- Wie die Firmen uns Frauen im Stich lassen
Kolumne Stadt, Land, Flucht: Die Unternehmen müssen Berufseinstiege in Teilzeit ermöglichen. Jetzt. Sonst ist es für die heutigen jungen Mütter zu spät
Ihr habt studiert, für Klausuren gebüffelt und gute Noten geschrieben, habt Partys gefeiert und Praktika in internationalen Organisationen gemacht. Habt im Ausland Sprachen und Menschen kennengelernt und nebenher ganz passable Männer gefunden. Ihr wolltet immer einen anspruchsvollen Job. Und irgendwann Kinder. Ihr habt offenbar nicht nachgedacht.
Warum denn auch? Wer kann sich Anfang 20 auf einer Studentenparty schon vorstellen, wie er mit Mitte 30 bei Käsefondue sitzt, während unter dem Tisch die Kinder spielen? Und jetzt seid ihr abgebogen, auf den Mommy Track, auf ein totes Gleis in ein unzufriedenes Arbeitsleben. Dabei wollten wir es doch besser machen als viele unserer Großmütter, Mütter und Schwiegermütter. Einen Beruf haben, der uns durch das ganze Leben begleitet.
Sekretärinnenposten und Gelegenheitsjobs
Jede von uns weiß, dass es geradezu dämlich ist, auf eine lebenslange Versorgerehe zu setzen. Trotzdem gebt ihr euch zufrieden mit Sekretärinnenposten und Gelegenheitsjobs. Es tut im Moment ja nicht weh. Die Prioritäten haben sich verschoben, seitdem ihr am Nachmittag am Eingang der Kita ein strahlendes Kind in die Arme schließt. Aber was kommt später? Wenn die Kleine nicht mehr auf den Schoß will? Wenn in eurem Kopf wieder Platz ist für andere Dinge außer Kindergeburtstagen, Stoppersocken und Windelnachschub?
Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, beobachtet diese tragische Entwicklung seit Jahren. Die Ergebnisse ihrer Studien sind eindeutig: Frauen wünschen sich eigene Kinder (93 Prozent). Und sie wollen arbeiten und eigenes Geld verdienen (91 Prozent). Gleichzeitig steigt der Anteil unter denen, die eine Karriere mit Kindern für unwahrscheinlich halten (2007 waren es 36 Prozent, 2012 schon 53 Prozent). Aber an welchem Punkt verlieren die Frauen ihre Illusionen und entscheiden sich für ein Leben als Hausfrau, Mutter oder Teilzeit-Sekretärin?
Es ist jetzt vier Jahre her, da verwunderte die eigentlich kluge Bascha Mika mit einem unklugen Buch über die Feigheit der Frauen. Die ehemalige taz-Chefredakteurin versuchte sich an einer plausiblen Erklärung dafür, dass es sich viele Frauen nach der Mutterschaft in ihrer Rolle als Dazuverdienerin bequem machen, ließ bei ihrer holprigen Analyse allerdings die Kinder außen vor. Seitdem hat sich nicht viel geändert: Kinder bedeuten noch immer eine Weichenstellung in Richtung Mommy Track. In eine andere Richtung abzubiegen, erfordert eine Kraftanstrengung, die für viele nicht machbar ist.
Die Frauen sind zu feige. Ach ja?
Das liegt daran, dass die wirklich interessanten Jobs nie in Teilzeit angeboten werden. Der durch die Politik festgesetzte Anspruch auf eine Verkürzung der Arbeitszeit hilft auch nicht weiter, ist er doch nur ein schimmerndes Instrument für eine Arbeitswelt, in der die Menschen reguläre und unbefristete Arbeitsverträge haben. Das aber ist nicht die Welt, in der ich und die meisten meiner Freunde leben.
In unserer Welt sparen Firmen Personalkosten, indem sie die anfallende Arbeit auf die Schultern weniger verteilen. Hier entstehen Übervollzeitstellen statt der benötigten Teilzeitmodelle. Für Menschen, die voller Elan nach einer Babypause wieder in den Beruf einsteigen wollen, sind das utopische Ansprüche. Und da liegt auch der Grund für die so selbstgefällig fehlanalysierte „Feigheit der Frauen“. An diesem System aber wird seit Jahrzehnten nicht gerüttelt: „Wir lassen die Frauen auf der Straße“, analysierte denn auch kürzlich Martin Sonnenschein, Zentraleuropa-Chef der Unternehmensberatung A.T. Kearney, nach der Veröffentlichung der Familienstudie seiner Organisation.
Euch, meinen Freundinnen, die ihr nun als bestausgebildete Akademikerinnen eine Stelle als Sekretärin annehmt, sei gesagt: Irgendwann werden demographischer Wandel und Fachkräftemangel die Unternehmen dazu zwingen, sich mutig an flexiblen Arbeitszeitmodellen auszuprobieren. Eure Kinder sind dann allerdings längst aus dem Haus.
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