Illustration: Miriam Migliazzi und Mart Klein

Serie: Blick nach Deutschland - Polen: Anflug von Schadenfreude

Von den Vereinigten Staaten über Frankreich bis nach China: Was denkt man im Ausland über das krisengeschüttelte Deutschland? In einer siebenteiligen Serie blickt das Ausland auf die Bundesrepublik. Teil 4: Polen.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Die polnischen Medien schauen traditionell wie mit einem Vergrößerungsglas auf die Entwicklungen bei den deutschen Nachbarn. Über wichtige Wahlen berichten die großen Zeitungen auf Sonderseiten, jede Entscheidung von Politikern, jeder Kommentar über die Nachbarschaftsbeziehungen wird ausführlich analysiert. Zuletzt haben die von der Kreml-Propaganda bejubelten Wahlerfolge von AfD sowie des Bündnisses Sahra Wagenknecht die Polen zutiefst beunruhigt.

Lagerübergreifend ist für sie die Unterstützung für die Ukraine Staatsräson, die Wiedergeburt des russischen Imperiums dagegen eine Horrorvorstellung. Wegen ihrer historischen Erfahrungen – von den Teilungen im 18. Jahrhundert bis zum Hitler-­Stalin-Pakt – ließ die enge deutsch-russische Kooperation unter Gerhard Schröder sowie Angela Merkel an der Weichsel die Alarmglocken laut schrillen. 

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Gerhard Lenz | Fr., 4. Oktober 2024 - 09:00

Wer selbst im Glashaus sitzt, hat keinen Grund zu Überheblichkeit. Die Schadenfreude, die der Autor zur Zeit in Polen beobachtet, ist dennoch verständlich. Zwar hat auch Donald Tusk mit widerspenstigen Koalitionspartnern zu kämpfen: Die Parteien, die antraten den katholischen Mief der Kacynski-Jahre zu beseitigen, sind zerstritten: Die überfällige Reform des Abtreibungsgesetzes scheiterte am konservativen Regierungspartner.

Opposition - in Polen gegen Kacynski, in DE gegen die Union - reicht eben nicht als Fundament für erfolgreiche Regierung.

Zumindest außenpolitisch sind die Polen jedoch weit weniger zerstritten. Manche Ostdeutsche haben dank der Aussichten auf billiges russisches Gas erstaunlich schnell verdrängt, wer Jahrzehnte darauf achtete, dass die SED-Diktatur nicht schwächelte. Polen dagegen sieht sich eindeutig auf westlicher Seite. Nur bei der Frage der EU-Kompetenzen und der Reparationsforderungen an Deutschland streitet man in außenpolitischen Fragen.

Einer der übelsten LANDES-VERRÄTER war Bernd Engelmann, von 1977-83 Präsident des Schriftsteller-Verbandes VS. Als solcher drangsalierter er Kollegen, die als 'Kollateral-Schäden' der Biermann-Affäre, Ende der 70-er Jahre die DDR verließen bzw. verlassen mußten. Unter denen waren ECHTE Dichter (zum Beispiel Rainer Kunze, Günter Kunert, Sarah Kirsch), deren Werk die Zeiten überdauern werden! Wenig später unterstützte Engelmann den Versuch des Putsch-Präsidenten Jaruzelski, die polnischen Schriftsteller gleichzuschalten. Das war sogar dem linken Schriftsteller Günter Grass zuviel. Grass wertete ein Telegramm Engelmanns an Jaruzelski als 'Aufforderung einen Verband von QUISLINGEN ins Leben zu rufen'! (Zitat Wikipedia).
'IM', im Sinne eines gemeinen Spitzels, war Engelmann natürlich auch - er gab vertrauliche Informationen aus der Kultur- und Schritstellerszene an seine Stasi-'Froinde' weiter.
Überflüssig zu erwähnen:
Ein Engelmann stand natürlich nie vor einem deutschen Gericht!

