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Der Politologe und Historiker Achile Mbembe

Initiative GG 5.3 Weltoffenheit - Mehr Gespräch wagen

Namhafte deutsche Kulturinstitutionen warnen vor einer Einschränkung der Debatten über Antisemitismus. In einem öffentlichen Plädoyer kritisierten sie den BDS-Beschluss des Deutschen Bundestages sowie die Kritik an Achille Mbembe. Sie befürchten einen Verlust von Meinungsfreiheit.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Die offene Gesellschaft erobert sich ihren Debattenraum zurück. Nachdem der Deutsche Bundestag im Mai 2019 einem Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen zugestimmt hatte, der die Bundesregierung dazu auffordert, die transnationale Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) zu verurteilen und Veranstaltungen der als antisemitisch eingestuften Bewegung oder verbundener Gruppen nicht zu unterstützen, flammte besonders in Teilen der Kulturszene Widerspruch auf. 

War diese Einstufung von BDS als antisemitisch gänzlich gerechtfertigt? Sollte mit der Verurteilung der Kampagne nicht vielleicht sogar die Kritik an der gegenwärtigen Politik der Regierung Netanjahu oder an der anhaltenden Strategie des israelischen Siedlungsbaus unterbunden werden? Und wurden hier nicht wieder einmal Antisemitismus und Israelkritik miteinander kurzgeschlossen, wie dies etwa auch schon in den 90er-Jahren in den Auseinandersetzungen um die sogenannten „Neuen Historiker“ um Tom Segev oder Benny Morris geschehen war?

Die Kontrovers um Felix Klein

Plötzlich jedenfalls standen Fragen im Raum. Fragen, die dann noch dringlicher wurden, als im Mai diesen Jahres Felix Klein, der erste von der Bundesregierung eingesetzte Beauftragte „für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus“, dem kamerunischen Postkolonialismusforscher Achille Mbembe „antisemitische Äußerungen“ unterstellt hatte. Einer der namhaftesten Politologen des afrikanischen Kontinents, der eigentlich eingeladen war, die Ruhrtriennale 2020 zu eröffnen, hatte in einem seiner Bücher dem Staat Israel unter anderem eine „Apartheitspolitik gegenüber den Palästinensern" nachgesagt. Klein, der die Debatte um die Geschichte des Staates Israel vor allem aus deutscher Perspektive beurteilte, sah darin eine „Dämonisierung“ Israels, ja eine „Relativierung des Holocausts“.

Manch einem wurde da die zumindest gefühlte staatliche Oberaufsicht über einen doch eigentlich frei zu führenden Diskurs zu viel. Zunächst hagelte es Kritik von namhaften Intellektuellen wie Jan und Aleida Assmann, Wolfgang Reinhard und Susan Neiman, später reihten sich auch vermehrt internationale Stimmen in den Chor der Kritiker mit ein. Mit scharfen Worten forderten sie im Frühjahr Innenminister Seehofer in einem offenen Brief dazu auf, Felix Klein zu entlassen.

Eine offene Kontroverse

Es war der bisherige Höhepunkt einer Debatte, die mehr und mehr aus dem Ruder lief und in der man ex cathedra zu definieren versuchte, was zunächst und vor allem auf die Podien der Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen gehörte. Denn hatte nicht vor Jahren noch die offene Gesellschaft derlei Debatten vornehmlich unter sich ausgemacht? Erwähnt sei etwa nur der Streit um Martin Walsers „Friedenspreis-Rede“ in der Frankfurter Paulskirche, die Diskussionen um John Mearheimers umstrittenes Buch „Die Israel-Lobby“ oder die hitzige Debatte um Daniel Goldhagens „gewöhnliche Täter“.

In der Regel wurden diese Kontroversen breit, offen und mit mehr oder minder großem Respekt vor der anderen Meinung geführt. Da mochte sich gelegentlich auch ein amtierender Kulturstaatsminister oder ein anderes gesalbtes Haupt mit in die Debatte werfen; am Ende aber ging es vor allem um den Streit selbst. Im Vertrauen auf den dialektischen Erkenntnisprozess hat er die deutsche Gesellschaft nach 1945 in weiten Teilen sensibler, toleranter und auch offener gegenüber der eigenen Vergangenheit inklusive der Geschichte und Gegenwart des jüdischen Lebens gemacht. Da brauchte es keine Bundstagsbeschlüsse und keine Vorgaben jenseits des rechtlichen Rahmens. Man vertraute der Freiheit von Kultur und Wissenschaft, wie sie in Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert ist.

