- Erinnern und Vergessen
Gestern hat das „Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin seine Pforten für das Publikum geöffnet. Alles in allem ein friedlicher Ausgang einer heiklen Aufgabe und einer langen Streitgeschichte. Und doch fehlt etwas.
Alles richtig gemacht! Drei Frauen haben einen alten Widergänger so behutsam in die Freiheit entlassen, dass man für einen kurzen Moment sogar vergessen konnte, wie viel Aufregung es einst um ihn gab. Das bis zuletzt umstrittene und von Querelen heimgesuchte „Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin ist seit gestern für die Besucher geöffnet – und man muss schon ein notorischer Spielverderber sein, um daran noch herummäkeln zu wollen. Dass es einige Zeitungen trotzdem nicht lassen konnten und dem Zentrum die korrekte historische Gebrauchsanweisung mit auf den Weg gaben, hat wohl mit eigenen Verlustängsten zu tun. Vom vertrauten Gegner will man eben nicht lassen; ein bestimmtes politisches Milieu ist mit dem Schreckbild der alten Vertriebenenwelt groß geworden. Aber davon ist in diesem neuen Haus nicht mehr viel übrig geblieben: keine Trachtenkapellen oder Pfingsttreffen mehr; die Welt der Heimatstuben ist genauso Vergangenheit wie das markige Heimatbekenntnis. Wer die Eröffnung des Zentrums im Livestream verfolgte, weil man bei Funk und Fernsehen offenbar mit wichtigeren Themen beschäftigt war, der konnte beim besten Willen keine muffigen Ecken entdecken.
Stattdessen ein Haus, in dem alles zu stimmen scheint: die kühle, elegante Architektur; die lichte Konzeption, die auf alles vorbereitet ist und wie eine zur Gestalt gewordene Stichwortliste wirkt. Von der vielfach geforderten Transparenz und Offenheit bis zu Fragen der Inklusion findet hier alles seine angemessene Berücksichtigung. Über die neuen Sichtachsen ist das Haus sogar mit der Berliner Erinnerungslandschaft verbunden. Die nationalsozialistische Tätergeschichte ist ringsum präsent; sie ist das historische Propädeutikum, das die spätere Flucht und Vertreibung überhaupt erst begreifbar macht. Alles hat seinen richtigen Platz, das meiste wohl auch die angemessene Dimension.
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Muss man nicht befürchten, dass der didaktische Schleier, der inzwischen über fast jedes Museum gelegt wird, einen so uniformen Eindruck hinterlässt wie eine historisierende TV-Doku?
Ich habe Museen (und Bibliotheken) oft genossen als Orte, wo man etwas unerwartetes finden kann. Heute wird man in fast überall an der Hand genommen und irgendwohin geführt.
Vielleicht ist das der Grund dafür, dass mir der Besuch irgendeines kleinen Heimatmuseums oft mehr Spaß macht als der Besuch eines subtil gestalteten Museums. Vom Eindruck her sind sich solche "großen" Museen doch alle sehr ähnlich und damit leider oft langweilig.
Die didaktisch gestalteten und modern gestylten Museen und sog. Erinnerungsstätten sind alles andere als einladend. Man weiß meist schon vorher, was einen erwartet: Political correctness und Unterkühlung in sterilen Räumen.
Man kann froh sein, wenn der abschließende Besuch im Museums-Café einen wieder etwas aufwärmt.
Gerade im Osten unseres Landes u. auch in den ehemaligen deutschen Ostgebieten
(wie z. B. Masuren) gibt es dagegen noch kleine Schätze an Heimatmuseen zu entdecken, in denen einem das Herz aufgeht.
So haben wir zum Beispiel in Wolmerswende (Harz) das kleine Museum besucht, das an den dort geborenen Gottfried August Bürger ("Lenore fuhr um's Morgenrot..."/ Münchhausen) erinnert. Als wir ankamen, war der Raum noch gar nicht geöffnet, aber ein freundlicher Dorfbewohner rief die Frau mit dem Schlüssel an, und diese kam sofort, um uns Einlasß zu gewähren. Wir verließen den Ort mit dem zufriedenen Gefühl, dem Menschen u. Dichter Bürger sehr nahe gekommen zu sein.
