Rüstung
Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) besucht die Endmontage-Halle des Eurofighter-Kampfflugzeugs bei Airbus, 19.01.2024 / picture alliance

Eurofighter für Saudi-Arabien - Deutschlands Rüstungsexport-Politik zeigt Realitätssinn

Die Ampel-Regierung liefert gegen den Widerstand der Grünen Rüstungsgüter in Kriegsgebiete jenseits der Ukraine. Die Wirklichkeit überholt die Ideologen. Sie sollten begreifen, dass Souveränität auch mit Rüstungsexport zu tun hat.

Autoreninfo

Richard Drexl ist Oberst außer Dienst der Luftwaffe mit unter anderem langjährigen Erfahrungen im Bundesministerium der Verteidigung

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Entgegen dem Koalitionsvertrag sollen nun über die Ukraine hinaus Rüstungsgüter in Kriegsgebiete geliefert werden. Das hat die Ampel-Regierung gegen den erklärten Widerstand der grünen Parteiführung entschieden. Die Wirklichkeit überholt die Ideologen die begreifen sollten, dass die Souveränität unseres Landes auch mit Rüstungsexport zu tun hat.

Wie eine Monstranz tragen es „Wertepolitiker“ vor sich her: Wer Waffen in Kriegsgebiete liefert, nährt Konflikte und sorgt dafür, dass Menschen sterben. Dieser Überzeugung zufolge trocknen Kriege aus, wenn keine Rüstungsgüter mehr zur Verfügung gestellt werden. Und wir guten Deutschen, die wir unsere Lektion aus dem 20. Jahrhundert gelernt haben, müssen dies als Erste beherzigen. Dann werden sich auch andere Nationen daran ein Beispiel nehmen. Dies ist der erste Trugschluss, dem diese Denkweise unterliegt. Theoretisch richtig gedacht, funktioniert dies in der realen Welt schlichtweg nicht. Beispiel Aserbaidschan: in dessen Auseinandersetzung mit Armenien über Bergkarabach hat sich der Westen trotz verlockender Erdöl-Millionen mit der Unterstützung durch Kriegsmaterial zurückgehalten. Was hat es genützt?

Eingesprungen ist der Nato-Partner Türkei, der die aserbaidschanischen Streitkräfte nach deren Wünschen versorgt hat. Armenien hatte im Angriffskrieg der Aserbaidschaner mit deren türkischen Drohnen vor ein paar Jahren keine Chance. Die Armenier mussten die weiße Flagge hissen und zuletzt auch die von orthodoxen Christen bewohnte Region Bergkarabach aufgeben. Nun werden Pazifisten sagen, dass damit die militärische Auseinandersetzung immerhin an ein Ende gekommen ist, es wird vorläufig nicht mehr geschossen. Nicht weniger als die Kriegsziele des Gegners mussten damit jedoch hingenommen werden, er hat sich durchgesetzt. 

Ist das ein Ergebnis, mit dem man zufrieden sein kann? Auf Deutschland bezogen ist die Antwort eindeutig: Die Freiheit unseres demokratischen Rechtsstaates ist es allemal wert, mit der Waffe in der Hand verteidigt zu werden.

Saudi-Arabien als weiteres Beispiel. Das Land ist seit mehreren Jahren in einen Krieg im Nachbarland Jemen verstrickt. Die Huthi-Rebellen in diesem armen Land werden von Iran unterstützt, mit dem sich nicht nur Saudi-Arabien in einer systemischen Auseinandersetzung befindet, die latent am Rande eines offenen militärischen Konfliktes rangiert.

 

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Die Saudis können und werden auf der arabischen Halbinsel nicht dulden, dass sich die vom schiitischen Gottesstaat Iran unterstützten Huthi-Rebellen durchsetzen. Nachdem die Huthis Raketenüberfälle auf Frachtschiffe im Roten Meer verüben und dies auch die Exportnation Deutschland tangiert, denkt sogar die Ampel-Regierung um. Die Saudis werden nun als diejenigen wahrgenommen, die mit der Bekämpfung der Huthi-Rebellen im Jemen auch die Freiheit der Meere verteidigen. 