Die Initiative GG 5.3 Weltoffenheit

Die Erinnerung an diesen einstmals vielleicht offeneren Diskursraum scheint nun auch ein breites Bündnis aus Leiterinnen und Leitern deutscher Kultureinrichtungen übermannt zu haben. Etwas mehr als 30 von ihnen, darunter die Direktoren von Goethe Institut, Berliner Festspiele, der Stiftung Humboldt Forum, dem Haus der Kulturen der Welt sowie der Kulturstiftung des Bundes haben sich nun in der „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ zusammengeschlossen, um ihre „Kompetenzen und Kräfte [zu] bündeln“ und um sich so „für die Verteidigung eines Klimas der Vielstimmigkeit, der kritischen Reflexion und der Anerkennung von Differenz einzusetzen.“ Dieses offene Klima nämlich, so heißt es in einem gestern von der Initiative vorgestellten Plädoyer, sei besonders bei der Debatte um Achille Mbembe und bei dem Beschluss des Deutschen Bundestages  zur Kampagne BDS bedroht gewesen.

„Nähmen wir als Wissenschaftseinrichtung diesen Beschluss wörtlich“, so etwa die Historikerin und Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs Barbara Stollberg-Rilinger während der gestrigen Vorstellung des gemeinsamen Plädoyers auf einer Pressekonferenz im Deutschen Theater, „dann könnten wir viele jüdische und palästinensisch-israelische Wissenschaftler nicht mehr einladen, die etwa gegen Menschenrechtsverletzungen ihrer eigenen Regierung Stellung nehmen.“

Ein Plädoyer für Multiperspektivität

Es sei, so heißt es in dem zeitgleich zur Pressekonferenz veröffentlichten Papier weiter, unproduktiv und für eine demokratische Öffentlichkeit abträglich, wenn wichtige lokale und internationale Stimmen aus dem kritischen Dialog ausgegrenzt würden. Die historische Verantwortung Deutschlands dürfe nicht dazu führen, andere historische Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung moralisch oder politisch pauschal zu delegitimieren. Konfrontation und Auseinandersetzung damit müssten gerade in öffentlich geförderten Kultur- und Diskursräumen möglich sein.

Es geht in diesem Papier also um nicht weniger als um die Grundlage von Kultur und Wissenschaft: Um vorurteilsfreie Multiperspektivität und um die Freiheit des Wortes. Sie, so mahnten die Unterzeichner, seien die Grundlage, welche es den Künsten und Wissenschaften erlaube, ihre ureigene Funktion weiterhin auszuüben: die der kritischen Reflexion der gesellschaftlichen Ordnungen und der Öffnung für alternative Weltentwürfe.

Das unaufhörliche Gespräch

Das Papier liegt also vor, nun darf gestritten werden –  frei, respektvoll, weltoffen. Denn gerade die globale Perspektive auf Antisemitismus und auf die weltweite Erfahrung von Diskriminierung wird den Diskurs der Zukunft nicht nur erweitern, sie wird ihn maßgeblich mitbestimmen. Man darf der Initiative GG 5.3 Weltoffenheit also dankbar sein, dass sie aus dem oft einengenden Gespräch übereinander wieder ein diskursiveres Miteinander machen will.

Auch wenn die Unterzeichner dieses Plädoyers beileibe nicht die einzigen sind, die in den vergangenen Monaten eine Beschränkung der Meinungsfreiheit festgestellt haben wollen, hier geht es noch um etwas anderes: Es geht um die notwendige Unterbindung einer spezifisch deutschen Nabelschau, die der Philosoph Hermann Lübbe einmal den „deutschen Sündenstolz" genannt hat. Die Frage nämlich nach dem Antisemitismus gehört in das unaufhörliche Gespräch der Gesellschaften. Von keinem Parlament und keinem politischen Beamten wird sie letztgültig beantwortet werden schon gar nicht von einem deutschen.

