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(Picture Alliance) Wie bezahlt man denn nun für Kultur, wenn sie zum virtuellen Gut wird?

Finanzmodelle für Kunst im Netz - Und wo zahl' ich jetzt?

Kunst kostet, darüber sind sich auch im Internetzeitalter inzwischen fast alle einig. Aber wer muss zahlen, an wen und wie? Welche Finanzierungsmodelle sind derzeit im Gespräch, die sowohl Urhebern, Nutzern als auch Verwertern gleich gerecht werden?

Manchmal gehen gut gemeinte Vorschläge über das Ziel hinaus. Nicht anders war es, als die FDP den Medienrechtler Rolf Schwartmann beauftragte, ein Modell zu entwickeln, welches Künstlern ermöglicht, auch im digitalen Zeitalter Geld zu verdienen.

Was er dann unter dem „vorgerichtlichen Mitwirkungsmodell“, besser bekannt als „Two-Strikes“, vorstellte, war dann doch etwas zu viel des Guten: Das Modell sah vor, das Onlineverhalten aller Internetnutzer innerhalb Deutschlands zu überwachen. Wird man bei einer illegalen Tat im Netz erwischt, so sollen IP-Adresse und Name erforscht werden –es folgt eine Verwarnung. Beim zweiten Verstoß drohen empfindliche Geldstrafen und Gerichtsverfahren.

In Frankreich ist das etwas radikalere „Three-Strikes“-Verfahren unter dem Namen „Hadopi“ bereits bekannt: Nach dem dritten Verweis wird dem Nutzer der Internetzugang gesperrt . Kurz nachdem „Hadopi“ an den Start ging, konnte bei der Nutzung von Peer-to-Peer-Netzwerken ein Rückgang um 31 Prozent verzeichnet werden. Gleichzeitig stieg allerdings auch die Nutzung von Filehostern. Das lässt darauf schließen, dass Urheberrechtsverletzungen nicht weniger geworden sind, sondern stattdessen einfach an anderen Orten im Internet stattfinden. Frankreichs neuer Präsident François Hollande möchte diese Regelung jetzt auch wieder abschaffen.

Mit dem deutschen Datenschutzsystem wäre dieses Modell laut Urheberrechtsexperte Thomas Hoeren nicht vereinbar. Das Ermitteln der persönlichen Daten wäre ein enormer Eingriff in die Grundrechte. „Beim Warnhinweismodell müssten alle Geschäftsbedingungen komplett verändert werden. Der Vorschlag steht in keiner politischen Diskussion mehr ernsthaft zur Debatte. Das Thema ist eigentlich tot“, resümiert Hoeren.

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Wie aber könnten kreative Inhalte im Netz legal – und fair – gesichert werden? Als großer Hoffnungsträger gilt die „Kulturflatrate“. Vergleichbar wäre dieses Modell mit einer Telefonflatrate oder den GEZ-Gebühren. Mit einer solchen monatlichen Flatrate dürfte der Computerbesitzer ganz legal und unbegrenzt Daten herunter laden. Zum Monatsende werden die Gebühren dann an die gemeldeten Künstler verteilt. Ex-Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), unterstützt von ihrer Partei, lehnt diesen Vorschlag allerdings ab.

Eine generelle „Zwangsabgabe“ würde zu erheblichen Kosten führen und vor allem diejenigen, welche das Internet nur in geringem Umfang nutzen, belasten, war Zypries‘ Argumentation bei der Vorstellung eines Thesenpapiers in Berlin. Auch ist nicht geklärt, wie diese Einnahmen zwischen Künstlern und Verwertern zu verteilen wären. Der Urheberrechtsexperte Hoeren kritisiert, dass ein dafür passendes Urhebervertragsrecht fehlt, welches vor allem die individuellen Interessen der Künstler im Blick hat. Hoeren hält daher auch Aufrufe wie „Wir sind die Urheber“ für unehrlich: „Da werden die Interessen der Künstler in den Vordergrund geschoben, obwohl diese von dem Gewinn am Ende womöglich gar nicht viel zu sehen bekommen.“ Hoerens Fazit: „Bei uns wird die Kulturflatrate nie funktionieren.“

Eine vage Zukunft räumt er der Kultur-Flatrate allerdings im Bereich der Wissenschaft und Forschung ein. In den Niederlanden hat eine Wissenschaftsflatrate beispielsweise Erfolg. Dort zahlen Studenten monatlich einen geringen Betrag, umdigitale Fachartikel und Bücher für ihre Recherchen zu nutzen. Dagegen fordert die Piratenpartei in ihren „Zehn wichtigsten Punkten zur Urheberrechtdebatte“ die komplett freie Nutzung von Bildungsinhalten.