Vor wenigen Tagen bestätigte der BGH ein Urteil wegen 'Beihilfe zum Mord' in mehreren Tausend Fällen gegen eine heute 99-jährige Deliquentin. Die Frau hatte vor 80 Jahren als damals 18 jähriges Mädchen für insgesamt 22 Monate im KZ Stutthof ihren 'Dienst' als Sekretärin | Schreibkraft getan. Kann es denn richtig sein, daß solche Menschen heute noch vor Gericht gestellt werden, obwohl - und nicht zuletzt WEIL - vielen ihrer Vorgesetzen friedlich im Bett verstorben sind, ohne je einen Richter gesehen zu haben?
Ich habe da eine klare Meinung:
Jacobiner-Tum - auch moralisches Jacobiner-Tum -
hat noch niemals einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und mehr Frieden geleistet!

Die Frage nach Schuld und Verantwortung in der zweiten deutschen Diktatur wird im Gegensatz zu obigem Beispiel juristisch nicht mehr gestellt. Natürlich nicht; sonst würden einem Steinmeier eines Tages doch noch peinliche Fragen gestellt!
Aber: Auch die DDR hatte ihre KZ’s; zum Beispiel das verharmlosend 'Frauen-Gefängnis' genannte Frauen-KZ Hoheneck. An diesem Ort wurde nicht weniger gelitten als in Ravensbrück! Ob es - ähnlich wie in Stutthof - Sekretärinnen und Schreibkräfte wohl auch in Hoheneck gegeben hat?
In Hoheneck hat es - wie in JEDEM deutschen KZ - auch einen Lager-Kommandanten gegeben! Es gab Schläger und Henker. Es hat sogenannte 'Ärzte' gegeben, die unter Bruch ihres Eides mit der Geheimpolizei zusammenarbeiteten, rechtswidrig Informationen über ihre Patienten weitergaben, Frauen zu deren Schaden mit Psycho-Pharmaka behandelten.
Ich kann mich leider nicht mehr erinnern:
Wann fand eigentlich der ‘Hoheneck-Prozeß’ statt?
Eben(d)! - 'Rechtsstaat', den ich fürchte!

"Das Gros der Migranten erfüllt nicht die Kriterien für die Anerkennung als Asylanten, darf aber dennoch im Land bleiben und bekommt zudem üppige materielle Hilfen, während die meisten Einheimischen hart arbeiten müssen."
Da brauche ich keine polnischen Scheinintellektuellen zur Erkenntnis dieses Zustands.
Und bezüglich der von den Polen stets weiterhin geforderten Kriegsreperationen kann ich aus eigener Erfahrung nur sagen: ,,Dann gebt heraus was ihr gestohlen und dann soll euch der Teufel holen."

Wolfgang Borchardt | Fr., 4. Oktober 2024 - 10:12

in Deutschland abfällig von "polnischer Wirtschaft" sprach und damit Schluderei, Faulheit und Undordnung meinte. Jetzt konstatiert man mit Erstaunen, dass sich dieses Verhältnis stark verschoben hat. Und was schlechte Wirtschaftspolitik hierzulande einreißen kann. Dennoch zeivt die Zahl polnischer LKW auf deutschen Autobahnen (A4!) die - unabhängig von politischen Parolen - Intensität der deutsch-polnischen Handelsbeziehungen. Gemessen an dem Gebietsgewiin incl. Millionen vollmöblierter Immobillen scheinen die Reparationsforderungen unangemessen. Wegen der an die damalige SU verlorenen polnischen Ostgebiete stellt man solche Forderungen wohl nicht. Während Tschechien im Stillen sein Eigenes macht, treten Polen und Ungarn offensiver auf, vertreten auch nationale Interessen und wollen nicht nach der Pfeife der Gegenpäpstin tanzen, was Respekt verdient und der EU (nicht Brüssel) nützlich sein kann. Ob der "Rattenfänger*in von Hameln" je ins Polnische übersetzt wurde?

