- Der Strahlemann von der HuffPo
Cherno Jobatey war lange im TV-Geschäft, eine richtige Karriere gelang ihm nicht. Jetzt versucht er es bei der Huffington Post - was ihn qualifiziert, weiß niemand
Der Zopf ist schon lange ab, doch er trägt noch immer dieses Perlweiß-Lächeln des Alpha-Teddys, der über jeden Selbstzweifel erhaben ist. Es ist das Markenzeichen von Cherno Jobatey, dem Mann, der mal „Verstehen Sie Spaß?“ moderierte, bevor er plötzlich vom Bildschirm verschwand. Vor einigen Wochen kehrte er plötzlich ins Licht der Öffentlichkeit zurück.
Cherno Jobatey ist das Gesicht der Huffington Post, dem deutschen Ableger einer US-amerikanischen Internet-Zeitung. Als sie Anfang Oktober herauskam, war die Empörung groß.
Es klang ja auch revolutionär, was die Burda-Tochter Focus-Tomorrow GmbH da vorhatte. Schneller und interaktiver als andere Newsportale sollte die HuffPo sein. Eigene Nachrichten mit Links zu anderen Quellen verbinden. Sich mit den Namen prominenter Gastautoren schmücken, ohne deren Beiträge zu bezahlen.
So etwas kam nicht gut an in einem Land, in dem Verleger mit harten Bandagen um ein Leistungsschutzrecht gekämpft haben und sich immer mehr freie Autoren als Tagelöhner durchschlagen müssen. Kritiker beschworen den Ausverkauf des Journalismus.
Es entbehrte nicht der Ironie, dass die Burda-Tochter als so genannten Herausgeber ausgerechnet einen Mann engagiert, der bis dahin als „heiterster Wecker der Nation“ (FAZ) wahrgenommen wurde und nicht als ernstzunehmender Journalist. Einen „Fernsehschmunzler“, so hat ihn die Zeit einmal genannt. Das war nett gesagt.
Die Mir-Doch-Egal-Haltung war schon früher sein Problem
Jobatey ist der Benjamin Blümchen unter den Moderatoren. Ein Dickhäuter, so selbstbewusst, dass selbst seine Turnschuhe der Größe 48 nicht als Metapher für sein Ego ausreichen.
Man hätte ihn gerne persönlich befragt zu seinem neuen Job. Er sei zwar busy, aber gerne bereit, Fragen telefonisch oder per Email zu beantworten, hatte seine Managerin versprochen. Eine E-Mail bleibt dann aber unbeantwortet. Es gibt auch keine Absage. Offenbar hatte er keine Lust, die Frage zu beantworten, was ihn als Herausgeber der HuffPo qualifiziert. Es ist diese Mir-Doch-Egal-Haltung, die ihn schon früher angreifbar gemacht hat.
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Die Flops in seiner Karriere? Vergessen. Es ist ja auch schon eine Weile her, dass er den Begriff Chernobyl geprägt hat. Das war 1999. Jobatey, damals noch Anchorman des ZDF-Morgenmagazins, war zu Gast in der WDR-Show „Zimmer frei“. Die Moderatoren zogen ihn wegen seiner Lese-Rechtschreibschwäche auf. Sie setzten ihm Buchstabensuppe vor und klebten ihm ein Abc-Pflaster auf die Stirn. Sie trafen ihn an seiner empfindlichsten Stelle. Aus Protest verließ er zehn Minuten lang das Studio. Die Sendung landete im Giftschrank.
2003 wurde die Folge dann doch ausgestrahlt. Das Timing war ungünstig. Jobatey hatte gerade seine ARD-Show „Verstehen Sie Spaß?“ an Frank Elstner verloren. Offiziell hieß es, der Sender habe nicht so gewollt wie er. Inoffiziell war es vielleicht auch umgekehrt. Bei Jobatey weiß man das nie so genau.
Für seine Anything-goes-Attitüde wird er ebenso geliebt wie gefürchtet. Vernuschelte Moderationen? Holprig abgelesene Interviewfragen? Jobatey überspielt solche Pannen mit einer Herzlichkeit, die Die Bunte „unverwüstlich" genannt hat. Einem Newcomer verzeiht man solche Patzer, einem 52-Jährigen nicht. Im Januar trennte sich das ZDF-Morgenmagazin von ihrem „Wecker“, nach immerhin zwanzig Jahren. Jobatey werde der Sendung aber als Gesellschaftsreporter erhalten bleiben, hieß es beim ZDF.
