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Alltag der Zukunft - Das Klo spielt Doktor

Intelligente Computerassistenten, Abflussrohre, die riechen können, und das Klo sorgt sich um unsere Gesundheit: In der Zukunft ist alles mit jedem vernetzt. Ein Ausflug in den Alltag einer Berlinerin im Jahr 2028

Autoreninfo

Bachelor in Politik- und Kommunikationswissenschaft. Studiert Internationale Beziehungen im dänischen Aarhus.

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Dieser Artikel beschreibt eines von vielen möglichen Szenarien. Wie der Alltag der Zukunft aussehen wird, kann niemand genau vorhersagen. Die Technologie, die im Artikel erwähnt wird, ist aber schon oder sehr bald verfügbar. Die Frage ist, was wir daraus machen.

Leonie Kuhlmann reibt sich vor dem Badezimmerspiegel die Augen. Ihr persönlicher, virtueller Assistent Marius hat sie heute eine halbe Stunde früher geweckt: Wegen eines Feuers in der Nähe ist die S-Bahn-Station gesperrt, von der Leonie üblicherweise zur Arbeit fährt. Marius ist ein Computerprogramm, das Leonies Geräte und Daten verwaltet. Die Nacht hindurch hat er einen Datenstrom aus Nachrichten, Tweets und Statusmeldungen analysiert, die für die 31-Jährige relevant sind. Darunter war gegen 4 Uhr ein Foto vom Feuer an der S-Bahn-Haltestelle, das ein Bekannter Leonies über Twitter geteilt hat. Nachdem Marius die Bildinformation mit Daten von der Berliner Feuerwehr und lokalen Nachrichtenseiten bestätigten konnte, stellte er den Wecker von 6.30 Uhr auf 6 Uhr vor.

Im Badezimmer haucht Leonie gegen den Spiegel. Binnen Sekunden baut sich vor ihr ein Fenster auf, das sie fragt, ob sie die Atemluft-Analyse an Ihren Hausarzt schicken will. Gesundheitsvorsorge ist 2028 einfacher denn je. Auf Wunsch macht sich dabei auch Leonies Toilette nützlich: Sie kann Urin auf Unregelmäßigkeiten hin untersuchen. Ihre Freunde belächeln Leonie dafür – doch der 31-Jährigen ist Gesundheit wichtig und warum sollte sie die Möglichkeiten nicht nutzen, die IT-Unternehmen im Angebot haben?

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Am Frühstückstisch liest die Berlinerin ihre Morgenagenda, die Marius für sie zusammengestellt hat. Das Foto von dem Brand ist natürlich dabei, Schlagzeilen aus Politik und Wirtschaft, Meldungen aus den sozialen Netzwerken und die Tagestermine. Um 9.30 Uhr hat sie ein Team-Treffen mit Kollegen aus Schanghai. Leonie arbeitet für ein Cyber-Security-Unternehmen. Schon vor Jahren ist Sicherheit im Internet zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden, spätestens seit den großen Hacker-Angriffen Ende der 2010er Jahre. Damals hielt zum Beispiel ein niederländischer Hacker Regierungen von Berlin bis Washington in Atem, weil er in unregelmäßigen Abständen die Stromnetze westlicher Hauptstädte lahm legte.

Ihre persönlichen Daten schützt Leonie so gut es geht. Zwar haben sich nach langen Verhandlungen mehr als 110 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zu einem internationalen Datenschutz-Abkommen durchgerungen – doch letztlich bleibt die Verantwortung bei den Nutzern selbst. Einige ihrer weniger technikbewanderten Freunde haben deshalb einen Datenschutzberater engagiert. Der hilft dabei, die Einstellungen ihrer Online-Profile auf den bestmöglichen Schutz hin abzuklopfen und Programme zu installieren, die den Datenfluss in die Cloud eindämmen.

Auch Technikexpertin Leonie kann manchen Innovationen nichts abgewinnen. Heute hat sie auf dem Weg zur Arbeit vergessen, die Lokalisierungsdienste an ihrer Smart Watch zu deaktivieren. Nun zeigt die elektronische Werbetafel an der Bushaltestelle auf sie zugeschnittene Anzeigen: Die Tafel wirbt für ein Buch über Roboterrecht, das gestern Abend auch als Empfehlung bei ihrem Onlinebuchhändler erschienen ist. Rasch kappt Leonie die Datenverbindung ihrer Uhr.

