Die Causa SVB ist kein zweites Lehman / dpa

Silicon Valley Bank - Die zweitgrößte US-Bankenpleite aller Zeiten

Die Finanzmärkte reagieren geschockt auf die Turbulenzen der Silicon Valley Bank (SVB). Einleger haben rund 42 Milliarden Dollar abgezogen, ein Viertel der gesamten Einlagen. Droht eine Wiederholung des Falls Lehman Brothers? Sechs Gründe sprechen dagegen.

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Andreas Dombret gehörte dem Vorstand der Deutschen Bundesbank an, wo er von 2010 bis 2018 für die Finanzstabilität und die Bankenaufsicht zuständig war. Von 2014 bis 2018 war er Mitglied des Rates der Aufsichtsbehörden in der Europäischen Zentralbank (EZB). Dieser Gastkommentar erschien am Abend des 12. März 2923 in ähnlicher Form zuerst in Financial News in englischer Sprache.

Der Zusammenbruch einer Bank stellt nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die anderen Beteiligten vor große Herausforderungen. Aktionäre können ihre gesamte Investition verlieren; Einleger riskieren einen Verlust, wenn ihre Einlagen die Einlagensicherung überschreiten; Kreditnehmer und andere Kunden können eine wichtige Bankbeziehung verlieren – vor allem, wenn sie sich auf die Finanzierung der Bank verlassen haben.

Wenn jedoch der Ausfall einer einzelnen Bank zu einer umfassenderen Vertrauenskrise führt, kann dies eine systemische Bedrohung für den gesamten Bankensektor darstellen – etwas, das wir mit Lehman Brothers vor 15 Jahren in der globalen Finanzkrise erlebt haben. Die Angst vor Ansteckung und vor negativen Spillover-Effekten, die zu Dominoeffekten führen, spielt bei Bankenkrisen immer die wichtigste Rolle.

Eine freiwillige Liquidation

Diese besorgniserregenden Zeiten scheinen nun zurück zu sein. Am vergangenen Mittwoch beschloss die kleine Kryptobank Silvergate nach dem Zusammenbruch von FTX, ihr Geschäft aufzugeben, und kündigte eine freiwillige Liquidation an. Am Donnerstag wurden die Märkte durch die Entwicklungen bei der Silicon Valley Bank (SVB), der 16. größten US-Bankengruppe, geschockt. Einleger zogen rund 42 Milliarden Dollar ab, rund 25 Porzent der gesamten Einlagen der SVB. Nach allen Maßstäben war dies ein veritabler Bank Run.

Am Freitag hat die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) die Kontrolle über die SVB, einen großen Kreditgeber für den Technologiesektor, übernommen. Mit einer Bilanzsumme von mehr als 200 Milliarden USD ist die SVB die zweitgrößte US-Bankenpleite aller Zeiten. Die Volatilität der Bankaktien schnellte weltweit in die Höhe. Wer hätte zu Beginn dieses Jahres gedacht, dass wir im März 2023 einen solchen Bank Run mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Realwirtschaft erleben würden?

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Eine systemische Bedrohung

Was ist also bei der SVB schief gelaufen? Sie hatte eine einzigartige Marktposition als Hausbank für das Startup-Ökosystem sowie für viele Risikokapitalgeber in diesem Sektor. Die Barmittel der Hälfte aller mit Risikokapital finanzierten Start-ups in den USA lagen als Einlagen auf ihren Büchern. Ihre Einlagenbasis, die während der Pandemie erheblich gestiegen war, war jedoch ungewöhnlich wankelmütig. Die große Mehrheit – nämlich 96 Prozent – war nicht von der Einlagensicherung gedeckt.

Derartig ungedeckte Einleger gelten auf den Märkten und bei den Bankenaufsehern als besonders „flüchtig". Als die Einlagenbasis der SVB in der vergangenen Woche rapide abnahm, war sie gezwungen, Anleihen zu verkaufen, um auf diese Weise Barmittel zu beschaffen. Dabei kristallisierten sich Verluste heraus, da der Wert ihrer festverzinslichen Anleihebestände aufgrund steigender Zinssätze gelitten hatte. Ein Versuch, sich anderweitig zusätzliches Kapital zu beschaffen, scheiterte.

