- „Klimadebatte von Angst bestimmt“
Mit seinem Buch „Die Kalte Sonne“ hat der scheidende Vorstand der RWE Innogy, Fritz Vahrenholt, die Klimadebatte in Deutschland erneut angeheizt. Mit CICERO ONLINE spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator über Sonnenzyklen, Fehler des Weltklimarates und Chinas Rolle in der Klimadebatte
Herr Vahrenholt, Ihr vieldiskutiertes Buch trägt den
Titel „Die kalte Sonne“. Wie wirkt sich die Sonne auf unser Klima
aus?
Die Sonne wechselt in 500-jährigen Abständen zwischen Warm- und
Kaltzeiten. Sie hat uns die römische Wärmeperiode und die
mittelalterliche Warmzeit beschert, beide mit je ein bis zwei Grad
Erwärmung. Umgekehrt wurde es in der inaktiven Zeit der Sonne auf
der Erde kälter, etwa in der kleinen Eiszeit vor 500 Jahren. In den
vergangenen 50 Jahren war die Sonne so aktiv, wie seit 1.000 Jahren
nicht mehr.
Die Strahlungsintensität der Sonne schwankt allerdings
nur um 0,1 Prozent.
Ja. Und genau das brachte den Weltklimarat (ICCP) dazu zu
sagen, die Sonne könne die Erwärmung der letzten Jahrzehnte nicht
erklären. Dabei wird ein wichtiger Punkt vergessen: Wir müssen für
die Sonnenaktivität einen Verstärkungsmechanismus annehmen. Das
Magnetfeld der Sonne schwankt viel intensiver, nämlich um mehr als
20 Prozent. Je schwächer das Magnetfeld der Sonne ist, umso mehr
kosmische Strahlen treffen die Erde. Die wiederum können zur
Wolkenbildung beitragen. Durch eine größere globale Wolkendecke
kühlt der Planet ab. Ein starkes Magnetfeld, wie wir es in den
vergangenen 50 Jahren hatten, leistet also einen Beitrag zur
Erderwärmung.
Endgültig bewiesen ist das nicht. Sie erklären in Ihrem
Buch, dass die kosmischen Strahlen Aerosolpartikel bilden, wenn sie
auf die Erdatmosphäre treffen. Diese Partikel sollen den
Wasserdampf binden und auf diese Weise als Kondensationskeime zur
Wolkenbildung beitragen. Jetzt hat das CERN in Genf zwar bewiesen,
dass kosmische Strahlen in der Atmosphäre tatsächlich diese
Partikel bilden. Ob sie aber auch groß genug werden, um die
Wolkenbildung verstärken, ist noch nicht geklärt.
Da haben Sie Recht. Das Experiment ist zweistufig und der zweite
Teil steht noch aus.
Sehen Sie Ihre Theorie in Gefahr?
Nein. Denn für den Zusammenhang zwischen dem Wachsen und Schrumpfen
der Wolkendecke und der Intensität der kosmischen Strahlen finden
sich auch beeindruckende Korrelationen.
Korrelationen sind in der Wissenschaft aber noch keine
Beweise.
Richtig. Aber sie sind ein deutlicher Hinweis für diesen
Verstärkungsmechanismus. Trotzdem wird er im Abschlussbericht des
IPCC mit keinem Wort erwähnt – dafür aber andere Verstärker
auf Seiten des CO2-Effekts.
Welche Verstärker sind das?
Das bekannteste Beispiel ist der Wasserdampfeffekt. Obwohl über
dessen genaue Wirkung auf das Klima noch gestritten wird, hat man
den angenommenen Effekt wie selbstverständlich in die Modelle des
IPCC mit einbezogen. Auf dieser Basis prognostiziert der
Weltklimarat einen Temperaturanstieg von drei Grad bei Verdopplung
der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Klammern wir den
angenommenen Wasserdampfeffekt hingegen aus und rechnen mit einem
Grad bei Verdoppelung des CO2, dann passt das relativ gut zur
beobachteten Klimaentwicklung der letzten 10.000 Jahre. Denn sonst
ist die Sonne aus der Gleichung eliminiert und es gibt keine
Erklärung für die Schwankungen der letzten 10.000 Jahre.
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Kommen wir zurück zu den Sonnenzyklen: Sie sagten die
Sonne war in den vergangen Jahrzehnten so stark wie seit 1.000
Jahren nicht mehr. Warum schwächelt sie jetzt
plötzlich?