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Bernd Muhlack | Fr., 11. Dezember 2020 - 17:09

Es wird hier bei uns in D immer ...

Gestern war auf WELT-online ebenfalls ein Kommentar/Meinung zu diesem Thema; ich denke ich darf das linken?"
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article222235952/Theater-gegen-B…

Der Artikel ist (noch) frei verfügbar.

Ich hatte dazu natürlich meinen Senf abgegeben und siehe da, ein erhebliches positives Echo, diese Herzilein nehme ich schlicht zur Kenntnis, ich bin ja nicht der dritte Wildecker Herzbube!
Hauptsache mein Kommentar "ging durch".

Mein Posting:
"Ist heute Abend nicht der Beginn von Chanukka, das jüdische Lichterfest? Ich bin mir nicht sicher, ich rufe nachher einen guten Kumpel an, sein Freund ist jüdischen Glaubens."

Damals Geschichte-LK; ein Schwerpunkt der HOLOCAUST; in Polen/Auschwitz waren wir auch.

Man darf in Berlin die israelische Flagge verbrennen, man darf jüdische Schüler "jagen" etc.

Es ist Chanukka!
Shalom Israel sowie unseren jüdischen Mitbürgern!

Romuald Veselic | Fr., 11. Dezember 2020 - 17:43

man Ausdrucke, die dem 3-Reich-Vokabular ähneln, besser auszulassen wären, so, wie Lügenpresse/Judensau aktuell kolportiert werden. Das Problem an der Israel "Kritik" ist, dass die Kritiker, sich in der Einseitigkeit gegenseitig überbieten.
Als Gegenargument stelle ich die Todesstrafe auf den selbst verwalteten Palästinagebieten, wie Gaza, für Delikte, die feudaler Willkür aus dem tiefsten Mittelalter gleichen. Dies sollte man auch intensiv thematisieren.
Ich kenne keinen medialen Israel "Kritiker", der mit gleicher Vehemenz auch den Iran, Sau DiArabien oder den anatolischen Nosferatu kritisiert, auf einer breiten politischen Bühne. Wenn Land A die Apartheidähnliche Politik betreibt, was ist dann mit Land B nebenan, wo religiöser Apartheid an Nativen/Ethnischen/Religiösen Minderheiten oder geschlechtlichen Mehrheit zum guten Ton u. Alltag gehört. Was ist mit religiösen Polizei? Religiöse Polizei ist der Inbegriff des gemeinsten Faschismus.

'... Die Logik des Boykotts, die die BDS-Resolution des Bundestages (--- nicht der Israel-Boykott durch die BDS-Bewegung selber ! --- ) ausgelöst hat, halten wir für gefährlich. ...'
'Wichtige Stimmen' (die der Boykotteure !) würden so aus dem 'kritischen Dialog ausgegrenzt'.
So ein Juden-Boykott ist also Teil und Sonder-Form eines 'kritischen Dialogs'.
Eine solche Unverfrorenheit erinnert mich an Propaganda eines Goebbels!

Eine Antwort erteilen die 'Salon-Kolumnisten', zu denen auch die von mir geschätzte Cicero-Autorin Sevinc-Basad gehört.
https://www.salonkolumnisten.com/darfs-noch-ein-bisschen-antisemitismus…

'... Wenn deutsche Intellektuelle den Notstand ausrufen, weil sie die Meinungsfreiheit und den freien Diskurs gefährdet sehen, dann geht es um Israel. ...
In Wirklichkeit geht es darum,
'... auch in Zukunft Steuergeld für die Unterstützung von Organisationen und Projekten auszugeben, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen. ...'

Helmut Bachmann | Fr., 11. Dezember 2020 - 18:36

Bei BDS geht es nicht um Meinung, sondern um das Ziel des Boykotts eines Staates. Diese „Bewegung“ ist eindeutig antisemitisch, denn sie richtet sich pauschal gegen alle Israelis. So etwas wegzulassen, macht den Artikel mehr als schwach. Er hat ein Geschmäckle.