Die Aufsichtsbehörden weltweit prüfen nun, ob diese Bankenpleite eine systemische Bedrohung darstellen könnte. Die Rufe nach einem Verkauf der Vermögenswerte der SVB werden lauter. Der Markt ist bereits auf der Suche nach vergleichbaren Bankfällen, die ihrerseits alle beruhigende Kommentare abgeben. Janet Yellen, die US-Finanzministerin, hat eine umfassende öffentliche Rettungsaktion ausgeschlossen, hat aber eine Unterstützung für die Einleger in Firm einer Notkreditlinie zugesagt. Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und die Federal Reserve sind ebenso wie die Behörden in der ganzen Welt mit dem Fall befasst. Droht hier also eine Gefahr für die Finanzstabilität, die an 2008 erinnert?
 
Ich halte dies für ein unwahrscheinliches Szenario, und hier sind sechs gute Gründe dafür:

  1. Nur sehr wenige Banken haben eine derart hohe Konzentration des Geschäfts auf einen Sektor wie die SVB.
  2. Es wäre schwierig, eine andere Bank mit einer so "heißen" Einlagenbasis zu finden.
  3. Keine andere Bank hat ein derartiges Ausmaß an nicht realisierten Verlusten in jenem Wertpapierportfolio, das bis zur Fälligkeit gehalten und insofern nicht neu bewertet wurde.
  4. Als Regionalbank war die SVB weniger stark reguliert als andere US-Banken ihrer Größe, beispielsweise unterlag sie nicht der Liquidity Coverage Ratio.
  5. Trotz ihrer Größe gibt es sowohl in den USA als auch im Ausland genügend Banken, die die Vermögenswerte der SVB übernehmen können. Allerdings stoßen die großen US-Institute an ihre Grenzen, was die Übernahme von Einlagen anbetrifft.
  6. Die SVB ist jetzt in geordneter Auflösung, und die FDIC ist eine erfahrene und qualifizierte Behörde.

All dies deutet für mich darauf hin, dass die SVB ein Ausreißer ist. Ihr Geschäftsmodell wies erhebliche Schwächen auf, und sie hat ihr Zinsänderungsrisiko falsch gemanagt, indem sie zur falschen Zeit in festverzinsliche Wertpapiere mit sehr niedrigen Renditen investiert hat.

Stark kapitalisiertes Bankensystem

Die fünf größten US-amerikanischen Finanzinstitute mit ähnlichen Merkmalen in Bezug auf Einlagenabflüsse und große Wertpapierbestände unter Wasser haben zusammen eine Bilanzsumme von 1 Billion USD. Eines davon ist seit Sonntag ebenfalls unter Kontrolle der Aufsicht. Man sollte aber nicht vergessen, dass das Bankensystem infolge der globalen Finanzkrise stark kapitalisiert ist und über reichlich Liquidität verfügt.

Glücklicherweise haben die Aufsichtsbehörden in den letzten zehn Jahren den Bank-Lobbyisten, die ständig einer Senkung der Eigenkapitalanforderungen das Wort redeten, nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Stattdessen bestanden die Aufsichtsbehörden darauf, dass die Banken ihre Bilanzen kontinuierlich stärken und damit die Widerstandsfähigkeit der Banken auf das heutige hohe Niveau anheben. Es liegt nun an den zuständigen Behörden, die Märkte wieder zu stabilisieren und eine geordnete Abwicklung der Silicon Valley Bank zu organisieren. Wir können zuversichtlich sein, dass die FDIC, die Fed und andere erfolgreich sein werden. Diese wissen, was sie tun.

