Ein Börsenhändler beobachtet die Kursentwicklungen auf seinem Monitor /dpa

Ewige Wiederkehr der Bankenkrisen - Ein Gespann von Herr und Hund

Nach der Pleite der Silicon Valley Bank befindet sich jetzt die Schweizer Großbank Credit Suisse in der Bredouille. Diese kleinere Bankenkrise lässt sich mit grundlegenden Fehlern im System erklären. Sie zu beheben, wäre möglich, doch nicht im Interesse der Politik.

Thomas Mayer

Autoreninfo

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers und – bevor er in die Privatwirtschaft wechselte – beim Internationalen Währungsfonds in Washington und Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Thomas Mayer promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hält (seit 2003) die CFA Charter des CFA Institute. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Die Vermessung des Unbekannten“ (2021) und „Das Inflationsgespenst“ (2022).

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Natürlich trägt für die Pleite der Silicon Valley Bank das Management die größte Schuld. Aber die Manager der Bank waren nicht verantwortlich für den „Run“ der Einleger auf diese und ähnliche Banken. Dieser hat in den USA eine kleine Bankenkrise ausgelöst, die mit der Übertragung auf die Schweizer Großbank Credit Suisse gefährlicher zu werden droht.

Verantwortlich für die Misere ist das Geschäftsmodell der Banken, das über die Jahrhunderte immer wieder zu großen und kleinen Bankenkrisen geführt hat. Die Anfälligkeit dieses Modells hat den Staat regelmäßig zu Rettungsaktionen veranlasst und den staatlichen Einfluss auf das Bankgeschäft immer größer werden lassen. Eine Änderung dieses Geschäftsmodells ist lange überfällig.

Diese Änderung sollte für mehr Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit im Bankensektor sorgen und die wiederkehrenden Bankenrettungen auf Kosten der Steuerzahler beenden. Aber obwohl es dafür eine Lösung gäbe, widersetzen sich sowohl Bankenvertreter als auch die Politik einer Reform.

„Es werde Geld"

Das grundlegende Problem ist, dass in unserem System des „Fiat-Kreditgelds“ die Banken Geld über Kreditvergabe schaffen. Anders als meist angenommen, vergeben Banken nicht Kredite aus Einlagen, sondern sie schaffen diese Einlagen durch Kreditvergabe „aus dem Nichts“. Wie Gott in der Schöpfungsgeschichte sprach „es werde Licht“ („fiat lux“), so haben in unserem Geldsystem die Banker die Macht zu sagen „es werde Geld“ – und schon kommt es in die Welt.
 

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Die Zentralbank versucht mehr schlecht als recht die Geldproduktion der Banken zu steuern, indem sie den Zins im Geldmarkt der Banken manipuliert. Oft macht sie dabei aber gravierende Fehler. Hält sie den Geldmarktsatz zu niedrig, boomen Verschuldung und Geldproduktion. Es kommt zu Vermögenspreisinflation und mit Verzögerung zu Konsumentenpreisinflation.

Hebt die Zentralbank dann den Zins an, um die Inflation zu bekämpfen, gehen Schuldner pleite. Entweder reißen bankrotte Schuldner Banken mit sich, oder die Banken selbst haben sich verspekuliert und gehen bankrott, wie die Silicon Valley Bank. Das Gespann von Zentralbanken und Geschäftsbanken gleicht einem Gespann von Herr und Hund, die sich gegenseitig hin- und herzerren.

Das Ende der Konjunkturschwankungen

Längst ist bekannt, wie das Geldsystem stabiler und das Bankgeschäft nachhaltiger gemacht werden könnte. Im Jahr 1933 haben eminente Ökonomen an der Universität Chicago vorgeschlagen, den Reservesatz der Banken auf Sichteinlagen ihrer Kunden auf hundert Prozent anzuheben. Da jeder von der Bank dem Kunden geschuldete Dollar mit einem bei der Zentralbank hinterlegten Dollar gedeckt wäre, müsste niemand mehr um sein Geld fürchten. Von Bank Runs ausgelöste Bankenkrisen wären Geschichte.