Wir befinden uns in einem sehr schwachen 24. Sonnenzyklus. Eine
Reihe von Wissenschaftlern glaubt, der nächste Sonnenzyklus könnte
noch schwächer werden oder sogar ausfallen. Auf der Solarkonferenz
von San Diego im vergangen Jahr waren sich die Forscher
einig: Die magnetische Dichte der Umbra nimmt ab, es bilden sich
noch weniger Sonnenflecken. (Anm. Red.: Je mehr Sonnenflecken,
desto höher ist die magnetische Kraft der Sonne). Der Weltklimarat
hat die Sonnen-Zyklen nicht angemessen berücksichtig genauso die
Zyklen der ozeanischen Strömungen. Ein Beispiel ist die
nordatlantische Oszillation. Dieser Zyklus schwankt alle 60 Jahre
und beeinflusst unser Klima massiv. In Modellrechnungen des
IPCC-Berichtes taucht er nur als Strich auf. Das heißt: Man weiß
von dem Zyklus, kann ihn aber nicht korrekt berechnen
Wie lässt sich dieses Problem lösen?
Da die Rechenmodelle an ihre Grenzen stoßen, muss man sie bei den
Prognosen mit empirischen Erfahrungen kombinieren. Da man jedoch
alle natürlichen Zyklen im Modell des IPCC ausgeblendet hat, sah
die Kurve für die klimatische Entwicklung der Erde aus wie ein
Hockeyschläger. So konnte man die außerordentliche Erwärmung der
letzten 30 Jahre in die politische Arena tragen. Ich war lange Zeit
selbst ein Anhänger der IPCC-Theorie und habe diese berühmte
Hockeystick-These Jahrelang in sehr vielen Präsentationen nach
außen getragen. Aber jetzt stellen wir fest: Die Wikinger waren
tatsächlich in Grönland – und wir haben es einfach verdrängt.
Lesen Sie im zweiten Teil, warum die Rolle von CO2 beim Klimawandel überschätzt wird
Und welche Rolle haben ozeanische Zyklen für das
Klima?
Sie treiben die globale Durchschnittstemperatur um je 0,2
Grad hoch und runter. Die Erwärmung von 1977 bis 2000 beträgt ganze
0,5 Grad. Das ist wirklich eine Menge. Doch zwischen 1915 und 1940
hat es die ähnliche Steigerung gegeben, genauso zwischen 1860 und
1880. Das haben selbst berühmte ICCP-Vertreter einräumen müssen.
Deswegen ist es umso merkwürdiger, wenn der Anstieg der letzten 30
Jahre alleine dem CO2 zugemessen wird; 95 Prozent dem CO2 und nur
fünf Prozent der Sonne. Mit fünf Prozent Klimawirksamkeit der Sonne
ließe sich die Erdgeschichte niemals erklären. Umgekehrt können wir
einen großen Teil der letzten 30 Jahre mit der ozeanischen Strömung
und den Entwicklungen auf der Sonne erklären. In einigen Jahren
werden die Schlagzeilen kommen: Was ist mit der Sonne los? Man hat
uns erzählt, dass es jetzt jedes Jahrzehnt um 0,2 Grad Celsius
wärmer wird. Wenn die Bürger in fünf Jahren feststellen, dass es
gar nicht wärmer wird und ihnen erst dann klargemacht wird: Es gibt
neben dem CO2 noch ein paar andere wichtige Klimafaktoren, dann
verlieren wir die Akzeptanz für viele energiepolitisch wirklich
notwendige Dinge.
Ist der Treibhauseffekt von CO2 denn völlig
unerheblich?
Nein. Ich sage ganz klar: CO2 ist ein Klimagas. Nur ist es nicht so
stark, wie angenommen.Die gute Nachricht ist: Wir werden die zwei
Grad nicht erreichen. Der steile Anstieg der letzten 30 Jahre ist
falsch fortgeschrieben worden, weil man die Sonne und die
ozeanischen Zyklen weggelassen hat. Doch wir dürfen das Thema CO2
nicht völlig an den Rand rücken. Ein Grad Erwärmung ist auch ganz
schön viel. Die Sonne gibt uns jedoch ein bisschen Zeit, die
Energiewende vernünftig zu gestalten. Im Augenblick wird die
Debatte besonders in Deutschland von Angst bestimmt. Wir wollen CO2
um jeden Preis reduzieren – koste es was es wolle. Dafür
importieren wir Weizen aus Ländern, die ihn viel dringender
bräuchten, weil wir aus unserem Weizen Biosprit machen – übrigens
mit fragwürdigen CO2-Bilanzen. Aus purer Panik beschädigen wir
unseren Standort und verheizen Geld, das wir möglicherweise hätten
besser woanders investieren können.
