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Selbstständige kommen oft aus dem Entertainment-Sektor, der Hotellerie, Gastronomie oder sind Kulturschaffende / dpa

Regierung plant Corona-Unternehmerlohn - „Kurzarbeitergeld für Selbstständige“

Corona beschleunigt nicht nur den Strukturwandel vieler Branchen. Mit dem Konzept eines Unternehmerlohns will die Regierung nun Selbstständige grundlegend besser stellen. Diese Revolution der Arbeitslosenversicherung, kommt zu spät, ist aber wichtig, sagt Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom IAB.

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Prof. Enzo Weber arbeitet am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter andere zu Arbeitsmarktreformen, Arbeitsmarktdynamik, Arbeitsmarktpolitik sowie zu technologischem Wandel und Digitalisierung.

Herr Weber, der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat gestern verkündet, er wolle sich in der Koalition für einen sogenannten Unternehmerlohn einsetzen. Was hat es damit auf sich?
Im Grunde geht es hier um eine Art Kurzarbeitergeld für Selbstständige. Während der Coronakrise wurden zwar viele Unterstützungshilfen für Unternehmen geschaffen. Dabei ging es aber vornehmlich etwa um zu deckende Fixkosten wie Ladenmieten, nicht aber um den Lebensunterhalt der Unternehmer selbst. Darüber gab es zunächst auch Unsicherheit.

Die rund 1,5 Millionen Selbstständigen in Deutschland verdienen sehr unterschiedlich. Wie hoch soll so ein Unternehmerlohn denn sein und wäre das ein einheitlicher Betrag?
Das Problem ist, mit Corona ist das Kind sozusagen schon in den Brunnen gefallen und wir haben jetzt keine Zeit mehr, auf die Schnelle ein wirklich ausgereiftes System zu schaffen. Tatsächlich hätten wir längst eine umfassende Arbeitslosenversicherung für Selbstständige gebraucht, die den unmittelbaren Weg in die Grundsicherung vermeidet. Da es die aber bislang nicht gibt, wird es nun wohl vorerst darauf hinauslaufen, dass ein fester monatlicher Betrag ausgezahlt wird.

Droht dann nicht die Gefahr, dass Menschen Geld vom Staat beziehen können, die es eigentlich nicht brauchen?
Natürlich muss und wird es Kriterien geben. So wie derzeit nicht an jeden Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld ausgezahlt wird, wird auch nicht an jeden Selbstständigen Unternehmerlohn ausgezahlt werden. Es soll nur jenen helfen, die durch die Krise extrem wirtschaftlich getroffen sind. Das sind zum Beispiel Kulturschaffende, die Veranstaltungsbranche, aber auch Gastronomie und Hotellerie.

Enzo Weber
Enzo Weber / IAB

Die Idee dahinter ist, dass Selbstständige ihr Geschäft nicht komplett aufgeben müssen, sondern sofort wieder loslegen können, sobald die Krise überwunden sein wird?
Ja, so wie bei allen unterstützenden Maßnahmen derzeit. Es geht darum, einen Zeitraum, der hoffentlich nicht mehr sehr lange andauert zu überbrücken – ohne dass ganze Strukturen zusammenbrechen oder Fachkräfte verschwinden, die für einen kommenden Aufschwung dringend benötigt werden. Wir gehen zwar durch eine Phase der Transformation. Wir werden zwar aus der Krise anders hervorgehen als wir reingegangen sind. Aber wir müssen eben jene Leute in besonderem Maße schützen, die gerade einen nicht selbst verschuldeten Preis dafür bezahlen, dass wir die Pandemie eindämmen müssen. Deren Unternehmen dann auch noch von Zombie-Firmen zu sprechen, halte ich für ziemlich respektlos.

Seit März haben viele Selbstständige in Deutschland einen Umsatzeinbruch von 100 Prozent zu verkraften. Warum wird die Politik erst jetzt mit der Idee des Unternehmerlohns konkret?
Schlicht, weil man bislang auf ein anderes Konzept gesetzt hat. Man wollte durch die Fixkostenzuschüsse und Kredite das Schlimmste abfangen. Der Rest sollte durch die Grundsicherung aufgefangen werden, die entsprechend geöffnet wurde. Diese kam für viele Selbständige aber nicht infrage, auch wegen der Bedürftigkeitsprüfung. Viele Menschen, die Kurzarbeitergeld beziehen, sind ja ebenso nicht bedürftig. Beinahe im Monatsrhythmus hat die Regierung Programme entwickelt. Jetzt den Vorwurf zu formulieren, das gehe alles zu langsam, wäre etwas ungerecht. Jetzt aber ist die Pandemie da und sie könnte dazu führen, dass die Sozialversicherungssituation von Selbstständigen in Deutschland grundsätzlich neu geregelt wird.

