichen. Und ein bisschen verkaufsträchtiger Werbeschwindel ist da auch dabei, denn die offizielle lebensmittelrechtliche Bezeichnung lautet „schäumendes Getränk aus alkoholfreiem Wein“. Was aber nicht so sexy klingt, und wohl kaum Preise von bis zu 20 Euro pro Flasche ermöglichen würde.
Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:
- Zur aktuellen Cannabis-Debatte: Recht auf Rausch
- Das etwas andere Kochbuch: Kochen ist Widerstand
- Vielfalt statt Einfalt: Speiseöl – ein kulinarischer Tausendsassa
- Unsitten in der Gastronomie: Das Küchenkabinett des Grauens
- Lasagne al forno: Die Definition des guten Lebens
Während sich alkoholfreier „Sekt“ am Markt recht erfolgreich etabliert hat, bewegt sich sein nichtprickelnder Verwandter noch im Promillebereich. Geschmacklich hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Während früher der Alkohol der vergorenen Weine mit Temperaturen von bis zu 80 Grad verdampft wurde, was das Aroma der Weine gänzlich ruinierte, entstehen etwas höherwertige alkoholfreie Weine heutzutage zumeist mittels Vakuumdestillation bei aromaschonenden 27 Grad. Einige bei dem Verfahren abgetrennte Aromabestandteile können auch nachträglich wieder zugefügt werden.
Alkohol ist wichtiger Geschmacksträger
Doch auch hier gilt: Alkohol ist ein entscheidender Geschmacksträger, der das Aromengerüst eines Weines für den Konsumenten sensorisch erlebbar transportiert und seinen Geschmack abrundet. Sowohl Säure als auch charakteristische Aromen, wie etwa Tannine (Gerbstoffe) und Kräuternoten bei höherwertigen Rotweinen, können ohne Alkohol ausgesprochen unangenehm schmecken und werden entsprechend reduziert. Auch sind alkoholfreie Weine niemals wirklich trocken, weil sie ohne nachträglich Süßung wohl ungenießbar wären. Zwar weisen höherwertige alkoholfreie Weine durchaus rebsortentypische Aromen auf, aber niemals in der Klarheit und Intensität wie „normale“ Weine.
Umso fragwürdiger ist der Versuch, dieses Getränk jetzt auch als Speisebegleiter etablieren zu wollen. Denn die Kombination von bestimmten Weinen mit bestimmten Gerichten ist eine der spannendsten kulinarischen Erlebniswelten, die man sich vorstellen kann. Aber wie soll ein Rotwein ohne Tannine mit einem Wild- oder Lammgericht harmonieren? Oder ein merklich süßlicher Weißwein zu frischem Spargel oder gegrilltem Fisch? Die Rolle des Alkohols für den Geschmack eines Weines kann man durchaus mit der Rolle von Fett bei Speisen vergleichen. Wohl niemand würde auf die Idee kommen, ein Steak, ein Pesto oder eine Ratatouille ohne Fett zuzubereiten.
Als Speisebegleiter ungeeignet
Unsere Verkostung mit alkoholfreien Weinen als Speisebegleiter beim Weingut Zotz in Heitersheim bestätigte meine Skepsis. Blinis mit Lachs und Meerrettich, Garnelenspieße mit Chutney oder Pflaume im Speckmantel – nichts funktionierte wirklich gut, alle Weine waren etwas zu süß, die Sekte waren durch die Bank unpassend und ein gereichter Rotwein war gar ein kompletter Rohrkrepierer. Für sich genommen waren einige Weine, wie etwa der Grauburgunder von Zotz, durchaus ansprechend, aber meines Erachtens stimmt die ganze Idee nicht.
Mein kleines Fazit: Wenn man alkoholfreien Wein und Sekt als eigenständige Getränke versteht, und nicht als Alternative zu „normalen“ Weinen, kann man einiges durchaus genussvoll trinken. Aber als irgendwie gleichartiges Ersatzprodukt taugt das gar nicht. Man muss auch nicht immer Wein zum Essen trinken, aber Wasser oder – etwa bei leicht scharfen Gerichten – Grüner Tee sind alkoholfreien Weinen als Speisebegleiter sicherlich vorzuziehen.
