UN-Generalsekretär António Guterres mit Wladimir Putin beim BRICS-Treffen in Kasan / dpa

BRICS-Gipfel - Das „Ende der Geschichte“ wird verschoben

Für Putin war der BRICS-Gipfel von Kasan ein Erfolg. Er konnte eindrucksvoll demonstrieren, dass er nicht isoliert ist. Es ist wieder einmal deutlich geworden, dass wir tatsächlich in einer zunehmend multipolaren Welt leben. Eine Antwort darauf muss der Westen erst finden.

Autoreninfo

Alfred Schlicht ist promovierter Orientalist und pensionierter Diplomat. 2008 erschien sein Buch „Die Araber und Europa“. Sein Buch „Das Horn von Afrika“ erschien 2021, beide im Kohlhammer-Verlag.

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„Nicht antiwestlich, sondern einfach nicht westlich.“ Auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner hat der indische Premierminister Modi den alternativen Zusammenschluss BRICS genannt, dessen Gipfeltreffen gestern zu Ende ging. Auch der russische Präsident Putin, Initiator der BRICS-Formel und Gastgeber des diesjährigen BRICS-Gipfels in der Wolga-Metropole Kasan, fand gemäßigte Worte: Es gehe vor allem um eine „multipolare Weltordnung“. Diese Entwicklung sei „ein dynamischer und unumkehrbarer Prozess“.

Seit der Bildung einer informellen G4-Gruppe im Jahr 1973 hatte sich im Laufe eines Vierteljahrhunderts eine G7-Gemeinschaft gebildet, der wohlgemerkt nicht die sieben größten Weltwirtschaftsnationen angehörten, sondern die führenden westlichen Wirtschaftsmächte – wirtschaftlich erstrangige Staaten wie China oder Indien blieben außen vor. 1998 wurde Russland zugelassen, eine vor allem politische Geste. Im Zuge sich verschärfender Spannungen zwischen Russland und dem Westen schien es Russland ratsam, eigene Initiativen zu ergreifen und alternative Szenarien zu westlich inspirierten und dominierten Foren zu schaffen – zumal es rein wirtschaftlich im G7-Kontext keine Hauptrolle spielen konnte. 

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Markus Michaelis | Fr., 25. Oktober 2024 - 13:36

ja, und dazu muss er erstmal wieder realistisch seinen Platz in der Welt finden. Das BRICS-Treffen ist ein guter und wichtiger Anlass realistischer auf die Welt zu blicken - gerade auch in der breiten Bevölkerung, deren Welt- und Menschenbild letztlich den Prägeraum bilden, in dessen Rahmen die machbare Politik eingefasst ist.

Es ist sehr gut, dass auch der ÖRR (meiner Wahrnehmung nach) halbwegs realistisch über Kasan berichtet hat. Das sehe ich als eine gewissen Schwenk, weil man im ÖRR eher noch lange versucht hat alte Weltbilder aufrecht zu erhalten - die eher so gingen, dass "Wir" die regelbasierte Weltordnung und universelle Menschheitswerte verträten und mit den meisten Akteuren der Welt zusammen gegen einige Bösewichte kämpfen. Wir scheinen jetzt etwas mehr die Vielfalt in der Welt wahrzunehmen.

Meine Wahrnehmung:
Das ZDF ist ehrlich wenn es meint: bloß nicht hier im Westen ein "BRICS-Versteher" werden. Dem Westler muss klar sein – das Bündnis des Globalen Südens ist etwas, das gegen uns gerichtet ist und es gefährdet unser bisheriges Wohl. Das ZDF hält treffend fest: Das Bündnis ist gegen die Dominanz des Westens ausgerichtet und "steht damit dem westlichen Bündnis der G7 gegenüber", was Letzteres in allen Parametern von wirtschaftlicher Kraft bis Bevölkerungsstärke klein erscheinen lässt. Aber es wird unterschlagen: Es ist nicht gegen den Westen als solchen gerichtet, wie Putin in seinen Reden beim Treffen betont hat, sondern gegen die Dominanz des Westens mit seinen Modellen für das gesellschaftliche Leben. Das Problem ist nur: Wenn der Westen nicht dominiert, ist er in seinem Selbstverständnis kein Westen mehr, zumindest nicht das, was ihn die letzten 500 Jahre ausgemacht hat. Also hier wird der Gegner von vornherein ausgemacht; unser Selbstverständnis hat eures zu sein.