Markus Michaelis | Sa., 12. Dezember 2020 - 14:04

Antwort auf von Helmut Bachmann

Ja, BDS richtet sich gegen einen Staat - eigentlich sogar gegen eine Gruppe, weil es von der Idee her auch alle ausländischen Aktivitäten einschränken will, die dem Staat Israel nützen. Nur sehen es zig oder auch hunderte Millionen so, dass Israel das Volk der Palästinenser unterjocht und der Freiheit beraubt. Aus der Sicht geht es nicht gegen Israel, sondern für die Palästinenser. Im UN-Menschenrechtsrat hat Israel mehr Verurteilungen als alle anderen Länder zusammen - ein Hinweis darauf, dass eine "weltoffene" Diskussion zu einer Verurteilung Israels führen könnte. Andererseits kooperieren sehr viele Länder mit Israel.

In D haben wir die Idee, dass wir diskutieren und sich dahinter dann eine universelle Wahrheit für alle herausschält. Das ist aber Theorie und ein bestimmtes Weltbild. Zuerstmal ist Offenheit in der Praxis die Sicht der Mehrheit. Letzte Argumente für die absolute Richtigkeit eines Standpunktes gibt es nicht - Standpunkte sind Entscheidungen, eine (un)bewusste Wahl.

Jacqueline Gafner | Sa., 12. Dezember 2020 - 18:31

Antwort auf von Helmut Bachmann

doch "linker" Antisemitismus ist scheinbar annehmbarer als "rechter", aus welchen Gründen auch immer. Wer das nicht sieht bzw. nicht sehen will, muss damit leben, dass man ihn (oder sie) in derselben ideologischen Ecke verortet, und sei es nur als "Passivmitglied" einschlägig ausgerichteter Organisationen oder Bewegungen.

Armin Latell | Fr., 11. Dezember 2020 - 19:04

klingt wie die Phrase „ein breites Bündnis aus...hat gegen...demonstriert. Eine Seite ein und der selben Medaille-nichts weiter als eine extrem laute Gruppe von extrem einseitigen Propagandisten. Dass der Großteil der sogenannten Kulturschaffenden dazugehört, verwundert nicht. Genauso wenig, dass eben genau diese Gruppe dann aufschreit, wenn es gegen ihr Lieblingsklientel geht. Welch ein Heuchlerverein, der da behauptet, sich „für die Verteidigung eines Klimas der Vielstimmigkeit, der kritischen Reflexion und der Anerkennung von Differenz einzusetzen“. Die gleiche Bagage, die „Abweichler“ aus den eigenen Reihen gnadenlos wirtschaftlich und beruflich zerstört. Es geht nicht um Weltoffenheit, sondern nur die eigene Meinung über alle anderen zu stellen.

Markus Michaelis | Fr., 11. Dezember 2020 - 20:14

In dem Artikel kommt oft "offen" vor und ich frage mich schon lange, was eine "offene Gesellschaft", "offenes Klima" etc. sein könnten und wenn ja, was daran gut und was schlecht ist. Wer ist nicht offen?

Ein Blick in die Welt zeigt, dass auch zu heikleren Themen wie dem IS, unserer Verfassung, Menschenrechten, Kindesmissbrauch, Holocaust ein bunter Bedeutungs- und Meinungsmix herrscht, der zumindest die bisherige Deutsche Gesellschaft, bei Offenheit, sofort sprengen würde. Anderen Gesellschaften scheint es mit anderen Themen nicht anders zu gehen. Im Moment scheint mir ein Ausklammern/Neudefinieren aller strittigen Themen ins Nirwana zu führen. Manche meinen dahinter scheint der wahre, universelle Mensch durch - ob es den gibt?

Zum konkreten Fall, würde ich glaube ich nicht Mbembes Sicht haben, aber ein bisher deutscher Standpunkt zu Israel und damit verbundenen Themen wird so in einer offenen Gesellschaft nicht zu halten sein - das scheint mir klar.

Christa Wallau | Fr., 11. Dezember 2020 - 20:36

...ihren Debattenraum zurück."

Mitten in Deutschland??? - Schön wär's!

