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Experten-Interview zur Wahl - „Es steht alles Spitz auf Knopf“

Nach dem vorläufigen Endergebnis schaffen weder FDP noch AfD den Einzug in den Bundestag. Die Merkel-Union ist die große Siegerin. Was hat den Ausschlag gegeben? Der Mainzer Politikwissenschaftler und Wahlexperte Thorsten Faas im Interview

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

So erreichen Sie Vinzenz Greiner:

Herr Faas, welches Thema war für die Bundestagswahl entscheidend?

Es ging ja insgesamt recht wenig um Themen – und das zeigt auch das Ergebnis. Die Kanzlerin hat auf sich als Person gesetzt und war damit extrem erfolgreich.

Die AfD hat es nicht in den Bundestag geschafft. Was bedeutet dies?

Das kann man derzeit wirklich noch nicht sagen, ob es reicht oder nicht. Aber unabhängig davon – das Signal ist klar. Die Bürger wollen mehr über den Euro erfahren: Immerhin rund 5% haben eine Partei gewählt, die praktisch nur über dieses Thema gesprochen hat.

Waren es schlicht eurokritische Protestwähler, die die AfD gewählt haben?

Der Protest hat sich dieses Mal – ähnlich wie früher auch bei den Grünen, bei der Linkspartei im Westen oder den Piraten – bei der AfD gesammelt. Gebündelt mit einem Thema, das kann bei einer Wahl gut funktionieren. Eine Verstetigung ist das noch lange nicht.

Die Union hat sehr gut abgeschnitten. Ist aber nicht eigentlich Angela Merkel die Siegerin und nicht die CDU?

Zwischen CDU und Kanzlerin passt derzeit kein Blatt, insofern haben beide gewonnen.

Warum konnte die Zweitstimmenkampagne der FDP heute keinen Niedersachsen-Effekt im Bund erzeugen?

Die Unzufriedenheit mit der FDP, gerade auch in der Regierung, war einfach zu groß. Die Unionswähler wollten nichts verleihen, denn das viel auf dem Spiel steht, war doch allen klar. Den „Todesstoß“ mögen der FDP die Umfragen in der vergangenen Woche gegeben haben. Immerhin war die FDP ja dort überall über 5%, das mag ein Signal an CDU-Anhänger gewesen sein, dass sie dieses Mal – auch nicht nicht widerwillig – ihre Stimme den Liberalen geben müssen.

Hat sich die FDP mit ihrer Leihstimmen-Kampagne selbst ins Aus befördert?

Nein, das war die einzige Option – aber gereicht hat es trotzdem nicht.

Welche Rolle spielen die Umfragen und gerade die letzte am Donnerstag veröffentlichte Umfrage bei den Wahlen? Inwiefern haben sie das Wahlverhalten beeinflusst?

Da wird man sehr genau hinschauen müssen – aber es spricht vieles dafür, dass es hier einen Einfluss gab.

Deutschland steht womöglich vor einer großen Koalition. Was kann man von einer schwarz-roten Regierung erwarten?

Da bin ich mir nicht sicher. In diesen Sekunden sprechen wir sogar über die Möglichkeit einer absoluten Mehrheit für die Union! Es steht alles Spitz auf Knopf. Absolute Mehrheit, Schwarz-Grün, Große Koalition – nur ein Bündnis links der Mitte scheint mir ausgeschlossen, dafür ist das Signal zu stark, dass die Wähler Frau Merkel behalten möchten.

 

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