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fast drangegeben, Fleisch mit viel Fett hätte ich aber niemals gegessen.
Wichtig für die Getränke zu Speisen sind m.E. deren Anregung zur Verdauung (Bitterstoffe?) nicht noch weitere Geschmacksträger.
Für mich bleibt es also bei Wasser und grünem oder schwarzem Tee mit Zitrone, ohne Zucker.
Was sind Bitterstoffe?
Da ich schwarzen Tee mit Zitrone liebe, sage ich mal, es sind Süßekonzentrationen?
Leben macht Sinn, bedeutet Abläufe und die heissen nicht "Am Anfang war der Bitterstoff", überspitzt.
Für die Bitterstoffe braucht es dann zusätzlich Wasser, wie bei starkem Kaffee oder Tee.
Aber die Beschreibung der Herstellung macht mir wenig Appetit.
Dennoch, Alkohol mag ich überhaupt nicht!
Sind die alkoholfreien Weine als Ersatz für alkoholische Weiß- und Rotweine in Soßen zu gebrauchen? Meine Frau verzweifelt beim Geschmack ohne Wein.
Alkoholfreier Wein, Sekt, wie auch Bier sind ein Selbstbetrug von Leuten, die sich, aus welchen Gründen auch immer, dem Originalgetränk verweigern. Sie stehen auf einer Ebene mit veganer/m Wurst und Fleisch, das von einer winzigen Minderheit propagiert wird, die es Anderen aufzwingen möchte. Wer keinen Wein zum Essen mag, der soll halt Wasser trinken, von mir aus auch ohne Kohlensäure. Wie sagen es die Amerikaner so treffend: "Non-alcoholic beer/wine is like making love in a canoe - fucking close to water".
Sehe ich genau so. Ich bin ein Fan von Sebastian Lege und seiner Sendung und wie die Lebensmittelindustrie & d Kneipen den Verbraucher vera….. schen. Nun wie jüngst in einer Sendung Vegane Salami aus der ersten Veganer Fleischerei Deutschlands. Der sichtbare Fett Anteil, Grieben, wurde aus Kokusfett Stückchen ersetzt. Eh, als ich das sah ……
Wie schrecklich, werter Herr Balcerowiak, alkoholfreier Wein oder Sekt! Leute, die so etwas trinken, haben für meine Begriffe noch nie wirklich etwas von Wein oder Sekt/Champagner verstanden. Sie wissen nicht, wie herrlich der Genuss von einem guten Glas Wein ist. Dass die Jugend, die zum großen Teil auf Bio, Öko, oder noch schlimmer auf Verzicht steht, geschenkt! Handy, Instagram, Facebook etc. wichtiger. Wir, werter Herr Balcerowiak, lassen uns den Genuss von gutem Essen und herrlichem Wein nicht verderben. Wie heißt es doch: „ Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken!“ Ich habe gerade ein schönes Essen mit einem guten Glas Rotwein genossen! Herrlich!!! ?
Es gibt eine schier unendliche Auswahl an Getränken, wozu dann Sekt, Wein und Bier ohne Alkohol? Mir hat sich das Konzept nie so recht erschlossen, aber offenbar findet es am Markt genug Absatz. Leider kann ich auch eigentlich gar nicht mitreden, musste aber unbedingt wieder meinen Senf dazu geben;-) Denn ich vertrage Alkohol nicht wirklich, maximal ein halbes Bierchen, und dann könnte es passieren, dass ich so manchem Protagonisten, den ich sonst lieber auf den Mond schießen möchte, plötzlich gar nicht mal so unsympathisch finde;-) Von daher lasse ich es dann lieber ganz.......
Erachtens stimmt die ganze Idee nicht" Da stimme ich Ihnen 100% zu.
Lieber nur Wasser, wenn man keinen Alkohol will oder ein alkoholfreies Bier , (das klappt ganz gut,) so finde ich, als so ein künstliches Imitat. Auch lieber nur mal einen Gemüse-Eintopf ohne Fleisch als eine vegane "Wurst".