und die werden mehr als früher wahrgenommen - auch wenn man natürlich (noch?) Dinge unter den Tisch fallen lässt. Das Ziel ist aber auch nicht die einige Weltsicht - es geht nur darum die Welt und den eigenen Platz darin etwas realistischer zu diskutieren. Ein neues westliches Selbstverständnis müssen wir erst finden - es ist auch nicht klar, welche Länder die nächsten Schhritte zusammen gehen werden und welche eher auseinanderdriften werden.

Hans Jürgen Wienroth | Fr., 25. Oktober 2024 - 14:13

Der Westen und mit ihnen vor allem die USA sind nicht mehr Vorbild und Polizei der Welt. Man gibt sich moralisch, will die Welt mit Geld (das immer mehr fehlt) von dem Segen der Demokratie überzeugen. Dabei geht man immer undemokratischer vor, weil es immer weniger gelingt, Autokraten mit Geld zu kaufen.
Mit der Monstranz der Moral vor sich, die sich auch in Belehrung der Autokraten und Diktatoren äußert, versucht man diese Länder „zu kaufen“.
Mit dieser Moral wird jedoch jede Auseinandersetzung zum Problem. Darf man sich noch wehren, wie weit darf man gehen? Als Konsequenz zeigt man Schwäche, will überzeugen, statt zu kämpfen und macht sich selbst zur „Lachnummer der Welt“. Die Abwanderung der Staaten des globalen Südens zum BRICS zeigt es deutlich: Die (Welt-)Polizei hat abgehalftert, sie steht staunend am Rand und wundert sich, dass niemand sie ernst nimmt.

Das ist kein Plädoyer für einen Krieg, aber dafür, zu einem fähig und bereit zu sein, um seine Interessen zu sichern.

Hans Jürgen Wienroth | Fr., 25. Oktober 2024 - 16:18

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

Ich möchte meinen Kommentar noch ergänzen. „Der Westen“ und damit USA und EU finanzieren zu einem großen Teil die UN und hier insbesondere die Menschenrechtsgruppen. Aus Gaza und dem Libanon wird der Partner Israel von „Terroristen“ angegriffen. Was macht der Westen? Er kümmert sich um die „armen Menschen“ in diesen Gebieten, stockt die Hilfen für diese Gebiete immer weiter auf, während die Terroristen mit ihrem Vermögen weiter Waffen kaufen und ihren Kampf instrumentalisieren, wirkmächtig unterstützt von Israels „Partnern“, die diesen auch noch zu einem Waffenstillstand im Namen der Menschlichkeit drängen.

Bei so viel Unterstützung für Terroristen fragt man sich doch: Wer will sich von diesen Ländern „beschützen“ lassen? Afghanistan und Mali lassen genauso grüßen, wie das Versagen der von der muslimischen Welt gesteuerten UN im Süd-Libanon. Dort schaltet die Hisbollah trotz UN-Resolution und UN-Friedenstruppen wie sie will.

