- „Bürger vor Konzernkapitalismus schützen“
Im Cicero Foyergespräch fordert der designierte FDP-Vorsitzende Christian Lindner, die Bürgerrechte gegen das Machtdiktat großer internationaler Konzerne zu verteidigen und mehr innerparteiliche Demokratie zu wagen
Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl liegt die FDP am Boden und versucht, sich aufzurappeln. Vor allem einer soll den Liberalen aufhelfen und sie in vier Jahren aus der außerparlamentarischen Opposition wieder in den Deutschen Bundestag zurückführen: Christian Lindner. Wie er dies schaffen will, ist allerdings noch unklar. Für den FDP-Bundesparteitag Anfang Dezember hat Lindner eine Grundsatzrede angekündigt.
Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke und Frank A. Meyer luden den designierten FDP-Vorsitzenden deshalb an diesem Sonntag zum Foyergespräch ins Berliner Ensemble.
Die Absage an die FDP bei der Bundestagswahl wertete Lindner nicht als eine Absage an den Liberalismus. Schließlich schickten sich ja auch andere Parteien wie die Grünen oder die SPD an, sich nun als liberale Parteien zu gerieren. Sie seien alle jedoch im Zweifel für den Staat, die FDP dagegen nicht.
Christian Lindner für Europa und „Lebenslaufhoheit“
Mit der Alternative für Deutschland (AfD) hat die FDP dennoch starke Konkurrenz im liberalen Lager bekommen. An die neue Partei hatte die FDP bei der Bundestagswahl deutlich Stimmen verloren. Die FDP sei im Gegensatz zur AfD aber nicht europakritisch, sagte Lindner. Zwar gebe es solche Strömungen in der FDP, dies sei aber nur eine kleine Minderheit. Die Mehrheitsmeinung der Partei laute: „Wir wollen Europa!“
Christian Lindner hält es für wichtig, dass es unterschiedliche Meinungen innerhalb einer Partei gibt. So fänden sich in der FDP beispielsweise libertäre Befürworter eines Minimalstaats. Insgesamt sei die Partei aber nicht staatsfeindlich, sondern staatsskeptisch.
Nun stehen die Liberalen vor einem Neuanfang. Den hätten, so Lindner, sogar langjährige FDP-Mitglieder ganz bewusst erzwungen, indem sie der Partei an der Wahlurne ihr Vertrauen verweigerten. Ein FDP-Mitglied im Publikum des Foyer-Gesprächs bekennt sich dazu.
Damit der Beginn einer neuen FDP gelingen könne, so Lindner, müsse die Partei zurück zum Kern des Liberalismus. Für ihn bedeutet dies konkret: Vom Einzelnen aus denken und ihm oder ihr „Lebenslaufhoheit“ ermöglichen.
Kartellrechtliche Prüfung von Youtube und Google
Für die Partei ergeben sich daraus konkrete Handlungsanweisungen, die sie in der Vergangenheit nicht immer befolgt hat: „Eine liberale Partei, die sagt ‚Ich will den Einzelnen vor fremdem Machtdiktat schützen‘, und die vergleichsweise sprachlos ist angesichts der enormen Machtballung im Konzernkapitalismus, eine solche Partei wird dem Auftrag des Liberalismus, für den Einzelnen Partei zu ergreifen, nicht gerecht.“ Eine der „großen ordnungspolitischen Schlüsselaufgaben“ sei das Problem, dass Großkonzerne wie etwa Google sich „überhaupt nicht an der Finanzierung unseres Gemeinwesens“ beteiligten, während Familienunternehmen enorme Lasten zu tragen hätten.
Die Vormachtstellung des Suchmaschinenkonzerns betrachtet Christian Lindner skeptisch. Man müsse kartellrechtlich prüfen, ob Google und Youtube nicht eigenständig im Markt konkurrieren könnten. Ebenso wie bei systemrelevanten Banken, „müsste der Staat bei systemrelevanten Datenbanken genauso eine Aufsicht haben“, forderte Lindner im Cicero-Foyergespräch.
Lindner: SPD-Mitgliedervotum ist richtig
In der Diskussion mit dem Schweizer Journalisten Frank A. Meyer und Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke über mehr direkte Demokratie in Deutschland erklärte Lindner, er fände es gut, kleine Schritte zu erproben. Zunächst einmal müsse die Mitgliederbeteiligung in Parteien verbessert werden. Den Mitgliederentscheid bei der SPD über eine künftige Koalition hält der FDP-Politiker für richtig.
Die Beteiligung von Parteimitgliedern an Entscheidungen werde auch ein Bestandteil seiner Rede auf dem FDP-Sonderparteitag am 7. Dezember sein, an dem Lindner aller Voraussicht nach zum neuen Parteivorsitzenden gewählt werden wird.
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