- Phönix aus Pekings Asche
Xu Bing schuf zwei gigantische Eisenvögel aus Schrott, die das neue Peking an den Preis seines Reichtums erinnern sollten. Zu sehen aber ist der doppelte Phönix nur in den USA
Die zwei Schrottskulpturen sind rund 30 Meter lang und wiegen zusammen zwölf Tonnen. Gegenwärtig hängen sie in Halle 5 des „Massachusetts Museum of Contemporary Art“, dem MASS MoCA von North Adams, Massachusetts. Der Künstler Xu Bing war von einem chinesischen Immobilieninvestor beauftragt worden, ein monumentales Kunstwerk zu schaffen: zum Schmuck der prächtigen Plaza zwischen den beiden Türmen des China World Trade Center, Tower III. Der Bau steht in Pekings Geschäftsviertel, deren Skyline die großen Namen zeitgenössischer Architektur zitiert.
Den Künstler beeindruckten 2008 beim Ortstermin auf der Baustelle die Arbeits- und Lebensbedingungen der Wanderarbeiter, die hier unter schäbigsten Bedingungen die glitzernden Kolosse ökonomischer und politischer Prachtentfaltung in die Höhe treiben. Xu Bing kam die Idee, diesen Ort mit einem Phönix-Paar zu überhöhen, dem mythischen Vogel der Erneuerung. In der Han-Dynastie, der Zeit unserer hellenistischen Antike, wurde das Fabeltier paarweise dargestellt, weiblich und männlich, als Metapher für den Kreislauf von Yin und Yang.
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XU Bing, 2009.
Foto: Picture Alliance
So wie sich der Phönix selber erneuert, entstand das Kunstwerk aus den Abfällen, aus denen sich die Architektur des Geschäftsviertels geschält hat: den schadhaften Bambusstangen der Baugerüste, gebrauchten Feuerlöschern, Kreissägen, Polierkreisel, Abdeckmaterial aller Art. Kraus gerollte, aufgeschnittene Ölfässer bilden die Hälse, Schutzhelme und Ventilatoren die Federhauben der Königsvögel. Die Schwanzfedern sind aus gelochten Stahlträgern, farbigen Abdeckplanen und Blech zusammenmontiert. Grüne Akkordeonrohre aus Plastik schlängeln sich unter den Monstern und bringen diese gleichsam im Fahrtwind zum Schweben.
Im Halbdunkel glimmen im Schrottgefieder Myriaden kleiner Niedervoltlämpchen wie die Milchstraße am Firmament einer Sommernacht. Die Köpfe und Schnäbel der Riesenvögel werden geformt von Baggerschaufeln mit Bohrkopf, womit das alte Peking abgerissen worden war, um das neue entstehen zu lassen: Phönix aus der Asche. Das Kunstwerk hätte das Handelszentrum Chinas an die Verschleißspuren der Arbeit erinnert, die seinen Glanz ermöglichen.
Diese Aussage zu verkraften, war die Kommission der chinesischen Handelskammer jedoch nicht reif; ihr war die Schrottplastik nicht repräsentativ genug. Der Künstler wurde gebeten, die Vögel in Kristallglas zu gestalten, prunkvoll glitzernd wie die Halle, wofür sie vorgesehen waren. In Gestalt einer monströs gleißenden Chinoiserie wäre die Aussage des Werkes aber korrumpiert worden: dass Kunst ein Kompensationsgeschäft ist, eine symbolische Abfindung an die Opfer der Gesellschaft. Der Phönix heißt im Chinesischen Fenghuang; er gleicht dem Fasan oder Pfau und verkörpert die kaiserlichen Tugenden von Güte, Gerechtigkeit, Anstand und Weisheit. Sich mit solchen Tugenden zu schmücken, hat der zynische Raubtierkapitalismus kommunistischer Prägung nicht verdient.
