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(picture alliance) Lasiv, lasziver – Marilyn

Von Monroe bis Wainwright - Out of the Game

Erfolg macht nicht glücklich, er macht einen nur für eine Weile schön in den Augen der anderen. In seiner Samstagskolumne empfiehlt Daniel Schreiber den Film „My Week with Marilyn“ und das neue Album von Rufus Wainwright

Bei einem Dinner im Pauly-Saal der jüdischen Mädchenschule in der vergangenen Woche, das die Galerie Sprüth Magers und der Verein der Freunde der Nationalgalerie zu Ehren des Künstlers Anthony McCall gaben, saß ich an einem Tisch mit Cyprien Gaillard und Joachim Bessing. Gesetzte Essen sind ja immer ein bisschen wie Russisches Roulette, der falsche Sitznachbar kann einem den ganzen Abend ruinieren. Zum Glück saßen noch ein paar Freunde mit am Tisch, denn hätte ich nur mit Herrn Bessing gegessen, den ich einmal sehr verehrt habe – wer kann sonst über Stil schreiben, als sei dieser eine lebenswichtige Angelegenheit? – wäre ich sicherlich wahnsinnig geworden.

Auf die eigentlich nett gemeinte Frage einer Kollegin, woran er gerade arbeite, antwortete Bessing barsch und zusammenhangslos, dass er auch ein Schriftsteller sei, wenn er gerade keine Bücher schreibe. Gaillard hingegen, der im vergangenen Jahr fast alle Kunstpreise gewonnen hat, die man gewinnen kann, und dessen Werk im Dezember im MoMA-Ableger P.S.1 in New York mit einer Einzelschau goutiert wird, antwortete auf die gleiche Frage, dass er zwar in Berlin berühmt sei, aber dass die Eroberung Amerikas noch auf ihn warte.

Erfolg macht nicht zufrieden, glaube ich, er macht einen nur eine Weile lang schön in den Augen der anderen. Und hat man ihn einmal, muss immer nachgelegt werden, sonst setzt irgendwann einmal bitterste Verbitterung ein.

Viele meiner Freunde denken zurzeit über Erfolg nach, wie immer er aussehen mag. Wahrscheinlich hat das mit dem Alter zu tun. Mitte dreißig sind viele Weichen einfach schon gestellt. Man realisiert etwa, dass es nun tatsächlich schon zu spät ist, ein Model zu werden – erst recht, wenn man das vorher nie wollte. Einige der zielstrebigeren Freunde und Bekannten haben sich, während man damit beschäftigt war, sich selbst zu finden, zudem zu Starautoren, wichtigen Künstlern oder Chefredakteuren entwickelt.

Ich persönlich glaube ja, dass es einem gut tun kann, nicht in die Ränge der erfolgreichen Bekannten aufzusteigen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es dort oben besonders entspannt ist. Und dass man bisher nicht alles dran gesetzt hat, dorthin zu kommen, heißt ja auch etwas. Das erste Lied auf Rufus Wainwrights neuem, wirklich großartigem Album, dass Sie sich am besten sofort downloaden und das ganze Wochenende hören sollten, heißt „Out of the game“. Der Song könnte zum Soundtrack einer ganzen Generation werden, irgendwo zwischen zartem Poptenor-Schwulst und der Gelassenheit eines Country-Gitarrensolos: „I’m out of the game. I’ve been out for a long time now.“ 

Daran musste ich auch denken, als ich mir die kleine Independent-Produktion „My Week with Marilyn“ anschaute, die diese Woche in die Kinos kam. Michelle Williams spielt darin Marilyn Monroe und versucht kein bisschen, wie die Ikone zu sein, was wahnsinnig schön anzusehen ist. Die Handlung: Die psychisch angeschlagene, alkoholkranke Monroe, die berühmteste Schauspielerin der Welt, kommt Ende Juni 1956 mit einer ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesenden Entourage nach London, um mit Laurence Olivier, dem berühmtesten Schauspieler der Welt, die Komödie „Der Prinz und die Tänzerin“ zu drehen.

Weil die Schauspielerin so unzuverlässig ist und Olivier, der auch Regie führt, überhaupt nicht mit ihr zurechtkommt, droht der Film mehrere Male zu platzen. Colin Clark, ein junger Regieassistent, ist der einzige, der einen Zugang zu Monroe hat. Natürlich beginnt er eine kurze, heftige Liebesaffäre mit dem Star und lässt sich von ihr das Herz brechen. Die Geschichte wird aus Clarks Perspektive erzählt, auf dessen Memoiren der Film beruht.

Er hatte sie Jahre, nachdem alle Beteiligten gestorben waren, aufgeschrieben. Ob die Ereignisse sich so zugetragen haben, weiß man also nicht – aber es ist eine schöne Geschichte. Vor allem weil sie den Zuschauern Monroe auf ganz berührende Weise nahebringt. Michelle Williams spielt sie mit großer Zärtlichkeit, als ein wunderschönes, von Ängsten zerfressenes Geschöpf, das sich im permanenten psychischen Ausnahmezustand befindet und das trotzdem liebt, dem trotzdem Großes gelingt.

Als Marilyn Monroe „Der Prinz und die Tänzerin“ drehte, war sie gerade dreißig geworden, hatte ihren dritten Ehemann, den neun Jahre älteren Dramatiker Arthur Miller, geheiratet und einige der erfolgreichsten Filme der Kinogeschichte gedreht, darunter Billy Wilders „The Seven Year Itch“ und Howard Hawks‘ „Gentlemen Prefer Blondes“. Sie hatte unzählige Titelseiten geschmückt, fast jeder auf der Welt wusste, wer sie war.

Trotzdem stand alles auf dem Spiel, als sie in London ankam. Weil sie ihr die Produktionsfirma Twentieth Century Fox teils lächerliche Gagen bezahlte – sie bekam 18.000 US-Dollar für ihre Rolle in „Gentlemen Prefer Blondes“ – hatte sie ein halbes Jahr zuvor die Produktionsfirma Marilyn Monroe Inc. gegründet. Der Laurence-Olivier-Film stellte das erste Projekt der Firma dar. Sie sehnte sich danach, Mutter zu werden und nach ihren beiden gescheiterten Ehen mit Miller die Familie aufzubauen, die sie selbst nie hatte.

Während der Dreharbeiten stieß sie auf ein Tagebuch ihres Mannes und las darin, dass dieser sich manchmal für ihr Verhalten schämt und nicht weiß, ob er sie wirklich lieben kann. Und trotz all ihres Erfolges, trotz all ihres Ruhms konnte sie nie daran glauben, dass sie wirklich eine gute Schauspielerin war. „Immer, wenn mich jemand lobt“, schrieb sie damals in ihr Tagebuch, „habe ich das Gefühl, dass das in gewisser Weise schlimmer ist – dass das Ganze ein Versehen war.“    

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