Da muß aber erst mal der Historiker u. Politologe Achile Mbembe aus Kamerun kommen, damit die deutsche Kulturszene überhaupt wahrnimmt, was in unserem Land schon sehr lange schiefläuft:
Es gibt keine Multiperspektivität u. keine Freiheit des Wortes mehr!
Ja, das ist ein Faktum!!!
Wenn dies jedoch ein Deutscher konstatiert, der evtl. noch der AfD nahesteht, dann fällt man von allen Seiten über ihn her.
Schon lange ist jedem kritischen Menschen in DE klar, daß es eine Art von "deutschem Sündenstolz" gibt, der j e d e sachliche Debatte zu bestimmten Themen unmöglich macht. Einige mutige Historiker u. andere Wissenschaftler haben schon lange dazu aufgerufen, endlich das krankhafte Starren auf die 12 Jahre Nazi-Herrschaft aufzugeben, aber sie erhielten jedesmal heftigsten Gegenwind - aus Politik u.Medien.

Auf die weitere Entwicklung der "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" bin ich nun wirklich mal gespannt...

Dr. Stephan Stachorski | Fr., 11. Dezember 2020 - 21:50

Erstaunlich und bedauerlich, dass der Cicero jetzt Verständnis für linke Salonantisemiten hat.

Werner Baumschlager | Sa., 12. Dezember 2020 - 00:55

Antwort auf von Dr. Stephan St…

...es ginge darum, Rechte, Konservative, Skeptiker aller Art nicht mehr eiskalt aus der Gesellschaft auszugrenzen. Dabei geht es doch nur um mehr Toleranz für linken Antisemitismus. War ja klar.

Robert Müller | Sa., 12. Dezember 2020 - 04:20

Antwort auf von Dr. Stephan St…

Verständnis scheint mir übertrieben zu sein, aber der Artikel zeigt auf, dass linker Antisemitismus offenbar OK ist. Natürlich sehen das alle Antisemiten so, die von rechts, von links, von islamischer Seite und von wem auch sonst noch. Als ob die Kulturinstitutionen ihre Zeit mit Kritik an Israel verbringen müssten, wärend Kritik an den Nachbarländern Israels weitesgehend nicht stattfindet. Weil diese Kritik Nazi wäre. Mich kotzt das alles so an.

Ekkehard Windrich | Sa., 12. Dezember 2020 - 09:17

Antwort auf von Dr. Stephan St…

Sehr geehrter Herr Stachorski,

wahrscheinlich haben Sie, so wie ich selbst, von Herrn Mbembe noch nichts im Original gelesen. Was ich bis jetzt an Zitaten von ihm aufgeschnappt habe, reizt meinen entschiedenen Widerspruch - so weit gebe ich Ihnen recht. Aber hier geht es doch darum, dass ganz allgemein viel zu schnell Personen und Positionen aus dem Diskurs ausgeschlossen werden: nämlich schon VOR einer offenen, gerne auch streitbaren Debatte.

Dazu scheint unsere Gesellschaft immer weniger befähigt zu sein, die Verengung des Diskurses wird ja gerade von rechtskonservativer Seite durchaus zurecht beklagt. Dann darf man aber dieses Spiel auch nicht selbst betreiben, jedenfalls nicht vorschnell und ohne gründliche, faire Auseinandersetzung. Ressentiments lauern immer auf allen Seiten.

Tomas Poth | Fr., 11. Dezember 2020 - 21:52

Eine griffige Formulierung oder vielleicht anders formuliert, "wir" lassen es uns nicht nehmen die schlimmsten gewesen zu sein.
Wobei beim Wir nicht vergessen werden sollte, daß dies in einer Zeit passiert ist die mehr als drei Generationen zurückliegt. Alle Nachkriegsgenerationen sind nicht die "Wir".

Gerhard Leuner | Sa., 12. Dezember 2020 - 01:16

Man sollte wirklich überlegen, das Cicero-Abo gegen eines der NZZ auszutauschen. Aber wahrscheinlich bin ich zu schnell und ein Artikel mit einer Gegenmeinung (also einer etwas fundierteren Betrachtung) ist schon in Arbeit, oder etwa nicht?