Marianne Bernstein | Fr., 25. Oktober 2024 - 14:55

Der Westen hat versucht die Welt zu dominieren, mit guten Ideen, aber auch mit hinterhältigen Methoden. Die scheinbar schwachen Länder sind aber in den letzten 50 Jahren erwacht und fordern ihren Anteil an der Welt ein. Der Westen ist nicht der Feind von BRICS, aber der Westen muss aufhören sich als Maßstab aller Dinge zu sehen und zurück zu einer friedlichen Koexistenz finden. Heute ist BRICS einfach die Antwort an den Westen, wir wollen euch nicht folgen und wir können uns das leisten.
Nach 1990 hatte der Westen das Gefühl die Welt zu beherrschen, 30 Jahre später ist klar, dass sich die Welt allseitig gedreht hat und was gestern völlig klar war, wird heute in Frage gestellt. Wenn daraus eine bessere Welt entstehen soll, dann muss der Westen sein Hegemoniestreben aufgeben und sich als Teil einer friedlichen, diversen Welt verstehen. Die Hypermoral des Westen ist selbstzerstörerisch.

Ingbert Jüdt | Fr., 25. Oktober 2024 - 15:04

... nach Wladimir Putin ein ideologischer Hardliner an die Macht kommt, wird der Westen sich Putin zurückwünschen, der ganz im Gegensatz zu der Art und Weise, wie er im Westen dämonisiert wird, jederzeit rational und berechenbar gewesen ist.

Christoph Kuhlmann | Fr., 25. Oktober 2024 - 15:39

Es ist kein Naturgesetz, dass der Dollar die Weltwirtschaft dominiert und diese moralisierenden, eurozentrischen Ansätze, werden Ländern, die gerade von der Stammesgesellschaft zur Zentralgewalt umschalten einfach nicht gerecht. Es ist sehr anspruchsvoll, die Interessen einer Bevölkerung so auszutarieren, dass der Eindruck von Freiheit entsteht. Die Balance of Powers ist höchst fragil und im Grunde unwahrscheinlich. Doch die BRICS - Staaten tragen den Keim der Spaltung längst in sich. Zwei große Demokratien und der Rest Diktaturen. Man sollte sich um die Demokratien kümmern, dann ist BRICS viel kleiner. Indien wird möglicherweise für Deutschland das nächste China. Es geht nicht um Moral, Verzicht und Opfer. Es geht um Profite auf beiden Seiten. Die Kredite stellt China zur Verfügung, in China hat die Staatsebene bald ein gewaltiges Schuldenproblem. Erst kürzlich mussten sie 40% BIP auf die höchste ebene umschulden. Nun sind es 80% BIP, wenn den Zahlen zu trauen ist. Das geht weiter so.

Jens Böhme | Fr., 25. Oktober 2024 - 16:01

Der Westen verliert seit vielen Jahren kontinuierlich seinen Kompass. Das liegt weder an BRICS noch an sonstwen. Der Westen entwertet sich selbst, hat seine intakten Gesellschaften entmannt, indem man von 72 Geschlechtern philosophiert, Wissenschaft und Technik verteufelt, ist fertig und am Ende, derweil man an unzuverlässiger Energieversorgung rumbastelt und dies als Erfolg verkauft - so ist und bleibt man weder potent noch stark. Da gibt es nur eine Richtung: abwärts.

Stefan Jarzombek | Fr., 25. Oktober 2024 - 16:11

Die multipolare Welt wird hier zunächst einmal deutlich,weil die meisten der Brics Teilnehmer wohl eher nichts auf die Moral des Westens und dessen erhobenen Zeigefinger, alà Annalena Baerbock, geben.
Selbst Antonio Guterres ist sich wohl selbst nicht so ganz sicher,ob die Staatengemeinschaft sich nicht besser neutral anstatt strickt westlich ausrichten sollte.
Schließlich waren die Eroberer der Vergangenheit ausschließlich Europäer, Spanien, Portugal, Frankreich Großbritannien etc.
Wer damals oftmals Grenzen verschoben hat ist bekannt und heute noch ein Grund für die Querelen beispielsweise in Nahost.
Darüber sollte man hier einmal nachdenken.
England und der Opiumkrieg.
Belgier im Kongo.

Hans Süßenguth-Großmann | Fr., 25. Oktober 2024 - 16:50

BRICS Staaten würde erstmal die Frage stellen, was die Frage a ist. Offensichtlich wird seitens

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