Sie kritisieren vorwiegend den Weltklimarat. Was glauben
Sie, ist die Motivation die Rolle des CO2 so hochzuhalten, wie Sie
sagen?
Man muss zwei Dinge unterscheiden: Da sind die vielen
Wissenschaftler weltweit, die eine saubere Arbeit machen. Auf der
anderen Seite ist der ICCP-Bericht: eine Synthese aus 18.000
Arbeiten. Liest man die Langfassung, finden sich auch die Ansätze
vieler CO2- Skeptiker. Im Kurzbericht sind diese kritischen Stimmen
aber plötzlich verschwunden.
Wie erklären Sie sich das?
Nun das UN-Sekretariat wird von Staaten besetzt. Da sind auch
Delegierte aus Madagaskar, dem Sudan, Iran, Kuba und China. Das
UN-Sekretariat bestimmt die Hauptautoren der Klimaberichte. Einige
Staaten haben kein Interesse daran, die Rolle des CO2 zu
relativieren. Schließlich geht es beim Emissionshandel um riesige
Milliardentransfers. Schaut man auf die Liste der Autoren, findet
man ausschließlich Klimawissenschaftler, keine Frage. Aber elf
davon haben Verbindungen zu WWF und Greenpeace. Das müsste die UN
doch zumindest kundtun. Es kam aber erst durch Recherchen an
Tageslicht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Greenpeace und WWF
sind wirklich notwendige NGOs. Bei so einem wichtigen Thema sollte
man jedoch absolute Transparenz erwarten können. Man stelle sich
nur vor, da säßen elf Berater von Exon oder BP. Ich will um Gottes
Willen keine Verschwörungstheorien. Ich versuche nur zu
rekonstruieren, wie sich die Interessen bestimmter Staaten
durchgesetzt haben.
Aber was ist mit China? Das Land überholt uns im
nächsten Jahr beim CO2-Ausstoß.
China rückt von der Klägerbank auf die Seite der Angeklagten. Damit
wandelt sich auch die Haltung in Peking. Seit etwa einem Jahr
publizieren die chinesischen Universitäten zunehmend Arbeiten, die
die Rolle des CO2 kritischer bewerten. Das ist nur verständlich.
Denn jedes Jahr, das ins Land geht, verschlechtert die
Verhandlungsposition der Chinesen. Als ich Umweltsenator in Hamburg
war, galt noch: In China hat jeder Einwohner einen CO2-Ausstoß von
rund einer Tonne pro Kopf, wir Deutschen lagen bei etwa zehn
Tonnen. Mittlerweile sind wir auf 8,5 Tonnen heruntergegangen.
Unterdessen sind die Chinesen bei 6,8 Tonnen angelangt – das alles
in nur 15 Jahren.
Sie sprechen damit auf Interessen an. Ist das nicht auch
die Hauptkritik, die man gegen Sie erhebt?
Ich stehe für eine Milliarden Investitionen in erneuerbare Energien
und nicht, wie mir immer wieder unterstellt, wird, für Braunkohle.
Wir werden die Erneuerbaren vor allem brauchen, um die
Verfügbarkeit der Fossilen zu strecken. Wir haben noch 50 Jahre Öl,
100 Jahre Gas und noch etwa 250 Jahre Kohle. 50 Prozent Erneuerbare
halte ich für realistisch. Hingegen sind 80, 90 Prozent technisch
und kostenmäßig kaum vorstellbar. Wenn wir die Verfügbarkeit der
Fossilen strecken können, gewinnen wir Zeit für technische
Innovationen.
An was für Innovationen denken Sie dabei?
Ich bin ein empathischer Anhänger der Kernfusion. Das
Energie-Reservoir der Erde ist nichts weiter als die gespeicherte
Fusionsenergie der Sonne: egal nun ob Biomasse, Öl, Gas, Kohle,
Wind oder schlicht die Wärme der Sonne. Wenn es uns gelingt, dieses
fundamentale Prinzip der Sonne auf die Erde zu holen, dann haben
wir die ultimative Energieform und einen Schlüssel für Prosperität
und Nachhaltigkeit.
Aber nicht, dass wir uns dabei die Finger
verbrennen.
Wer die Energiefrage löst, ohne dass das Klima, die Natur oder der
Mensch daran Schaden nimmt, der kann die größten Probleme der
Menschheit lösen.
Das klingt wie die Suche nach dem berühmten Perpetuum
Mobile.
Nein, wie die Suche nach Fortschritt, der das Wohl der Menschen und
der Natur versöhnt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Foto: picture alliance
Das Interview führte Peter Knobloch
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