Ernst-Günther Konrad | Sa., 12. Dezember 2020 - 08:54

Was ich einigen Politikern und "Experten" vorwerfe ist die Sichtweise, dass das Thema Antisemitismus scheinbar aufgrund unserer gelebten Schuldkultur nur uns zusteht und wir immer bemüht sind, jeden Verdacht eines Antisemitismus zu vermeinden suchen durch Nichtdebatte. Also verlangen wir auch von "Anderen" ohne deutsche Herkunft, dass sie solche Debatten besser bei uns nicht führen. Genau das ist unser Problem. Antisemitismus ist für mich gegen die Religion und ihre Gläubigen zu sein, sie per se deshalb zu verfolgen oder habe ich was nicht verstanden? Für diese Religion stehen Menschen -Juden- die diesen Glauben und ihre Lebensweise angenommen haben. Sie wurden schon lange vor den Nazis bis heute verfolgt und der Holocaust war ein unmenschlicher Höhepunkt von Hass und Vernichtungsgedanken. Antisemitismus ist kein deutsches Problem. Es ist weltweit. Deshalb müssen alle Menschen frei darüber debattieren können mit Anstand und Respekt. Wer Israel kritisiert ist nicht per se ein Antisemit.

gabriele bondzio | Sa., 12. Dezember 2020 - 09:02

und so steht es geschrieben, Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch zu isolieren. Ist das eine Aktion, welche antizionistisch daherkommt. Und auch antisemitisch.
Ein passendes Beispiel finde ich im Buch von Robert Harris , Intrige, das sich in meinem Bücherschrank befindet und die Dreyfus-Affäre in einen Roman fasst.
Ein Kesseltreiben von korrupter Justiz und Geheimdienst , sowie aus Rand und Band geratener Presse im Frankreich 1894, gegen den jüdischen Offizier Dreyfus, wegen Geiheimnisverrat.

gerhard hellriegel | Sa., 12. Dezember 2020 - 09:43

Darf man die Politik Israels kritisieren oder nicht?
Erhält man nur dann Absolution, wenn man vorher die weltweiten Zustände angeprangert hat?
Ist es richtig oder falsch, dass die Teilung Palästinas durch die UN ein kolonialer Akt war oder nicht? Warum hat nicht Deutschland Gebiete für die Juden abgegeben? Um Antwort wird gebeten.

Wolfgang Tröbner | Sa., 12. Dezember 2020 - 11:16

Beschämend für die deutsche Kultur, wenn "namhafte deutsche Kulturinstitutionen" den Schulterschluss mit dem BDS üben. Ausgerechnet dem BDS! Da stellt sich mir schon die Frage, wer in diesem Lande eigentlich antisemitisch ist. Und übrigens, warum muss man einen solchen Artikel im Cicero lesen? Er passt eigentlich viel besser in die TAZ oder das "Neuen Deutschland"

Johannes Renz | Sa., 12. Dezember 2020 - 12:03

...dass ich einem Cicero-Artikel als Ganzes widersprechen muss. BDS wird von unseren Politikern noch viel zu sehr mit Samthandschuhen angefasst. Auch der ev. Kirchentag hat es nicht übers Herz gebracht, diese Linksaußen-Bewegung mit der AfD gleichzustellen und ihre Vertreter pauschal auszuladen. Da wurde eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. Man muss sicherlich nicht alles an der israelischen (Siedlungs-)Politik gut finden, aber dieser demokratisch verfasste Staat wird mit völlig anderem Maß gemessen als alle anderen auf dieser Welt noch existierenden Besatzungsmächte, etwa China oder Russland, die beide keine Demokratien sind. Ginge es rein nach UN-Resolutionen scheint Israel gar der einzige Bösewicht der Welt zu sein. Nachdem sich die Türkei aus den Reihen der Israel-Verbündeten verabschiedet hat gibt es mit anderen islamisch geprägten Staaten wenigstens Ansätze diplomatischer Zusammenarbeit. Da muss der Cicero nun wahrlich nicht in dieses Horn blasen. Dafür reichen schon Taz & Co.