Xu war 34-jährig, als im Juni 1989 der Volksaufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens niedergeschlagen wurde. Er emigrierte nach New York, von wo aus er seit 2007 wieder ein Atelier auch in Peking unterhält. Nur im transkulturellen Grenzgang ist Kunst in den Schwellenländern möglich. Es ist Ethnozentrismus wider Willen: So global sich das Kunstsystem auch versteht, es ruht auf politischen Wertvorstellungen des Westens. In jedem Kunstwerk ist die Erklärung der Menschenrechte als Kleingedrucktes eingeschrieben. Kunst der Gegenwart kann nur da entstehen, wo das Kapital zur Selbstkritik fähig ist.
Momentan gehört das Skulpturenpaar Barry Lam, einem Computermagnaten aus Taiwan, der das Werk dem MASS MoCA auslieh, damit, so nebenher, seiner Neuerwerbung Markt- und Diskurswert nachgetankt werde. Gegenwartskunst bleibt unterwegs. Die riesigen Holzcontainer, in denen die zwei Phönixe von China nach Massachusetts verschifft wurden, stehen bereit in der Halle 5, selber ein Phönix: Die zur Kunsthalle umgebaute Elektrofabrik hatte in den besten Zeiten mehr als 4000 Arbeiter beschäftigt – bis die Produktion von Elektronik in Billiglohnländer wie China abwanderte. Hier, in einer neuenglischen Industriebrache, hängen jetzt zwei Abfallassemblagen, gefertigt aus Werkzeugen chinesischer Wanderarbeiter, und klagen den Ort ein, für den sie bestimmt waren.
[gallery:Haegue Yang – Installationen]
Diese Aussage zu verkraften, war die Kommission der chinesischen Handelskammer jedoch nicht reif; ihr war die Schrottplastik nicht repräsentativ genug. Der Künstler wurde gebeten, die Vögel in Kristallglas zu gestalten, prunkvoll glitzernd wie die Halle, wofür sie vorgesehen waren. In Gestalt einer monströs gleißenden Chinoiserie wäre die Aussage des Werkes aber korrumpiert worden: dass Kunst ein Kompensationsgeschäft ist, eine symbolische Abfindung an die Opfer der Gesellschaft. Der Phönix heißt im Chinesischen Fenghuang; er gleicht dem Fasan oder Pfau und verkörpert die kaiserlichen Tugenden von Güte, Gerechtigkeit, Anstand und Weisheit. Sich mit solchen Tugenden zu schmücken, hat der zynische Raubtierkapitalismus kommunistischer Prägung nicht verdient.
Xu war 34-jährig, als im Juni 1989 der Volksaufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens niedergeschlagen wurde. Er emigrierte nach New York, von wo aus er seit 2007 wieder ein Atelier auch in Peking unterhält. Nur im transkulturellen Grenzgang ist Kunst in den Schwellenländern möglich. Es ist Ethnozentrismus wider Willen: So global sich das Kunstsystem auch versteht, es ruht auf politischen Wertvorstellungen des Westens. In jedem Kunstwerk ist die Erklärung der Menschenrechte als Kleingedrucktes eingeschrieben. Kunst der Gegenwart kann nur da entstehen, wo das Kapital zur Selbstkritik fähig ist.
Momentan gehört das Skulpturenpaar Barry Lam, einem Computermagnaten aus Taiwan, der das Werk dem MASS MoCA auslieh, damit, so nebenher, seiner Neuerwerbung Markt- und Diskurswert nachgetankt werde. Gegenwartskunst bleibt unterwegs. Die riesigen Holzcontainer, in denen die zwei Phönixe von China nach Massachusetts verschifft wurden, stehen bereit in der Halle 5, selber ein Phönix: Die zur Kunsthalle umgebaute Elektrofabrik hatte in den besten Zeiten mehr als 4000 Arbeiter beschäftigt – bis die Produktion von Elektronik in Billiglohnländer wie China abwanderte. Hier, in einer neuenglischen Industriebrache, hängen jetzt zwei Abfallassemblagen, gefertigt aus Werkzeugen chinesischer Wanderarbeiter, und klagen den Ort ein, für den sie bestimmt waren.
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