Wollten Banken Kredite vergeben, müssten sie sich die Sichteinlagen der Kunden leihen, diese in Termineinlagen wandeln und das dort gebundene Geld an die Kreditnehmer weiter verleihen. Mit ihrem Eigenkapital müssten die Banken Kreditausfälle oder vorzeitige Auflösungen der Termineinlagen abdecken. Der Zins würde sich aus dem Angebot an Sparkapital und der Kreditnachfrage am Markt bilden und der Staat müsste weder Einlagen versichern noch Banken retten. Durch die Zentralbankpolitik erzeugte Konjunkturschwankungen wären vorbei.

Senkung der Staatsverschuldung

Mit der Umstellung des Geldsystems wäre sogar ein Bonus für den Staat verbunden. Denn wenn die Zentralbank das zur Deckung der Sichteinlagen notwendige Zentralbankgeld durch den Kauf von Staatsanleihen schaffen würde, könnte die am Markt ausstehende Staatsverschuldung in einem einmaligen Schritt drastisch gesenkt werden. Seit Jahren plädiere ich dafür, durch eine Geldreform dieser Art den wackligen Euro auf eine stabile Grundlage zu stellen und den überschuldeten Eurostaaten einen Neuanfang zu ermöglichen. Die Digitalisierung des Euro würde sogar die Möglichkeit eröffnen, Geldreform und Staatsentschuldung elegant zu verbinden.

Doch der Widerstand von Politik, Zentralbanken und Bankvertretern ist gewaltig. Denn die Politiker könnten nicht länger Staatsschulden mit von den Banken für sie geschaffenem neuen Geld finanzieren, die Zentralbanker würden Macht und lukrative Posten verlieren und die Banker könnten aus der Geldproduktion über Kreditvergabe nicht länger Gewinne machen. Die Bürger hätten es in der Hand, eine Reform gegen diese Widerstände an der Wahlurne durchzusetzen. Doch dafür müssten sie erst einmal das Geldsystem verstehen. Aber den Herren dieses Systems ist daran gelegen, dass dieses Verständnis Herrschaftswissen bleibt.

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Markus Michaelis | Do., 16. März 2023 - 13:16

Eine solche Umstellung könnte sehr gut sein - ich kann das in den Auswirkungen nicht überblicken.

Meine Frage wäre aber: (a) ganz sicher wäre auch das nicht. Die ausgegebenen Kredite können genauso in Blasen laufen, auch solche, die sich über Jahrzehnte aufbauen und irgendwann kollabieren. (b) ein derart "sicheres" Geld könnte den Anreiz und das Volumen für Investitionen in neue Industrien schmälern? Ich setze dann ja "sicheres Geld" ein, nicht mehr virtuelle Fremdgelder. Könnte diese Sicherheit nicht auch dazu führen, dass man lieber auf seinem Geld sitzen bleibt, als in Tesla zu investieren?

Langfristig setzen sich wahrscheinlich die Systeme durch, die Teslas haben? Trotz aller Crashes: Eine USA mit Crashes und Tesla wäre einem soliden Staat, ohne Crashes, aber nur mit z.B. Autos auf dem Stand der 90er, überlegen?