Nicht zuletzt spielt auch der Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas eine Rolle, bei dem sich Saudi-Arabien nicht auf die Seite der Palästinenser geschlagen hat. Und nun prompt mit der deutschen Zusage belohnt wird, dem Eurofighter-Exportgeschäft der Briten wie auch der Lieferung von höchst effektiven Iris-T-Luftabwehr-Lenkflugkörpern nicht mehr im Weg stehen zu wollen. 

Was doch Kontroversen der realen Welt, womit sich Regierungen zu befassen haben, immer wieder für Folgen nach sich ziehen! Die schönsten Parteitagsbeschlüsse und sorgfältig ziselierten Grundsatzreden sind plötzlich das Papier nicht mehr wert, auf dem sie geschrieben stehen. Was nicht unbedingt heißt, dass Ideologen damit ihren Frieden schließen. Die - in diesem Fall linksgrünen und strenggläubigen Parteistrategen - kämpfen weiter für ihre Überzeugungen. Das soll hier aber nicht weiter vertieft werden.

Waffensysteme erzeugen Abhängigkeiten

Am Export von Rüstungsgütern hängen noch ein paar ganz andere, entscheidende Punkte. Rüstungsgeschäfte sind immer politische Geschäfte. Wer Waffensysteme anderer Nationen beschafft, geht fundamentale Abhängigkeiten für schlimmstenfalls existenziell wichtige Situationen ein. Nichts weniger als die Souveränität des Empfängerlandes kann auf dem Spiel stehen. 

Bei Verbündeten können politisch erwünschte Abhängigkeiten entstehen, aber es bleiben auch hier Abhängigkeiten. Es beginnt mit Vorgaben im Beschaffungsvertrag, die Exportländer den Empfängern üblicherweise diktieren. Die Lieferung des deutschen Kampfpanzers Leopard 2 in die Türkei ermöglichte der Bundesregierung, auf die Türken beim Einsatz des Systems im syrischen Bürgerkrieg einzuwirken. Die fällige Nachrüstung der Panzer mit Minenschutz wurde verweigert. Auch entscheidet der Lieferant, wie schnell Ersatzteile zur Verfügung gestellt werden oder Software aktualisiert wird.

Deutschland hat dies selbst das Partnerland Frankreich schon schmerzlich spüren lassen, als Luftabwehrraketen nach Saudi-Arabien geliefert werden sollten. Die Deutschen verhinderten nach dem Khashoggi-Mord 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul anfangs das Geschäft, was die Franzosen zur Weißglut trieb. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete Forderungen nach einem Stopp der Rüstungsexporte als „pure Demagogie“. Der damalige britische Außenminister Jeremy Hunt zweifelte in einem Brief an seinen deutschen Amtskollegen sogar an Deutschlands Bündnistreue. So funktioniert Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg eben nicht. Die deutschen Restriktionen sind weder in der Nato noch in Europa mehrheitsfähig.

Nicht zuletzt ist der Export von Rüstungsgütern Voraussetzung für größere Stückzahlen und damit für deren Herstellung zu halbwegs wirtschaftlichen Bedingungen. Erst mit dem Verkauf auf dem Rüstungsmarkt können die Fertigungslinien von Flugzeugen, Schiffen und Panzern über längere Zeit aufrecht erhalten werden. 

Andernfalls wären auch spätere Nachbeschaffungen kaum möglich. Moderne Waffensysteme sind hochkomplex, wer die Spezialisten nicht zusammenhält, verliert unwiederbringlich Fähigkeiten. Auch die Herstellung von Baugruppen und komplexen Ersatzteilen hängt hiervon ab. Wer diese Grundsätze der Erzeugung und Erhaltung modernen Wehrmaterials nicht beherzigt, dreht der eigenen Rüstungsindustrie den Saft ab und degradiert sich selbst zum Empfänger. Entstehende Abhängigkeiten würden auch Deutschland als größte Mittelmacht Europas treffen. 

Drastisch ausgedrückt: Die Souveränität in Fragen der äußeren Sicherheit hängt unweigerlich auch an der Fähigkeit, sich zu eigenen Bedingungen bewaffnen und die eigenen Streitkräfte mit bedarfsgerechten Rüstungsgütern ausstatten zu können. 

