- Gelaber und Apokalypse
Kisslers Konter: Die evangelische Kirche verprellt mit seichtem, linksliberalem, rot-grünem Politgeplauder ihre Mitglieder. Die evangelische Mehrheit verliert das Interesse an dem, was die Evangelischen so treiben
Wo EKD drauf steht, ist Politik drin: Die Vertreterinnen und Vertreter des hiesigen Mehrheitsprotestantismus halten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, wenn Fragen von Umwelt- und Geschlechtergerechtigkeit, Migration und Kapitalismus tangiert werden. Bei den Stichwörtern Erlösung, Auferstehung, Endgericht werden sie schmallippig. Diese Praxis ist ebenso notorisch wie die Kritik daran. Udo di Fabio, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats zum Reformationsjubiläum, warnte nun, das Politische dürfe für eine Kirche nie das Zentrale sein. Günther Beckstein vermisst vor lauter Energiesparlampenrhetorik lutherische Theologie. Selbst Petra Bahr, Kulturbeauftragte der EKD, wandte sich gegen „kolossale Wortverschwendung“ in den Gottesdiensten. Fürbitten klängen manchmal wie Reden vor der UN-Vollversammlung.
Linksliberales Politgeplauder
Jetzt – und das ist ihr durchaus anzurechnen – hat die EKD es schwarz auf weiß: Mit seichtem, im Zweifelsfall linksliberalem, rot-grünem Politgeplauder ist kein Blumentopf zu gewinnen. Die in der vergangenen Woche veröffentlichte neue „EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft“ überrascht mit einem klaren Ergebnis. Rund 3000 repräsentativ ausgewählte Mitglieder wurden Ende 2012 befragt. Einerseits ist demnach im Zehn-Jahres-Vergleich die Zahl derer gewachsen, die sich ihrer Kirche ziemlich oder sehr verbunden fühlen; von 40 auf 43 Prozent. Gleichzeitig aber nahm die Gruppe der „etwas Verbundenen“ von 33 auf 25 Prozent deutlich ab. Und diejenigen, die sich fast gar nicht für die EKD interessieren, machen nun 32 statt 27 Prozent aus. Die evangelische Mehrheit verliert das Interesse an dem, was die Evangelischen so treiben.
Quer durch die verschiedenen Gruppen und Milieus wächst die Kluft zwischen dem, was das leitende Personal von sich gibt, und dem, was die Kirchensteuerzahler erwarten. Selbstkritisch heißt es am Schluss der Studie: Die „innerkirchliche intellektuelle Ressourcenverwendung“ nehme eine problematische Gewichtung vor. Dort dominierten „gesellschaftspolitische Themen wie Gerechtigkeit, Frieden und Umwelt“, während unter den Mitgliedern eher „die existenziellen Fragen wie die Frage nach Sinn, Leben und Tod“ für spezifisch religiös gehalten werden. Hier liege „eine gewisse Vernachlässigung typisch individueller Frömmigkeitsfragen im kirchlichen Diskurs“ vor, mehr noch: Offenbar bespiele „die Kirche für eine markante Mehrheit der eigenen Mitglieder Themen, die an deren Erwartungen vorbeigehen.“
Protestantische Apokalypse
Eine dramatische Aussage: Kirchenleitung und Kirchenfachpersonal bieten trotz schwindender Nachfrage ihre Ladenhüter an. Was eine „markante Mehrheit“ nicht will, bekommt sie unverdrossen aufgetischt – alter Wein in alten Schläuchen mit dem Geschmack einer Gegenwart von gestern. Die Autoren diagnostizieren „in vielen Hinsichten Abschmelzungsprozesse“. Demzufolge hat die Evangelische Kirche derzeit ein massives Kommunikations- und Identifikationsproblem. Wenn sich, wie stets zu hören ist, die Katholiken in der Dauerkrise befinden, dann sind die Protestanten bereits in die Apokalypse eingetreten.
Wird sich etwas ändern? Vielleicht. Doch es wäre unwahrscheinlich. Das „Pädagogen-Gelaber eines Gleichstellungs- und Flüchtlingsbeauftragten“, von dem anlässlich des Weihnachtsfests Peter Hahne zu berichten wusste, dürfe exakt so lange wabern und wuchern, wie die Steuermittel hierfür von leitenden Pädagogen in den Landeskirchen bereitgestellt werden. Und diese Gelder sprudeln dank kerngesunder Wirtschaft unbeschadet jeder Austrittswelle.
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