Heidemarie Heim | Do., 16. März 2023 - 14:15

In der Tat hat der/die Durchschnittsbürger/in zu wenig Wissen rund ums Bankgeschäft bzw. Geldanlage usw. Und ich denke mittlerweile angesichts der immer wieder von hochbezahlten Zockern an der Spitze/Management verursachten Pleiten sowie die Verstöße gegen ursprünglich einmal gemachte Regeln der EZB und der EU (Länderfinanzierung) oder (Schuldengemeinschaft, der Versuch der Aufweichung/Hinzuziehung der Einlagen von Genossenschaftsbanken zur Einlagensicherung Dritter) haben wahrscheinlich nicht nur mein Vertrauen eindrücklich erschüttert. Was mich, selbst Genossin einer solchen Bank auf den Gedanken bringt, warum man dieses Modell (Verbot großer Spekulationen usw.) nicht in größerem Maßstab anwendet und wie in früheren Zeiten eine, höchstens 2 "Förderbanken" für die Wirtschaft etabliert, die man überdies wirklich nachhaltig kontrollieren/überwachen könnte. Darauf vertrauen könnend würde man eventuell mehr Leute dazu bewegen, ihr Spar-Geld sicher arbeiten zu lassen. Mehr Transparenz! MfG

Frieda Frey | Do., 16. März 2023 - 14:37

"Die Bürger hätten es in der Hand, eine Reform gegen diese Widerstände an der Wahlurne durchzusetzen. Doch dafür müssten sie erst einmal das Geldsystem verstehen. Aber den Herren dieses Systems ist daran gelegen, dass dieses Verständnis Herrschaftswissen bleibt."

Und es müsste eine Partei geben, die das durchsetzten könnte - also erstens nicht selber der Versuchung anheim fallen und sich im Bundestag durchsetzen können. Das erscheint mir nicht realistisch.
Es ist eine Sache aus der Opposition heraus kluge Dinge zu sagen, anders wird es dann schon beim kluge Dinge tun bei Regierungsbeteiligung.

Karl Marxen | Do., 16. März 2023 - 15:40

Die Geldmenge (M3) in der EU ist innerhalb von 20 Jahren von 5 Billionen auf 16 Billionen gewachsen!
Wo ist dieses Geld? Etwa 60% sind in der Verfügungsgewalt von 10% der Bürger.
Diese 10% steuern uns und die Politik und sie achten darauf, daß sich das nicht ändert.
Ihr werdet nichts Besitzen aber Glücklich sein, sagt K. Schwab vom WEF, billigstes Ticket 68.000 SFr!

Ernst-Günther Konrad | Do., 16. März 2023 - 17:22

Ich verstehe zu wenig davon, deshalb kann ich es letztlich nicht beurteilen, wer da in welchem Umfang verantwortlich ist. Eines weiß ich aber, es ist die Gier der Menschen nach immer mehr Macht. Und am Ende des Tages nimmt keiner, wirklich keiner was mit auf seinem letzten Weg. Nach dem Tod ist vor dem Leben. Sollten sie wieder kommen werden sie Probleme am eigenen Leib spürend erleben und lösen müssen. Jedenfalls, so schätze ich das ein, wird die ein oder andere Bank noch dran glauben müssen, so sie die Staaten nicht stützen. Und das tun sie mit wessen Geld?

Gerhard Lenz | Fr., 17. März 2023 - 13:16

Bankgeschäfte endlich (wieder) in zwei verschiedene Funktionsbereiche zu trennen.

Sparkassen und Geschäftsbanken sollten sich wieder auf ihr eigentliches Kerngeschäft (Kontenführung, kontrollierte Kreditvergabe an Privatpersonen und Unternehmen für best. Zwecke) konzentrieren. Diese Geldinstitute sollten also wieder zur finanziellen Begleitung des Alltagslebens bzw. zur Kapitalbeschaffung für Unternehmen zuständig sein.

Wertpapiergeschäft und Spekulation sollte das ausschließliche Geschäft spezialisierter Investmentbanken bleiben. Diese Banken (bzw. deren Kunden) sollten dann auch für die Risiken gerade stehen, die sie eingehen, wenn sie auf den großen Reibach hoffen.

Es kann nicht sein, auch noch den letzten armen Schlucker an der Beseitigung jener Schäden zu beteiligen, die durch die Gier einiger weniger entstanden sind.

Deutschland braucht eine große, international bedeutende Bank? Wofür, bitteschön? Zur Imagepolitur des Bankensektors?