Komplexe Waffensysteme sind ohne Kooperationspartner fast nur noch von den Weltmächten USA und China zu realisieren. Die US-Rüstungsindustrie wie inzwischen auch die der Chinesen ist auf relevanten Feldern technisch und organisatorisch so breit aufgestellt, dass nationale Lösungen möglich sind. 

Der Export in befreundete Staaten wird dennoch gerne akzeptiert, nicht nur weil höhere Stückzahlen preisdämpfend wirken. Der mit der Ausfuhr von Rüstungsgütern einhergehende Einfluss auf Käufer gehört selbstredend mit dazu. 

Russland hingegen benötigt wegen seiner Schwäche bei mikroelektronischen Bauteilen und Software Zulieferungen. Bei aller Größe und Potenz seiner Rüstungsindustrie tut sich Moskau schwer mit der Herstellung moderner Waffen und Munition, wie sich auch im Verlauf des Ukraine-Krieges zeigt. Westliche Kühlschränke müssen ausgeschlachtet werden, um über moderne Mikrochips in ausreichender Stückzahl zu verfügen.

Europäische Staaten sind militärisch nicht mehr autark

Auch die größeren europäischen Nationen sind seit den 1970er Jahren rüstungswirtschaftlich nicht mehr autark. Franzosen und Briten suchen in der Regel nach Partnern, um die immensen Entwicklungskosten moderner Waffensysteme auf mehrere Schultern zu verteilen. Das deutsch-britisch-italienische Kampfflugzeug Tornado oder aktuell das Transportflugzeug A400M mögen hierfür als Beispiele gelten. 

Exportkunden sorgen für die längerfristige Auslastung der Produktionslinien. Auch hängen aufgrund des technischen Fortschritts erforderliche Modifikationen davon ab, ob mit den Systemen vertraute Ingenieure und Facharbeiter verfügbar sind. Beseitigung von Obsoleszenzen lautet der technische Fachausdruck. Wer nicht mehr verfügbare Bauteile nicht ersetzen kann, muss früher oder später sein Gerät vom Markt nehmen. Die Hersteller von Luftfahrzeugen sind davon vorrangig betroffen, weil auf diesem Sektor spezielle Vorschriften gelten.

Deutsche Bestimmungen für den Rüstungsexport abschaffen

Das alles weiß man auch in der Bundesregierung, es geht hier bei Leibe nicht um Expertenwissen. Umso mehr wundert sich der Beobachter, dass die Deutschen nicht erst seit der Ampel-Regierung der Überzeugung sind, sie könnten eigene Regularien auch gegen die Interessen von Partnern durchsetzen. 

Die strengen Exportbestimmungen Deutschlands für die Lieferung kriegswichtiger Güter sind seit Jahren ein Hemmnis für eine reibungsarme europäische Rüstungszusammenarbeit. Wobei hier nicht dem freihändigen Export von Wehrmaterial das Wort geredet werden soll. Es geht darum, die Entscheidungen aus Parteibüros in den Europäischen Rat zu verlegen. Dort können auf der Basis abgestimmter Grundprinzipien Kompromisse und Einzelfallentscheidungen ausgehandelt werden.

Immerhin wird nun in der Ampel-Regierung darüber nachgedacht, die deutschen Vorschriften für den Rüstungsexport insgesamt zu überarbeiten. Nach den in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen sollte dieser Jahrzehnte lange Eiertanz allerdings ganz abgestellt werden. Europäischen Rüstungsprojekten bei Panzern, modernen Kampfflugzeugen, Fregatten und U-Booten das Wort zu reden und gleichzeitig die deutsche Sonderrolle beizubehalten, war schon immer ein Widerspruch in sich. Stattdessen ist eine seit 2009 existierende EU-Richtlinie für den ‚Transfer von Verteidigungsgütern‘ anzuwenden, oder bei Bedarf eben neu zu verhandeln.

Darüber hinausgehende Exportvorschriften sind unnötig, erschweren die europäische Zusammenarbeit und sind daher aufzuheben. Auf internationalen Rüstungsmessen gibt es gelegentlich ungenierte Hinweise ausländischer Hersteller zu deren Erfahrungen wie: „Dieses Gerät ist frei von deutschen Teilen“. Im Umkehrschluss kann dies als Aufforderung verstanden werden, bei Rüstungsmaterial nach Möglichkeit keine deutschen Bauteile zu verwenden. Ein Alarmsignal ist für die Exportnation Deutschland! Für deutsche Wolkenschieberei nach dem Pippi Langstrumpf-Motto „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ sollte die Zeit abgelaufen sein.

