- Wann ist ein Vater ein Vater?
Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Väter sollen sich um die Kinder kümmern, aber sie sollen es machen wie die Mütter. Dabei ist es Zeit für die Frage: Was kann ein Vater besser als die Mutter?
„Lasst Väter Vater sein“. Die Überschrift knallt schon mal. Sie befasse sich mit einer Debatte, die längst überfällig sei, schreibt die Autorin Barbara Streidl, Mitverfasserin des 2008 viel beachteten Werks „Wir Alphamädchen“, Mitbegründerin des feministischen Blogs Mädchenmannschaft und nun Urheberin dieser sogenannten Streitschrift. Die aber kommt zunächst brav daher als ein Sermon über das Glück, Kinder zu haben, über verständnislose Arbeitgeber, den Gender-Pay-Gap, die erkaltete Gesellschaft, welche die Wünsche der Väter nicht anerkenne. Nichts Neues. Dann kritisiert Streidl aber auch jene Frauen, die erwarten, dass er den Kinderjob auf die gleiche Weise ausführt, wie sie es von sich selbst gewohnt ist.
Bereits vor einem knappen Jahrzehnt hat sich der Entwicklungspsychologe Wassilios E. Fthenakis in einer Studie den Facetten der Vaterschaft gewidmet und referierte über die Wandlungen der Vaterrolle in den vergangenen Jahrhunderten. Da muss es verwundern, dass die heutige Debatte um die neuen Väter noch immer im Gewand der 70er Jahre daher kommt.
Während der Vater im 18. Jahrhundert noch in Haus und Hof mit patriarchalischen Strukturen herrschte, ward mit dem Ende bäuerlicher Lebenswelten seine ökonomische Position instabil, schreibt Fthenakis. Mit dem Auslagern seiner Arbeitsstätte löste sich auch sein Einfluss auf die Kindererziehung. Sichtbar wird der Wandel der Vaterrolle vor allem im Scheidungsrecht: Wurden bis ins 19. Jahrhundert die Kinder grundsätzlich ihm zugesprochen, bekam von nun an die Mutter den Zuschlag. In der Nachkriegszeit, so Fthenakis, etablierte sich dann die „Tender Years Doktrin“, nach der die Mutter in ihren elterlichen Kompetenzen dem Vater überlegen sei. Das heutige Vaterbild wiederum speist sich, so klingt es auch bei Streidl an, aus der Anfangszeit des Feminismus, wo auf der einen Seite der androgyne weibliche behütende Typus alles richtig – weil mütterlich – mache und auf der anderen Seite der verantwortungslose Vater seine Familie im Stich ließe oder Gewalt ausübe, konstatiert Fthenakis.
Eine Generation wird faul
So wachsen die Kinder heute im vermeintlich besten Fall in einer empathisch-weich-weiblichen Welt auf. Oder in einer verweichlichten? Das klassische Stadtkind lebt ohne große Pflichten, wenn es nicht gerade einen Meerschweinchenkäfig säubern muss. Es soll sich auf die Schule konzentrieren und Mama macht den Rest. So ähnlich monieren es zumindest gerade Arbeitgeber in Australien. Mitarbeitern, die auf einem Bauernhof groß geworden sind, so formulierte es der Bergbauunternehmer Jack Trenamen aus Queensland, könne man in Sachen Arbeitsethik nichts vormachen. Den Städtern dagegen fehle es an Motivation und der Bereitschaft, „sich die Hände schmutzig zu machen“.
Die amerikanischen Psychologen Jean M. Twenge und Tim Kasser beschreiben die „Generation Me“ ähnlich in ihrem Wunsch, mit wenig Arbeit viel Geld zu verdienen. Auf dem Arbeitsmarkt fielen diese dann dadurch auf, dass ihr jegliche Fähigkeiten zum echten Anpacken fehlten. Der Grund, so die Wissenschaftler: Viele Jugendliche müssten während der Schulzeit nicht mehr arbeiten. Das mache sie dann im späteren Arbeitsleben faul.
Wenn wir also heute über die neuen Väter debattieren, muss auch der Blick in längst vergessene Strukturen erlaubt sein. Nicht alles, was wir Mütter uns in den vergangenen Jahrzehnten angeeignet haben, muss auf Dauer gut sein für unsere Kinder und für ihr späteres Fortkommen. Auch Kinder, die nicht auf einem Bauernhof inmitten all der gelebten Verantwortung groß werden, sollten ein paar Pflichten mit auf den Weg bekommen. Möglicherweise sind die Väter darin besser als die Mütter. Und vielleicht ist dies ein Anreiz für Unternehmen, den Männern mehr Flexibilität und Zeit für ihre Familien zu ermöglichen.
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