Nebelschwaden umhüllen im Nationalpark Sächsische Schweiz einen Felsen und werden von der aufgehenden Sonne angestrahlt.
Licht und Materie verbindet das ominöse Wort, das Universum und ein Ding – und damit die Pole des Romans / picture alliance

Frankfurter Buchmesse - Die Welt im Gleichgewicht halten, die Sonne an den Himmel locken

Mike McCormack schrieb einen sprachschönen, musikalischen und klugen Roman zur Lage der Seele in unserer Zeit. Der Roman hieß ursprünglich „Solar Bones“. Ist das eine Anspielung auf Licht und Materie?

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

So erreichen Sie Alexander Kissler:

Jeder gute Roman hat ein Leitmotiv, einen Rhythmus und ein Thema. Das klingt nach wenig und ist doch mehr, als die meisten Romane bieten. Im neuen Buch des irischen Schriftstellers Mike McCormack lautet das Leitmotiv „Hier in dieser Küche“ – immer wieder kommt der Erzähler, ein Ingenieur namens Marcus Conway, auf den Ort zurück, an dem er am 2. November 2008 die Gedanken schweifen lässt, ausgreifen in sein Leben. Der Rhythmus ist fließend, fluente, Thema ist die Zeit, die war, und jene, die kommt. Wird McCormacks Buch deshalb zu Recht „Ein außergewöhnlicher Roman“ genannt?

Der deutsche Titel befremdet. Soll da mit der Übersetzung ein Verkaufsargument mitgeliefert werden? Ironisch will der Titel nicht verstanden werden. Auf Seite 89 lesen wir jenen rätselhaften Begriff, der dem 2016 erschienenen irischen Original als Überschrift diente. Da ist die Rede von den „tagtäglichen Riten, Rhythmen und Ritualen, die unsere Welt wie Sonnenknochen aufrechterhalten, dieses spezielle Amalgam aus Zeit und Licht, das sich durch jede Minute des Tages zieht und von dem Moment an sichtbar ist, da ich morgens aufstehe und ans Küchenfenster trete, in der Hand eine Tasse Tee, um den ersten Autos des Tages auf der Straße nachzusehen, jedes einzelne mir bekannt, Name, Nummernschild und Fahrtziel“. Dieser Roman setzt keinen einzigen Punkt. Er ist ein Fluss, dessen Quelle und Mündung jenseits seiner liegen. Vom Präkambrium hören wir und vom „Tag des Jüngsten Gerichts in einem überwölbten, balkengestützten Jenseits“.

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