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Auch „ostpreußische Ananas“ genannt: Die Steckrübe / dpa

Kochen im Corona-Lockdown - Steckrübeneintopf: Alles andere als ein „Notgericht“

Viele Zeitgenossen rümpfen die Nase, wenn von Steckrüben die Rede ist. Sie halten das Gericht für Viehfutter. Höchste Zeit, mit diesen Vorurteilen aufzuräumen, findet Rainer Balcerowiak. Eine Hommage an die ostpreußische Ananas.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es geht wieder los. Der „Lockdown light“  oder auch „Wellenbrecher-Lockdown“ ist beschlossene Sache und startet am Montag. Wer eine warme Mahlzeit zu sich nehmen will, kann dies bis auf Weiteres nicht in Restaurants und Gaststätten tun. Aber inzwischen sollten wir den Ernährungskampf am heimischen Herd ja einigermaßen beherrschen, es ist schließlich nicht der erste Lockdown. Und gerade in diesen harten Zeiten sollte die Losung dieser Kolumne (Genuss ist Notwehr) zu einer Art Lebensmaxime werden.

Immerhin: In Deutschland herrscht weder Krieg, noch drohen Hungersnöte. Wir müssen nicht auf Hamsterfahrt zu Bauern im Umland, um unser Tafelsilber gegen ein paar Kartoffelschalen einzutauschen, wie es die Weltkriegsgeneration zu berichten wusste. Wir müssen auch keine Bäume abholzen, um unsere Wohnungen zu heizen und die Flächen dann für die Aussaat von Wintergemüse zu nutzen, wie es beispielsweise im Berliner Tiergarten ab 1945 üblich war. Wir gehen – natürlich mit Maske – einfach weiterhin in Lebensmittelgeschäfte und auf Märkte und können aus einem nahezu unverändert vielfältigen Angebot auswählen.

Igitt, Viehfutter! 

Da erscheint es etwas merkwürdig, dass mein Genusstipp in dieser Woche ausgerechnet um Kohl- beziehungsweise Steckrüben kreist. Für die meisten Zeitgenossen sind diese uralten Kulturpflanzen eher Viehfutter, das von ihren Vorfahren zeitweilig notgedrungen gegen den blanken Hunger verzehrt werden musste.

Einen großen Auftritt als Bestandteil der menschlichen Ernährung hatte die Rübe im Kriegswinter 1916/17. Es erschienen mehrere Kochbücher, in denen sie die Hauptrolle spielt. Der Kreativität waren kaum Grenzen gesetzt.

Leckeres aus der „Ostpreußischen Ananas“

Es gab Rezepte für Steckrüben-Aufläufe, -Marmelade, -Suppen und sogar Steckrüben-Kaffee aus geraspeltem, im Ofen getrockneten und dann gemahlenem Fruchtfleisch. Auch die Bezeichnung der Steckrübe als „Ostpreußische Ananas“ ist überliefert. 

Doch mich treibt nicht die Nostalgie, sondern die mittlerweile wieder etwas stärker verbreitete Erkenntnis, dass ein Steckrübeneintopf eine leicht süßlich-würzige, exquisite Delikatesse sein kann, die noch dazu hervorragend in die kalte Jahreszeit passt. Beim Einkauf sollte man darauf achten, kleinere Rüben mit möglichst glatter Haut zu zu nehmen. Runzlige Monster-Exemplare können ziemlich holzig sein. Und jetzt wird gekocht.

Eigengeschmack soll erhalten bleiben

Wir starten mit einer in Ringe geschnittenen Gemüsezwiebel, die in Butter angeschwitzt und dann mit etwas Mehl bestäubt wird. Das wird dann mit Gemüsebrühe abgelöscht. Die gewürfelte Rübe zusammen mit Schweinebauch (in Scheiben, frisch, nicht geräuchert oder gepökelt) garen. 15 Minuten später kommen ebenfalls gewürfelte Kartoffeln dazu, maximal 15 Minuten mitgaren.

Jetzt sollte alles gar, aber noch bissfest sein. Außer Salz und Pfeffer dann eigentlich nur noch ein bisschen Lorbeerblatt und später Petersilie dazu geben. Schweinebauch kurz rausnehmen, in Würfel schneiden und zurück in den Eintopf geben. Ganz am Schluss noch etwas Petersilie. Wohl bekomm‘s.

Warnung vor der veganen Variante! 

Laut einigen Rezepten gehören auch Möhren und/oder Lauch dazu. Meines Erachtens ein schwerer Fehltritt von Leuten, die den würzigen Eigengeschmack der Kohlrübe möglichst verdecken wollen. Also VERBOTEN! Zumindest zweifelhaft sind auch vegan/vegetarische Varianten. Die schmecken in diesem Fall mit ziemlicher Sicherheit öde.