Am Ende der Straße taucht ihr Bus auf. Plötzlich schiebt sich ein Briefumschlag in Leonies Sichtfeld. Per Lidschlag öffnet sie die Textnachricht auf dem rechten Glas ihrer digitalen Brille. Computerassistent Marius fragt, ob er noch Milch und eine Packung Käse beim Lieferanten bestellen soll. Der Kühlschrank meldet, dass beides fast aufgebraucht ist. „Ja, ok - abschicken“, murmelt Leonie im Gedränge vor der Bustür.

Im Büro angekommen, bereitet sich die Cyber-Security-Expertin auf die Konferenz mit den Kollegen vor. Dazu steht sie an ihrer Arbeitsstation, einem bauchhohen Pult, auf das eine virtuelle Tastatur projiziert wird. Drei große, dünne Bildschirme hängen vor dem Pult. „Zeige mir das Protokoll vom letzten Meeting mit den Kollegen aus Schanghai“, ruft sie dem Computer zu. Auf dem mittleren Bildschirm öffnet sich ein Dokument. Links und rechts daneben erscheinen Bilder, E-Mails und Aufgabenlisten. Per Handbewegung wischt sie sich durch das Protokoll, markiert Textstellen und verschiebt Fotos und Nachrichten in den Meetingordner. Ein letzter Wisch, dann geht es in den Konferenzraum.

Dort steht Leonie vor einem mannshohen Bildschirm statt am Konferenztisch zu sitzen. Auf dem Schirm, der dreidimensionale Bilder anzeigen kann, sieht sie den noch leeren Konferenzraum. Kameras zeichnen jede Bewegung Leonies auf. Nach wenigen Minuten stehen dann die drei Kollegen aus Schanghai im Raum. So sieht es zumindest auf dem Monitor vor Leonie aus. Erst vor Kurzem hat die Firma diese 3D-Telekonferenz-Technik angeschafft, nachdem sie in immer mehr Länder expandiert ist. Dreidimensionale Ganzkörper-Bilder ihrer Kollegen sollen die Konferenzteilnehmer vergessen lassen, dass eigentlich Tausende Kilometer zwischen ihnen liegen. Heute geht es um einen Chip, der die Sicherheit von intelligenten Gebäuden verbessern soll. Einen ersten Prototypen wird das chinesische Büro gleich nach Berlin schicken.

Nach der Mittagspause kann Leonie den Chip direkt im firmeneignen 3D-Druckzentrum abholen und ihn einigen Tests unterziehen. Einen Teil der simulierten Hackerangriffe kann der Chip noch nicht abwehren. Der Firmencomputer schlägt direkt einige Änderungen vor, die Leonie in der Projektmappe speichert. Dann macht sie sich auf den Heimweg.

Der dauert heute länger als erwartet. Kanalarbeiter haben eine Straße auf der Busroute gesperrt, um sich um ein Gasleck zu kümmern. Das Abflussrohr unter der Straße hat Alarm geschlagen, weil es mittels Sensor eine ungewöhnlich hohe Gaskonzentration „gerochen“ hat.

Als Leonie endlich nach Hause kommt, stehen in der Lieferbox die Einkäufe – die Milch und der Käse sind auch dabei. Hauscomputer Marius begrüßt sie mit einer neuen Aufgabenliste. Sie muss die Wasserrechnung bezahlen und ein Geburtstagsgeschenk für ihre Mutter besorgen. „Heute Abend bestimmt nicht.“ Leonie versetzt Marius in den Ruhemodus, isst zu Abend und geht eine Runde im Park laufen. Die Smart Watch misst die gelaufenen Meter, überprüft ihren Puls und treibt Leonie mit schnellerer Musik an, wenn sie zu langsam läuft.

Abends spricht Leonie per Videotelefonie mit ihrem Freund Paul. Der arbeitet als Social Media-Manager in Stockholm. Es ist Leonies dritte Fernbeziehung und dieses Mal hat sie das Gefühl, dass es klappen könnte. Zumal er bald nach Berlin ziehen will. Trotzdem wäre jetzt so eine 3D-Telekonferenz-Station ganz schön.

Nachdem sie einige Seiten auf ihrem Tablet gelesen und einen letzen Blick auf den Social Media-Stream geworfen hat, fällt Leonie müde ins Bett. Während sie sich langsam aus der digitalen Welt ausklinkt, fischt Computerassistent Marius für sie weiter fleißig im Datenstrom.

 

 

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