Seither liefert er Homestories von Politikern. Joggen mit Sahra Wagenknecht. Kicken mit Volker Kauder. Solche Sachen. Journalistenschüler können dabei einiges lernen. Zum Beispiel, wie man ein Interview nicht führen sollte.
Sich mit vollem Körpereinsatz ranschmeißen. Fragen stellen, die sonst nur Sechsjährige stellen. Mit SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte sich Jobatey zum Grillen verabredet. Ob es eine Regel gäbe, wann man die Wurst wenden müsse, fragte er. „Am besten hingucken“, entgegnete der SPD-Mann trocken.
Ein Aushängeschild für das ZDF ist so einer also nicht. Dabei gilt das „Morgenmagazin“ als Sprungbrett für Nachwuchs-Journalisten. Eigentlich. 1992 hat es Cherno Jobatey mit Maybrit Illner aus der Taufe gehoben. Illner hat es inzwischen zur erfolgreichen ZDF-Polittalkerin gebracht. Andere Kollegen wie Steffen Seibert kamen und gingen, gestern noch Moderator, heute schon Regierungssprecher.
Nur Cherno Jobatey hat den Absprung nicht geschafft. Was vielleicht erklärt, warum er das Angebot der HuffPo annahm und das umstrittene Modell gegen jede Kritik verteidigt.
Blogger wenden sich bereits von der HuffPo ab
Die HuffPo sei wie ein Hybrid-Auto, erklärte er einem Journalisten,der kritisch nachfragte, warum Gastautoren kein Geld bekämen. Die machten das ja nebenbei. Sie würden eben nicht mit Geld, sondern mit Reichweite bezahlt.
Prominente wie Boris Becker oder Uschi Glas, die sich sonst in der Bunten zu Wort melden. Sie promoten ihre neuen Werke künftig selber in der HuffPo. Eine Bühne, die auch Politiker zu schätzen wissen.
Man verstand jetzt, warum sich die ersten Blogger schon wieder schaudernd von der HuffPo abwendeten. Ein wirres Layout, eine beliebige Themen-Auswahl. Eine Bloggerin schrieb, sie sehe aus wie eine Html-Seite, die pickelige 15-Jährige lieblos zusammengestückelt hätten.
Oben die breaking news, frisch geklaut von Agenturen oder Zeitungen, wenn auch mit Quellen-Angabe. Unten leichtere Kost für zwischendurch. Videoclips to go. „Handy nass? So retten Sie Ihr Gerät.“
Das ist also das neue Revier des heitersten Weckers der Nation. Er krönt sie mit briefmarkengroßen Editorials, die so schlicht sind, dass die tägliche Bild-Kolumne eines Franz-Josef Wagner dagegen wie ein Essay erscheint. Ob die Gründerin des Portals, Arianna Huffington, geahnt hat, wem sie ihr jüngstes Baby da anvertraut hat? Immerhin werde er für seine Arbeit bezahlt. Sagt er.
Jobatey verstehe die neue digitale Welt, heißt es bei der Focus-Tomorrow-GmbH. Er sei „ein guter Vermittler für eine breite Zielgruppe“. So kann man das wohl auch formulieren. Vielleicht kann diesen digitalen Gemischtwarenladen nur einer verkaufen, der den Papst sieht, wenn er in den Spiegel schaut.
Eine kostenlose, weil werbefinanzierte Online-Zeitung, die ihre Seiten mit Inhalten dritter Anbieter füllt, hat dieses Geschäftsmodell auch hierzulande Zukunft?
Drei Wochen nach dem Start gibt sich die Tomorrow-Focus Media GmbH optimistisch. Bislang findet man auf der Seite zwar kaum Anzeigen, doch die Buchungen und Umsätze lägen deutlich über den Planungen, beteuert Geschäftsführer Oliver Eckert.
Auch die Zahl der Zugriffe steige an. Schon in der ersten Woche nach dem Start sei die Seite von 200.000 Nutzern besucht worden, jetzt seien es schon fast 250.000 Besucher täglich.
Die Latte liegt hoch. Der deutsche Ableger soll bis 2018 in der Top 5 der größten deutschen NewsPortale spielen. In den USA, wo die HuffPo 2005 als linksliberales Gegengewicht zu konvervativen Medien wie Rupert Murdochs TV-Sender Fox News gestartet ist, erreicht das Portal inzwischen 46 Millionen Leser. 2011 hat der Internet-Riese AOL die „Huffington Post“ für 315 Millionen Dollar gekauft.
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