Julia Franck
Julia Franck / Lena Giovanazzi

Julia Franck - Schichten der Erinnerung

Ostberliner Kindheit, Flucht in den Westen, mit 13 Jahren allein in Berlin: Julia Franck hat ein Buch über ihr Leben geschrieben, das gleichzeitig autobiografisch und Fiktion ist.

Autoreninfo

Andrea Hanna Hünniger, geboren 1984 in Weimar, ist Journalistin und Buchautorin.

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Erinnerung ist subjektiv. Psychologen gehen davon aus, dass schon eine Sekunde nach dem Ereignis unser Gehirn eine Erinnerung verfälscht. Und wenn Julia Franck über Erinnerungen spricht, dann weiß sie um deren Unzuverlässigkeit. Sie sagt: „Schon eine Voicemail kann sich nach Stunden völlig anders anhören, als man sie das erste Mal abgespeichert hat.“

Erinnern ist ihre Kernkompetenz. 30 Tagebücher schrieb sie in ihrer Jugend voll. Und wundert sich manchmal, was da so drinsteht: „Beim Tagebuch-Lesen höre ich einer Fremden zu.“ Und trotzdem sei das sie selbst. In diesem kalten Herbst sitzt Julia Franck in ihrer Berliner Wohnung vor einem Gemälde von Peter Krauskopf. Der Maler hat die Leinwand mit Lagen von Farben und Grautönen beschichtet, einzelne Partien mit einem Spachtel weggeschoben, gekratzt, versetzt. Heraus kommen abstrakte Räume, die Felslandschaften sein könnten, die Skyline einer Stadt, Wald oder Meer.

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Sabine Lehmann | Sa., 18. Dezember 2021 - 16:32

Nachdem ich ein Interview von Denis Scheck mit Julia Franck gesehen hatte, las ich ihr Buch "Die Mittagsfrau". Abgesehen von ihrer beeindruckenden Art Dinge und Menschen zu beschreiben, bleibt bei diesem Buch ein ganz unangenehmes Gefühl zurück. Für empfindsame Seelen in der Vorweihnachtszeit sicher nichts, was die Seele und den Geist erheitert.
Nach dem Interview seinerzeit und dem, was ich bisher über Frau Franck gelesen habe, scheint es in ihren Werken um die Aufarbeitung ihrer eigenen Lebensgeschichte zu gehen. Auch wenn diese angeblich fiktional verändert wurde, was sicher mit Rücksicht auf Familienangehörige geschah, bleibt der Eindruck, dass vor allem die Kindheit von großer Kälte und Einsamkeit geprägt war. So stark, dass sie es bis heute nicht verarbeiten konnte, oder zumindest nicht mit guten und schönen Lebenserfahrungen "überschreiben" konnte. Ich wünsche ihr, dass sie das Glück oder das, was man dafür hält, noch findet. In jedem Fall eine beeindruckende Schriftstellerin.