Pelé im Zweikampf mir einem Gegenspieler
Fußball-Legende Pelé: „Michelangelo hat gemalt, Beethoven Klavier gespielt und ich Fußball“ / dpa

Waldemar Hartmanns Nachruf auf Pelé - Warum Pelé für mich der größte Fußballer aller Zeiten ist

Fußball-Ikone Pelé ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Der Brasilianer schaffte mit seinem „Jogo bonito“, seinem schönen Spiel, aus einer Ballsportart Kunst, schreibt Sportreporter Waldemar Hartmann – und erinnert sich an eine Nacht in einem angesagten Club in Italien, in dem Hartmann und Pelé gemeinsam tranken, lachten und Lambada tanzten.

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Waldemar Hartmann ist Journalist und Sportreporter.

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Reichkanzler Otto von Bismarck, derzeit wegen Deutschlands Chefdiplomatin Annalena Baerbock aktivistischer Symbolhandlungen im Gespräch, soll einmal gesagt haben: „Es wird nirgends so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“ Ich möchte hinzufügen, dass auch bei Beerdigungen nicht selten Hymnen auf Verstorbene gesungen werden, die selbst nahe Anverwandte verblüffen. Welche Superlative sind also am kommenden Dienstag im 9. Stock des Memorial Necropole Ecumenica, der letzten Ruhestätte des größten Fußballers aller Zeiten, zu erwarten?

Dort hat Edson Arantes do Nascimento, genannt Pelé, vor 19 Jahren schon einen Platz in einer Gruft des Hochhausfriedhofs für sich gekauft. Man soll von dort einen freien Blick auf das Stadion des FC Santos haben. Das ist der Club, mit dem Pelé in fast zwei Dekaden 26 nationale und internationale Titel holte. Wie wollen Grabredner das toppen, was schon zu Lebzeiten Pelé an Ehrungen und Huldigungen, an Titeln und Lobpreisungen zuteilwurde?

Vom schuhlosen Schuhputzer zum Weltmann

Nach dem Finalsieg bei der WM 1958 in Schweden, Pelé erzielte beim 5:2 Sieg gegen Gastgeber Schweden als 17-Jähriger zwei Zaubertore, krönten ihn die brasilianischen Fans und Medien schlicht und ergreifend zu „O Rei“, zum König. Das IOC ernannte Pelé zum „Sportler des Jahrhunderts“, obwohl er nie als Fußballer an Olympischen Spielen teilgenommen hatte. Und am 19.11.1969 läuteten in ganz Brasilien die Kirchenglocken, als Pelé das 1000-ste Tor seiner unvergleichlichen Karriere erzielte. Bei aller Wertschätzung für andere Größen des Fußballs, ob Maradona, Beckenbauer oder Cruyff – Pelé schaffte mit seinem „Jogo bonito“ (mit seinem schönen Spiel) aus einer Ballsportart Kunst, in seiner Heimat eine nationale Gattung wie Samba oder Karneval.
 

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Pelé schaffte es als Junge aus den Favelas zum Weltmann. Vom Schuhputzer, der in einer Straßenmannschaft („die Schuhlosen“) mit einem aus alten Socken zusammengebundenen Ball kickte, zum Weltstar. So nebenbei als Sportminister seines Heimatlandes auch mit einem dreijährigen Ausflug in die Politik. Nicht ganz unbescheiden stellte er selbst sein Licht aber auch nicht unter den Scheffel: „Michelangelo hat gemalt, Beethoven Klavier gespielt und ich Fußball.“ Franz Beckenbauer, titelmäßig als „Kaiser“ zumindest auf Augenhöhe mit Pelé, brachte es auf den Punkt: Der Fußball hat den Größten seiner Geschichte verloren. Beckenbauer selbst, der mit Pelé 1977 noch ein Jahr zusammen bei Cosmos New York spielte, bedauert zudem den Verlust eines „einzigartigen Freundes“.

Lambada mit Pelé

Mich selbst verbinden mit Pelé zwei beeindruckende Erlebnisse: Beim Wunder von Bern 1954 war ich sechs Jahre alt. Mit meinem Vater saßen wir zuhause in Nürnberg vor dem Radio und fieberten mit Herbert Zimmermann mit, als Deutschland gegen Ungarn Weltmeister wurde. Mit Max Morlock aus Nürnberg! Für mich war klar: Entweder werde ich Fußballer oder Reporter. Oder beides. Auf der Straße wollten dann alle Max Morlock sein. Ok, ein paar auch Fritz Walter oder Helmut Rahn. Vier Jahre später, bei der WM in Schweden, spielten dann auf unserer bevorzugten Spielstätte, der Thoner Wies`n, elf Pelés gegen elf Pelés. Ein 17-Jähriger hatte die ganze Welt verzaubert, natürlich auch unsere überschaubare Welt im Stadtteil Johannis.

Kaum 32 Jahre später stehe ich Pelé Auge in Auge gegenüber. Ich war ARD-Moderator bei der WM in Italien. Kalle Rummenigge verstärkte unser ARD-Team als Experte. Ein Supercoup unseres damaligen Chefs Eberhard Stanjek. Rummenigge wurde in Italien verehrt, für uns der beste Türöffner aller Zeiten. Für die ARD, aber ganz besonders für mich persönlich. Kalle und ich waren nur zu zweit unterwegs. Eines Abends landeten Rummenigge und ich in einem sehr, sehr angesagten Club. Alleine wäre ich am Türsteher nie und nimmer vorbeigekommen. Mit Kalle non problema. Drinnen wird Kalle von einem dunkelhäutigen Menschen herzlich zur Begrüßung umarmt: Pelé! Wir sitzen zusammen an einem Tisch, trinken, lachen und TANZEN. Ich mit Pelé! Lambada! Noch Fragen zu meinen Gefühlen?

Als ich die Nachricht vom Tod Pelés gelesen habe, war mir nicht zum Tanzen zumute. Ich dachte eher an die Einschläge, die näher kommen.

Irgendwann, lieber Pelé, werden wir im Himmel wieder zusammen tanzen.

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Kai Hügle | So., 1. Januar 2023 - 10:11

Pelé kenne ich nur von YouTube Videos, aber er gehört definitiv zu den großen Sport-Ikonen des 20. Jahrhunderts. Auf diesem Level sind außer ihm wahrscheinlich nur noch Muhammad Ali und Michael Jordan.
Es wäre schön gewesen, wenn Sie Ihre Gefühle bei der Begegnung mit ihrem Kindheitsidol näher beschrieben hätten. Ich hatte einmal Gelegenheit, Fritz Walter anzusprechen, aber ich traute mich nicht - aus Ehrfurcht. Hatte Angst, etwas Dummes zu sagen.
Apropos: Schade, dass Sie es sich nicht verkneifen konnten, anlässlich dieser traurigen Nachricht aus der Welt des Fußballs in Richtung Baerbock zu schießen, zumal der Zusammenhang wirklich an den Haaren herbeigezogen wirkt. Waren Sie nicht einer derjenigen, die In Katar wortreich erklärt haben, dass man Sport und Politik/Moral voneinander trennen sollte?
Wie auch immer, gute Reise, Pelé!