Das Garen der Rüben in dem Schweinebauch-Sud ist einfach ein aromatischer Volltreffer der besonderen Art, der sich nicht substituieren lässt. Und eines ist sicher: An Notküche in harten Kriegswintern erinnert dieser Eintopf ganz bestimmt nicht. Vielmehr ist er ein klares Statement zur Ehrenrettung der übel beleumdeten Steckrübe.  

Steckrüben-Eintopf

Zutaten für 4 Personen

1  kleine Steckrübe (ca. 1000 g)

1 Gemüsezwiebel

400 g Schweinebauch (in dicken Scheiben)

500 g mehlig kochende Kartoffeln

1 l Gemüsebrühe (Selbst gemacht aus Wurzelgemüse oder Instant)

Salz, Pfeffer (weiß, aus der Mühle), Lorbeer, Petersilie
 

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Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 31. Oktober 2020 - 13:54

Was haben Sie gegen Kühe, Herr Balcerowiak?
Seit ich gestillt habe, fühle ich mich denen sehr verbunden und habe hohen Respekt vor ihnen.
Falsch, ich war durchaus früher häufiger in Ställen und auf den Weiden, Nutztiere sind mir also sehr vertraut.
Nur am Rande, dummerweise reagiere ich auf Verbote nur, wenn sie mir einleuchten oder um des lieben Friedens Willen.
Leider liebte mein Vater mindestens von mir Widerworte.
Keine Bange, meine Gesellschaftlichkeit ist dennoch oder gerade deswegen stark ausgeprägt.
Ihr Vorschlag greift nur dann, wenn man Steckrüben deftig und würzig mag.
Ich liebe Süßes und also Steckrüben mit Möhren und Suppengrün/Gemüsebrühe.
Kartoffeln braucht es gar nicht.
You made my day, "Ostpreussenananas":)

und nehme statt Gemüse- lieber Hühnerbrühe, kein sonstiges Gemüse, nur wenige Kartoffeln. Und: süße Chilis, kleingeschnippelt. Den Bauch vom Schwein lasse ich weg, weil er mich zu sehr an den Eintopf von meiner Mutter erinnert, da ging ohne Deftiges nichts.

Da bin ich bei ihnen, befreunde Bauern necken mich ja immer, dass diese bei mir auf jeden Fall einen natürlichen Tod sterben würden.
Kann ich nicht gegen anreden. Ist nun mal so.
Also ich müsste (paradoxerweise, da ich Fleich nicht ungern esse) schon am Hungertuche nagen. Ehe ich selbst Hand an an sie lege.

Karsten Paulsen | Sa., 31. Oktober 2020 - 15:04

Die einzig wahre Variante ... ist die Ostfriesische:

Lorbeer, reichlich Senfkörner und kleingeschittene Möhren aufkochen. In das kochende Wasser durchwachsenen schieren Bauchspeck legen und alles zusammen 40 Minuten kochen. Die kleingeschnittene Steckrübe mit 3-4 kleingeschnittenen Kartoffeln Majoran, Salz, Zucker und Pfeffer schichten oben drauf (ganz wichtig!) Mettenden legen. Ohne Mettenden wird das nichts. Alles zusammen eine knappe halbe Stunde kochen, Fleisch und Mettenden herausnehmen und das ganze mit Sahne stampfen. Mettenden und Bauchfleisch wieder oben drauf ... fertig. Abends in der Pafnne noch einmal aufgebraten bis eine Kruste entsteht ... besser geht es nicht.

Michaela 29 Diederichs | Sa., 31. Oktober 2020 - 23:14

Dieser Eintopf ist Kult in unserer Familie. In keinem Fall Porree, Möhren oder ähnliches Gedöns. Geht wirklich gar nicht. Selbst mein längst verstorbener Vater, der die Rübe jahrzehntelang hasste, hatte sich mit dem Gemüse ausgesöhnt und es am Ende geliebt. Es war ja auch kein MUSS mehr, sondern Genuss.

Werner Kistritz | So., 1. November 2020 - 00:02

In den heutigen Zeiten ist die Steckrübe sicherlich ein eher untergeordnetes Problem. Mein Vater, der den Krieg noch mitgemacht hat, mochte zwei Sachen überhaupt nicht: Steckrüben und Graupen. Die hat der Führer laut Propaganda wahrscheinlich jeden Tag gegessen, und also auch das Volk. Zwangsweise.
Ich esse Steckrüben freiwillig sehr gern, allerdings gehört für mich unbedingt eine kräftige Rindfleischbrühe und bunter Pfeffer dazu. Steckrüben haben nun mal einen etwas herben Beigeschmack, und von daher ist die Kombination mit eher süßlichen Möhren sicher nicht verkehrt.
Hier geht es um kräftige Aromen, Schweinefleisch ist da fehl am Platz.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 1. November 2020 - 13:55

Antwort auf von Werner Kistritz

"Sage mir, was du als Kind gegessen hast und ich sage dir wann du geboren wurdest..."
Nicht persönlich gemeint, aber ja, beides kenne ich gut und ich mochte beides sehr.