Wilfried Düring | Fr., 4. Oktober 2024 - 11:00

'Manche Ostdeutsche haben ... erstaunlich schnell verdrängt, wer Jahrzehnte darauf achtete, dass die SED-Diktatur nicht schwächelte.'
Och, nicht nur Dunkel-Deutsche haben da Gedächtnislücken. Aber wir helfen gern.
Der heutige bunte Präsident und seine Gesinnungsschwester, die spätere Justizministerin Zypries, gehörten zeitweise zur Redaktion der linken Quartalszeitschrift Demokratie und Recht (DuR). Die Zeitschrift erschien im sed-mfs finanzierten Verlag Pahl-Rugenstein (Pawel Rubelschein).
Die Jusos betrieben in den 80-er Jahren Nebenaußenpolitik und fraternisierten mit dem SED-Jugendverband. Der heutige bunte Kanzler hat nicht nur Cum-Ex und WireCard vergessen - er soff mit Funktionären der FDJ-Staatsjugend in Ost-Berlin!
Aber wir wissen: West-Deutsche haben grundsätzlich keine Vergangenheit. 'Aufgearbeitet' werden in der bunten Republik nur die Leben der 'Ehemaligen': HJ-ler, FDJ-ler, Grenzsoldaten, Waffen-SS'ler und Lager-Sekretärinnen!
Doppel-Moral fand ich schon immer zum Kotzen!

Herr Düring, jetzt versuchen Sie in Ihrer Verzweiflung irgendwelchen West-Politikern oder Organisationen SED-Nähe zu unterstellen.

Ehrlich gesagt ist mir das nicht mal wert, überhaupt nachzulesen, ob an Ihren Vorwürfen etwas dran ist.

Denn das ändert gar nichts daran: Vier Jahrzehnte bestand die SED-Diktatur, unter strenger Aufsicht der Sowjetunion. Heute tun viele Im Osten so, als wäre man schon immer mit den Russen beste Freunde gewesen.

Da dürfen Sie von Heuchelei reden.

Sven G. | Fr., 4. Oktober 2024 - 13:01

Deutsche Firmen verlagern reihenweise Ihre Standorte ins Ausland und vermehrt nach Polen.

Deutsche EU-Gelder sind hauptsächlich Zuwendungen Richtung Polen.

Polen rüstet damit - auch - hoch. Und kauft exorbitant Waffen in den USA - auch - mit Deutschen Geld.

Polen unterstützt die Selensky-Ukraine mit Krediten und Kauf-Waffen - und macht damit auch ein Geschäft.

Deutschland verschenkt alles.
Jetzt kommt die Häme von einem breitbeinigen hochgerüsteten, - und auch alimentierten Nachbar-Land.

Findet den Fehler?
Was sagt Churchill nochmal über Polen?

Henri Lassalle | Fr., 4. Oktober 2024 - 15:04

war stets schwierig, ist schwierig und wird es künftig wohl bleiben. Land ist eingekeilt zwischen dem russischen Imperium und dem so wahrgenommenen deutschen Hegemon. Die psychische Belastung durch den Vernichtungskrieg der Nazis in Polen ist Teil des kollektiven Unbewussten Polens und wird es bleiben.
Bei allem Dissenz zwischen den beiden Nationen sollte Polen berücksichtigen, dass es durch Territoriumsabtretungen Deutschlands an Polen (mit allem, was sich in diesen Gebieten befand) entschädigt wurde. Gewiss kann niemand a posteriori die deutschen Greuel in Polen entschuldigen, aber irgenwann muss mit den Ressentiments Schluss sein - die Polen sollten nicht ewig den "Gekreuzigten" spielen.

Michael Bahr | Fr., 4. Oktober 2024 - 15:21

Diese Kreation erscheint mir selbst ziemlich verdruckst. Warum nicht einfach das benennen, was einmal war: das ehemalige deutsche Staatsgebiet östlich von Oder und Neiße, das man als die "alten deutschen Ostgebiete" bezeichnen kann oder man zählt einfach auf: Schlesien, Pommern, das südliche Ostpreußen und Danzig. Denn nur so wird klar, um was es geht.
Und ich sehe es genauso: Polen hat mit der Übernahme dieser deutschen Provinzen eine sehr wertvolle Entschädigung erhalten. Wenn die Polen sagen, dies sei als Entschädigung für die Ostgebiete des vorkriegspolnischen Staates zu sehen, die sich Stalin im Sep. 39 krallte, dann möge man doch in Moskau um Entschädigung dafür nachsuchen.
Ich bin ansonsten sehr auf der Seite Polens: das Land hatte Grauenhaftes zu erdulden unter der deutschen Mordherrschaft - aber Polen wurde eben schon entschädigt. Kann sein, dass man sich seit 45 schon so an diese Entschädigung gewöhnt hat, dass man sie nicht mehr als Entschädigung ansehen will.

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