Ja, an diesem Tag waren die Regenbogenfarben im weiß-blauen München in den Medien wichtiger als die angemessene Erinnerung an 14 Millionen Vertriebene. Mitscherlich attestierte den Deutschen in den Nachkriegszeiten die Unfähigkeit zum Trauern. Nein, es war die Unmöglichkeit zum Trauern angesichts des von Deutschland entfesselten Kriegs. Aber das ändert nichts daran, dass individuell unendlich viele Deutsche traumatisiert waren, vielfach auch deren Kinder. Auch das gehört zur angemessenen Erinnerung.
wird nie gestellt.
Oder anders formuliert, die Frage, was wäre eingetreten, hätte es diese Ereignisse nie gegeben.
Genau so wenig wie gefragt wird welche Auswirkung auf die Entwicklung Deutschlands die beiden total verlorenen Weltkriege gehabt haben.
Ich frage mich manches Mal wo wir heute stünden, hätten wir diese beiden Katastrophen nicht erleben müssen.
Und ich wage es nicht eine Antwort zu formulieren.
In einem Museum und Erinnerungsort wie diesem Dokumentationszentrum sollten solche Fragen auch gestellt werden und vielleicht sollte auch versucht werden eine Antwort zu geben.
Mein Vater kommt vom Kaiserstuhl, und die Menschen dort sind immer mit dem Elsass und dem Sundgau verbunden gewesen. Daher finde ich es gut, wenn deutsche, Schweizer und französische Institutionen in einer Region zusammenarbeiten, und wenn in der Region inzwischen auch der deutsche kulturelle Anteil wieder zur Sprache kommen kann.
So sehe ich auch das neue Museum. Es ist notwendig. Denn der Kontakt zwischen Deutschen und Polen ist trotz EU auf der unteren Ebene erbärmlich schlecht. Der Senat von Berlin dient sich zwar der türkischen und arabischen Minderheit sowie den englischsprachigen Kosmopoliten an, aber kaum den hier lebenden Osteuropäern.
Außerdem sind die Kenntnisse in der deutschen Bevölkerung über Osteuropa eher oberflächlicher Natur. Nur im Kontakt mit den jetzt lebenden Menschen macht es aber Sinn, an den deutschen Beitrag zur Kultur in diesen Regionen in fruchtbarer Weise zu erinnern.
Allerdings besteht die große Gefahr, dass gerade in D die eigene Kultur vergessen wird.
Wer seinen Fokus immer wieder u. wieder auf das Erinnern legt, der vergisst nicht und verliert dabei vor allem aktuelle Probleme aus dem Blick (Absicht?).
Weltweit ist mir keine andere Nation bekannt die so dermaßen darauf erpicht ist sich immer wieder öffentlich selbst zu kasteien, resp. an die sogn. dunklen Zeiten zu erinnern..
Mein Eindruck ist ehr, dass die damalige Vertreibung, als Folge des verlorenen WK II heute gerne dazu missbraucht wird, um die Massenmigration von heute in ein positives Licht zu rücken.
Nach dem Motto: Seht her, wir haben das doch selbst erlebt.
Dabei ist das nicht vergleichbar, denn seinerzeit handelte es sich um Menschen gleicher Werte u. Religionen.
Kulturfremde, die sich überwiegend auch gar nicht assimilieren wollen, sind dagegen ein Störfaktor für eine gewachsene Gesellschaft.
Mit "bunt" ist gut hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Danke für Ihren Kommentar Herr Schuberth. Ihr Aspekt die Vertreibungen nach dem WKII als Begründung für die jetzige unkontrollierte Einwanderung benutzen zu wollen ist ein guter Aspekt in dieser Diskussion.
Ich denke da werden 100er Schulklassen durchgeschleust und die Lehrer die Kriegsfolgen unserer Nation mit dem Schicksal der Kriegsflüchtlinge bevorzugt aus der muslimischen Welt geschickt vermischen, in Teilbereichen gleichstellen und vor allem in Erklärungen unseren Schuldkult weiter am Leben erhalten.