Dennoch ist es so, dass fast alle Banken mit dem Problem der unterbewerteten Wertpapiere auf ihrer Aktivseite und dem Abfluss von Einlagen konfrontiert sind. Und das makroökonomische Umfeld stellt aufgrund der anhaltend hohen Inflation, die durch steigende Zinssätze und die Reduzierung der Wertpapierbestände bekämpft wird, eine Herausforderung dar. Im Moment gibt es jedoch keine Vertrauenskrise im Bankensystem und die Ansteckungsgefahr ist sehr gering. Außer der Silicon Valley Bank musste keine Bank große Verluste durch den überstürzten Verkauf niedrig verzinster Anleihen hinnehmen, um die Rücklösungen von Kunden zu befriedigen.

Ein ernstes Warnsignal

Die SVB, der Ausreißer, ist eher die Ausnahme. Deshalb sehe ich den Fall der SVB als durchaus ernstes Warnsignal, aber nicht als Grund für Überreaktionen. Der Technologiesektor einschließlich der Fintechs wird jedoch vom Zusammenbruch von Silvergate und SVB stark betroffen und muss sich nach Bankalternativen umsehen. Der Risikokapitalsektor, der sich auf die SVB als Finanzierungsquelle verlassen hat, steht ebenfalls vor einem Liquiditätsengpass, was negative Folgen haben wird. Dies ist jedoch ein separates Thema, mit dem sich die Behörden sehr sorgfältig befassen müssen, da sich der Technologiesektor zu einem so wichtigen Teil unserer Volkswirtschaften entwickelt hat.

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Karl-Heinz Weiß | Mo., 13. März 2023 - 11:34

Ist es Aufgabe der Einlagensicherung, die Anlagestrategie risikobereiter Kleinanleger abzusichern ? Darin sehe ich das eigentliche Problem, abgesehen vom Thema "überbewertete Immobilien", das in Kürze aufploppen wird. Die durch die unverantwortliche Strategie der EZB hier aufgelaufenen Schein-Gewinne werden sich in Luft auflösen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 13. März 2023 - 11:54

interessanteste?
Beim Lesen des Artikels dachte ich sofort, dass Yellen wegen der Bedeutung des Technologiesektors evtl. diese Bank stützen wird, aber das ist eben der Vorteil von vorausschauender Politik, die Märkte auf Veränderungen vorbereitet und das Kapital gewissermaßen begleitet.
Es sind dann doch private Pleiten, während das Finanzkapital diese Störungen auffangen kann?
Stützung von Finanzmärkten bedeutet nicht die Verstaatlichung oder Vergesellschaftung privater Verluste, während die Gewinne bei den Privaten bleiben.
Man könnte sich doch aber in Zukunft für eine weltweite Finanzmarkttransaktionssteuer einsetzen, die überwiegend der Stabilisierung der Finanzmärkte und ihrer Anleger zugute kommt?
Das brauchen wir doch auch bei einem Kapital gedeckten Rentensegment?
Jedenfalls reicht es nicht Gutes zu wollen, es muss auch gut gemacht sein.
Unwägbarkeiten gibt es aber immer mal.
Hohes Risiko bedeutet hohes Risiko.
Entsprechend ausfallsicher muss man anlegen?
Dies als Laie

Ernst-Günther Konrad | Mo., 13. März 2023 - 13:57

Das wird nicht die letzte Bank sein und sicher werden die jeweilig betroffenen Staaten wieder mit eigener Verschuldung die Banken retten. Inzwischen ist es ja egal, die wievielte Generation nach unseren Kindern noch zahlen wird. Die Jungen leben teilweise genauso und denken, solange die Bank Geld hat, habe ich auch welches. Vielleicth braucht es einen richtigen Bankencrash, damit man wieder neu anfangen kann. Nur fürchte ich, dann lernt wieder niemand daraus. Ich habe so satt.

Peter Sommerhalder | Mo., 13. März 2023 - 17:25

Es ist halt sicherlich verführerisch mit fremdem Geld, sozusagen mit "Spielgeld" Risiken einzugehen, zumal wenn man genügend gross ist ja sowieso vom Staat gerettet wird...

Und wenn die Stimmung kippt und alle wollen ihr Geld von der Bank abheben, dann hat jede Bank ein Problem, da ja das meiste Geld gar nicht existiert...