Lesen Sie auf Seite 2 über Crowdfunding und den Untergang der Discoszene...

Weiterhin geistert der Begriff des sogenannten „Crowdfunding“ durch die Medien. Mit dieser Methode kann der Künstler, unabhängig vom Verwerter, direkt mit dem Nutzer in Kontakt treten. Einige Künstler konnten damit bereits erfolgreich genug Kleinspenden einsammeln, um ein neues Album oder die Produktion eines neuen Filmes finanzieren. So sammelte das deutsche Crowdfunding-Portal startnext.de schon über 812.000 Euro für 224 kreative Projekte. Noch erfolgreicher ist der US-Blog kickstarter.com: Die zwar weltweit wenig bekannte, dafür aber sehr netzaffine Musikerin Amanda Palmer knackte in der vergangenen Woche die eine Millionen-Dollar-Grenze. Beide Portale haben eine Erfolgsquote von rund vierzig Prozent.

Eine andere Möglichkeit, Kreative zu unterstützen, sind „Micropayments“, also Kleinbetragszahlungen. Ein solcher Anbieter ist etwa die schwedische Firma Flattr, deren Dienste die Online-Seite der taz seit zwei Jahren nutzt. Wem ein Artikel gefällt, kann darunter auf den „Spendenknopf“ drücken. Durch diese Zahlmethode finanziert die Zeitung heute etwa eine Redakteursstelle. Einen ähnlichen Social-Payment-Dienst bietet die US-Firma Kachingle an.

Trotz dieser Erfolge übersteigen derzeit oft noch die Kosten für die Zahlung den Wert der Ware selbst. Man müsste ein System entwickeln, mit dem niedrigpreisige Güter wirtschaftlich abgerechnet werden können.

Bis Dato sind es noch die Verwerter, allen voran die GEMA, welche die Nutzer im Sinne der Urheber zur Kasse bitten. Sie vertreten die Nutzungsrechte ihrer unter Vertrag stehenden Künstler gegen festgelegte Prozentsätze und sorgen dafür, dass Künstler für die öffentliche Nutzung ihrer Werke angemessen entlohnt werden. Verwerter-Gebühren fallen für Nutzer zum Beispiel beim Kauf einer CD an oder, wenn Radiosender, Clubs oder Veranstalter geschützte Musik abspielen wollen. Weitere Einkommensquellen der GEMA wären Zusatzgebühren auf CD- Rohlinge, USB-Sticks oder Speicherkarten.

Um den Schaden der Internetpiraterie zu begleichen, erhöht die GEMA ihre Gebühren in letzter Zeit zunehmend, allein Konzertgebühren sind um mehr als 600 Prozent gestiegen. Club-Tarife sollen ab 2013 um ganze 2.000 Prozent erhöht werden und bedrohen somit die Existenz deutscher Diskotheken und Kneipen.

Denjenigen, welche beim illegalen Herunterladen geistigen Eigentums erwischt werden, drohen mitunter vierstellige Geldstrafen. Derzeit werden in Deutschland jährlich bis zu 700.000 Abmahnungen verschickt. Laut Constanze Kurz vom Chaos Computer Club hat die sogenannte Abmahnindustrie 2011 bereits über 190 Millionen Euro eingenommen. Die Wut der Nutzer richtet sich fälschlicherweise gegen die Künstler, die von den hohen Mahngebühren meist weder etwas wissen noch etwas davon abbekommen.

Eine tragfähige Lösung gebe es derzeit nicht, glaubt der Urheberrechtsexperte Hoeren. Fest steht, es braucht ein Finanzierungsmodell, das eine faire Balance der drei involvierten Parteien verspricht. Notwendig sind hochwertige und benutzerfreundliche Bezahlmodelle, sowie neue Plattformen, welche mit dem Standard der illegalen Videotheken mithalten können und zum Konsum verlocken.

Denn der Künstler will zwar bezahlt, vor allem aber auch gehört, gesehen und gelesen werden.

Hinweis: In einer früheren Version des Textes war Zypries einer anderen Partei zugeordnet worden. Dieser Fehler wurde korrigiert

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