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Günter Johannsen | Mo., 22. Januar 2024 - 11:44

haben Deutschland mit Fleiß übernahmereif geschossen!
Trotzdem:der Kommunismus siecht, Gnossn!
🤕😅🤣

Ernst-Günther Konrad | Mo., 22. Januar 2024 - 12:31

Mal ehrlich. Wir haben doch schon immer geliefert. Früher eher ganz leise über Dritte, inzwischen wissen wir, das die von uns belieferte Ukraine ihre Waffen gerne auch in andere Krisenregionen weiterreicht. Also was solls. Machen wir das Geschäft doch direkt/indirekt ohne gierige Zwischenhändler. Was ist die Politik auch in diesem Punkt verlogen. Allein wenn ich mir Hofreiter und Zimmermann anschaue. Man sitzt in Aufsichtsräten und ist Lobbyist und belügt die eigene Bevölkerung und macht moralgeschwängerte Vorwürfe anderen gegenüber. Beide Seiten haben durchaus nachvollziehbare Argumente, dafür oder dagegen zu sein. Nur eine Seite hat das wie immer stärkste Argument. Das des Geldes. Solange die Menschen ihre Moral in € und $ sich bezahlen lassen, glauben sie Konflikte gingen nur mit der Waffe in der Hand zu lösen, so lange stirbt eine Rüstungsindustrie nie aus.

... oder geheuchelt, was auch immer, Hr. Konrad.
Dann besser ganz offen, die Welt mit oder ohne Waffen ...- ... ist eine Welt ohne Waffen realisierbar? Einigen reicht schon das Küchenmesser, um andere auszuschalten/abzustechen.

ansonsten stimme ich ihnen zu. Wenn wir die Geschäfte nicht machen, machen es andere die nicht so verlogen sind und ohne diese Heuchelei. Auch werden wir wirtschaftlich nach jedem Strohhalm greifen müssen um unseren Export nicht ganz abzuwürgen. Denn bei der Sanktionswut in der EU und bei uns werden nicht mehr so viele Länder übrig bleiben die wir beliefern dürfen und die letztlich auch nichts mehr von uns wollen.

Thomas Romain | Mo., 22. Januar 2024 - 18:56

Die Saudis bekommen nicht nur die WM, sondern auch noch alles andere, was sie sich wünschen. Infantino hat da ja echt ganze Arbeit geleistet. Und den echten (naja, die einen sagen so, die anderen sagen so) daVinci hat sich MBS ja auch gesichert

Ronald Lehmann | Mo., 22. Januar 2024 - 23:20

Aber wie im Großen, so auch im Kleinen

>> Der TON & die klare Ansage machen die Musik

& natürlich gibt es ganz, ganz viel Menschen
die wollen ABSICHTLICH aus den Todsünden heraus keine klaren Ansagen, geschweige einen moderaten Ton zelebrieren

Fällt ihnen da hier ein paar Foristen ein 😉?

Aber selbst im aller kleinsten System
unser Immunsystem
ist ein stetiger Kampf der Gegensätze von Organismen seit Jahrmillionen
oder die chin. Lehre > ☯ >> das Pendel

Hinzu kommt folgende Tatsache
egal ob sie einen gefällt oder nicht
>>> 80% aller Erfindungen in der Geschichte der Menschheit erfolgte durch Kriegs-Forschung/Finanzierung

PS >>> & Herr Lenz wie Freunde
Die Einwanderungs-Politik der Mächtigen ist nur eine NEUE FORM des KRIEGES💥

denn diese haben wesentlich geringe Ansprüche & sind trotzdem Herden-Affin
aber geistig KEINE Forscher
PS: Die allermeisten Erfindungen der letzten 500 Jahre wurden von uns "Weißen" gemacht

Hinzu sind wir Europäer durch den 2.Weltkrieg auf EU-Boden gebrandmarkt 😰