- Leser fragen, der US-Botschafter antwortet
Edward Snowden ist in Amerika kein Held, sagt US-Botschafter John B. Emerson. Im Twitterview antwortet er auf Fragen, die Cicero-Online-Leser zuvor gestellt haben
Es begann mit einer einfachen E-Mail-Anfrage: Ob man einmal eine kleine Tour durch die US-Botschaft machen und insbesondere das Dach begutachten könne, wollte Cicero Online zu Wochenbeginn wissen. Das Magazin würde auch einen technischen Spezialisten mitbringen. Die Absage aus dem Büro für Öffentlichkeitsarbeit war kurz und knapp: „Wir bieten keine Botschaftstouren an.“ Fast zeitgleich aber räumte uns der Pressesprecher die Möglichkeit ein, den US-Botschafter zu treffen: ein Gruppeninterview mit den Vertretern der Wochenzeitschriften. Weil John B. Emerson bereits am Vortag in zahlreichen Tageszeitungen und Fernsehstationen aufgetreten war, entschied sich Cicero Online für ein anderes Format. Unter dem Hashtag #AskEmerson forderte das Magazin seine Leser und Follower bei Twitter auf, Fragen einzureichen.
Freitag, 13 Uhr in der US-Botschaft. Ein Presseattaché empfängt die Journalisten, es geht durch die Sicherheitsschleuse. „War das eigentlich ernst gemeint mit der Tour auf dem Dach und dem Techniker“, fragt ein Mitarbeiter die Cicero-Online-Redakteurin. „Klar, und wenn Sie sich doch noch dafür entscheiden, sagen Sie uns Bescheid.“
Das Gruppeninterview findet im Erdgeschoss des Botschaftsgebäudes statt. Emerson trägt einen Anstecker, der die Flaggen der USA und Deutschlands zeigt. „Ich glaube, ich spreche für die ganze Botschaftsfamilie hier, wenn ich sage, dass wir die heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit und der Regierung in Deutschland nachvollziehen können“, beginnt John B. Emerson das Gespräch. Er habe die Sorgen auch dem Weißen Haus mitgeteilt. In den USA werde indessen verstärkt über Änderungen der Sicherheitsgesetze „nachgedacht“, sagt Emerson. Das betreffe auch die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedeten Anti-Terror-Maßnahmen des Patriot Acts. Was genau man da ändern wolle, sagte Emerson allerdings nicht.
Im Anschluss an das Gruppeninterview nahm sich der Diplomat noch die Zeit, exklusiv auf die Fragen der Cicero-Online-Leser zu antworten.
John B. Emerson: Ich denke, ich würde genauso reagieren wie Kanzlerin Angela Merkel. Ich wäre verärgert und würde mit meinem Amtskollegen sprechen. Danach würde ich versuchen – weil mir das Interesse des ganzen Landes am Herzen liegt –, weiterhin eng mit meinen Freunden, den USA, zusammenzuarbeiten, um unsere gemeinsamen Interessen voranzubringen.
Emerson: Ich glaube nicht. Meinen Sie die US-Bürger?
Cicero Online: Unsere Interpretation: Gibt es deutsche Spionage gegen Amerikaner?
Emerson: Das weiß ich nicht. Da müssten Sie die deutschen Sicherheitsbehörden fragen.
Cicero Online: Aber wie reagieren die US-Bürger auf den NSA-Skandal?
Emerson: Ich glaube, sie denken nicht so viel daran und fragen sich auch nicht, ob Deutschland spioniert oder nicht.
Emerson: Ich bin nicht sicher, wie unser Land reagieren würde. Ich glaube, viele Leute in den USA sehen Edward Snowden nicht als Helden, sondern als jemanden, der sensible Informationen an Russland und China weitergegeben hat. Sie betrachten ihn als jemanden, der das Leben vieler Menschen, die uns alle tagtäglich vor Terrorismus schützen wollen, aufs Spiel setzt.
Emerson: Ich würde ihm sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass ich nicht in einer Welt lebe, die auch nur im Entferntesten die Welt ist, die George Orwell in 1984 beschrieben hat. In dieser Welt würden wir nicht einmal hier sitzen und dieses Gespräch führen. Und in dieser Welt würden die Bürger in Deutschland und den USA nicht über diese Dinge miteinander reden, weil sie zu viel Angst hätten. Ich bin wirklich froh, dort nicht zu leben.
Emerson: Aber natürlich.
Emerson: Absolut nicht.
Emerson: Ich glaube, US-Sicherheitsinteressen müssen alle drei Errungenschaften im Blick haben. Wir müssen einen Ausgleich zwischen dem Schutz unserer Bürger und dem Schutz von Privatsphäre, Menschen- und Bürgerrechten in der ganzen Welt finden. Ich würde daher keine dieser Werte allein der Sicherheit unterordnen.
Emerson: Dieser Darstellung widerspreche ich. Die USA arbeiten sehr eng mit ihren Partnern in der Nato, den Vereinten Nationen und anderen multilateralen Organisationen zusammen, um Probleme in der Welt zu beheben. Unsere Alliierten häufiger zu konsultieren, war für Barack Obama bereits ein wichtiges Anliegen, als er sich erstmals um das Präsidentschaftsamt bewarb.
Emerson: Dieser Ort am Pariser Platz war bereits vor mehr als 100 Jahren der Sitz der US-Botschaft in Berlin. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Botschafter abgezogen, das Gebäude indes sehr stark beschädigt. Bei Kriegsende waren Teile des Gebäude im Niemandsland, später stand hier die Mauer. Nach der Wiedervereinigung wollten wir wieder an unseren historischen Platz zurückkehren, genau hier, im früheren Ostteil der Stadt. Wir dachten, das wäre ein sehr wichtiges und positives Signal.
Emerson: (lacht) Nein. Wir würden nicht mal wissen, ob er sein iPhone aus hätte.
Emerson: Das ist eine absolut hypothetische Frage, die keinerlei Bezug zur Realität hat. Deshalb kann ich darauf leider nicht antworten.
Ich glaube nicht, dass das passieren wird.
Emerson: Präsident Barack Obama hat Russland und anderen Nuklearmächten seine Zusammenarbeit angeboten, um die Zahl der Atomwaffen weltweit deutlich zu reduzieren – ob in Deutschland oder anderswo. Hoffentlich werden die Russen das Angebot, sich hinzusetzen und darüber zu reden, auch annehmen.
Emerson: Nein, die beiden Dinge haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Normalerweise dienen Botschafter jeweils für eine Amtsperiode eines Präsidenten. Ex-Botschafter Philip Murphy war die ersten vier Jahre hier, und jetzt in der zweiten hat Obama neue Botschafter ernannt. Fast in jedem westeuropäischen Land gibt es neue Diplomaten, auch in England oder Griechenland. Ich war vielleicht nur etwas früher da als alle anderen.
Emerson: Eine große Bedeutung. Wussten Sie, dass der größter Exporteur von US-Automobilen BMW ist? Hunderttausende Amerikaner arbeiten für deutsche Firmen. Und mehr als 65 Millionen US-Bürger haben deutsche Wurzeln. Deswegen sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen auch im Alltag sehr wichtig.
Cicero Online: Herr Emerson, wir danken für dieses Gespräch.
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