Und nein, ich mag Berlin nicht und werde deshalb dieses Museum nicht betreten.
Mir reicht das hier und jetzt.
Interessant: Differenzieren wir jetzt Schutzbedürftige danach, ob sie die richtigen Werte und die passende Religion haben?
Wer die nicht hat, darf weiter gefoltert werden, geht uns nichts an?
Wie wissen Sie eigentlich, ob jemand, der gerade erst angekommen ist, sich in die deutsche Gesellschaft integrieren wird?
Sieht man das an der Hautfarbe, oder - siehe oben - dann doch, in dem man nach seiner Religion fragt?
Davon völlig abgesehen bleibt natürlich der Fakt, dass Deutschland einen Weltkrieg mitverschuldet, einen zweiten ganz alleine ausgelöst hat.
Da muss man nicht auf das Thema Migration ausweichen. Auch wenn demnächst Wahlen ins Haus stehen, und das Thema der AfD nützlich sein könnte.
... vertrieben, hat nie darüber geredet und ich mich nur gewundert, dass er bei Krimis zu zittern anfing, sobald er eine Pistole sah. Erst durch einen Obermeister, der seinerzeit - ebenso alt - zum Tod verurteilt worden war und durch Mithilfe weiterer Gefangener nach Deutschland flüchten konnte, erfuhr ich Details bzgl. Vertreibung. Ich verurteile den tschechischen Staat trotzdem nicht, weil es eine andere Zeit war und die meisten nicht mehr leben. Erbschuld hab ich schon immer abgelehnt. Haben Sie ähnliche Erfahrungen oder geht es Ihnen nur um A(nti-)AfD...
Werter Herr Lenz,
nein, nat. sieht man auf den ersten Blick niemandem an, ob d er sich assimilieren will/wird, oder nicht.
Das war aber auch gar nicht von mir gemeint. Da haben Sie wohl selbst etwas überzogen, damit Ihr Kontra passt....aber egal.
Das es sehr viele Migranten - nicht nur bei uns - gibt die sich nicht assimilieren/integrieren wollen ist aber eine unbestreitbare Tatsache, oder leugnen Sie auch das?
Um diese Migranten ging es mir in m. Komm.
Werden die dann auch noch straffällig, dann müssen die raus.
Aber wir, mit unserer Hyper-Toleranz u. Hyper-Moral, wir alimentieren sie einfach weiterhin, selbst wenn alle Instanzen erfolglos geklagt wurde und sie Ausreisebescheide erhalten haben.
DAS ist ein Pulverfass mit nicht allzu langer Lunte.
Den sogn. Schuldkomplex aus dem WK II den dürfen Sie gerne für sich behalten.
Ich habe u. trage keine Erbschuld mit mir herum.
Übrigens genauso wie ihn Mio. anderer Menschen auch nicht tragen.
Die reale Geschichte Deutschlands in der Zeit von 1900 bis 1933 wird total ausgeblendet, totgeschwiegen. Aber gerade ein Rückblick darauf lässt alles in einem anderen Licht erscheinen. Nach 100 Jahren werden die Archive geöffnet und Historiker machen sich daran, die Fakten zu durchleuchten. Bücher wie "Die Schlafwandler von C. Clark", "Verborgene Geschichte" und "warum der Krieg nicht enden durfte" von G. Docherty & J. Mcgregor" erzählen etwas anderes. Im Internet kann man die Quellen recherchieren.
Männer wie Gerd Schultze-Röhnhof und Andreas von Bülow, angesehene Leute, die einen guten Ruf zu verlieren haben, haben die Ergebnisse ihre Recherchen in Büchern niedergeschrieben.
Ich selber war am letzten Wochenende Oktober 1961 in Washington zum Tag der Vereinten Nationen eingeladen, als Benjamin Freedman dort seine Rede hielt (kann im IN gelesen werden). Das Fazit daraus? Aus der Geschichte lernen.