Sie selbst haben vor wenigen Tagen ein Konzept veröffentlicht, das den Aufbau eines Arbeitslosversicherungssystems für Selbstständige vorschlägt. Aber das fordern Sie unabhängig von Corona. Warum?
Auch wenn Corona uns aktuell vor Augen führt, wie wichtig so ein System ist. Es geht um etwas Grundsätzliches, das wir eigentlich auch ohne diese Krise benötigt hätten. In vielen Ländern gibt es zwar bereits Systeme, in die Selbständige freiwillig einzahlen können. Nur wenige nehmen aber daran teil. Aber an sich gibt es den gleichen Bedarf wie bei Arbeitnehmern. Zum einen ein Arbeitslosengeld, wenn das Geschäft wirklich aufgegeben ist. Zum anderen eben so ein Kurzarbeitergeld, wenn das Geschäft zwar weitergeführt wird, es aber gravierenden Arbeitsausfall gibt, der auf diese Weise überbrückt werden kann. Was allerdings nicht passieren darf: Dass so ein System genutzt würde, um kurzfristige Schwankungen in der Auftragslage standardmäßig bequem auszugleichen. Da braucht es gute Bedingungen.

Rechnen Sie nun mit einer zügigen Umsetzung der Pläne von Wirtschaftsminister Altmaier?
Die zweite Welle verlängert die Krise noch einmal und zeigt Handlungsnotwendigkeiten auf. Ich glaube schon, dass es bald eine Entscheidung geben wird.

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Bernd Muhlack | Fr., 23. Oktober 2020 - 21:45

Dr. Helmut Kohl.

Rechnen Sie nun mit einer zügigen Umsetzung der Pläne von Wirtschaftsminister Altmaier?

Die zweite Welle verlängert die Krise noch einmal und zeigt Handlungsnotwendigkeiten auf.
Ich glaube schon, dass es bald eine Entscheidung geben wird.

Eigentlich erübrigt sich nach diesen Schlusssätzen jeder Kommentar - alles ist damit gesagt, wie immer.
... bald eine Entscheidung ...
... also zeitnah, etwa bis ähh ...
... jetzt nageln Sie mich nicht auf einen festen Termin, einen jour fixe fest!

Beamte, Pensionäre haben insoweit kein Problem.
Es steht jedoch jedem frei diesen Status zu erreichen.

Ein Bekannter ist Einzelunternehmer, ein Reisebüro. Natürlich seit Monaten tote Hose. Er ist gelernter Schreiner und hilft "unter der Hand" bei einer Schreinerei aus.
Na und?
Cum-Ex-Deals sind schlimmer!

"Corona kann auch eine Chance sein." sagte Dr. Schäuble.
Wenn man das gugelt kann einem bei den Treffern "anders" werden.

Like Erich Mielke: "Ihre Angst ist unsere Macht."

Werner Kistritz | Fr., 23. Oktober 2020 - 22:06

Als ausgebeuteter Arbeitnehmer kann man nur staunen. Unternehmer sind doch die, die unternehmen und sich vom Staat nichts sagen lassen wollen. Die beanspruchen das hundertfache Gehalt, weil sie ja schließlich das Risiko und die Verantwortung tragen. So erzählen sie es uns jedenfalls. Geht etwas schief, drehen sie sich auf den Rücken und jammern: "helft mir, helft mir!"
Sagen wir mal so: Unternehmer sind geil auf Kohle und nutzen jede Möglichkeit, um an sie ran zu kommen. Aber dabei wollen sie natürlich keine Hartz-vier-Frondienste leisten wie unsereins.
Altmaier hat so einen Schmiss, ich denke von einer Burschenschaft. Das Gedankengut ist bekannt. Man ist unter sich und schiebt sich gegenseitig die Vorteile zu. Im Moment soll der "arme Unternehmer " das Bild sein, genauso falsch wie die "schwäbische Hausfrau", oder der "Mann auf der Straße". Was für eine Vera...!

Armin Latell | Sa., 24. Oktober 2020 - 11:06

Antwort auf von Werner Kistritz

Marx und Lenin konsumiert? Zu Nebenwirkungen fragen Sie Kühnert oder Esken.

Yvonne Stange | Sa., 24. Oktober 2020 - 13:37

Antwort auf von Werner Kistritz

Sie denken scheinbar bei "Unternehmer" an den feisten Kapitalisten der die Joppe nicht mehr zu bekommt? Im Gegenteil! Um die braucht man sich keine Sorgen zu machen. Ich denke eher an die vielen vielen Einzelunternehmer, die jetzt wirklich aufgeben müssen und denen meist nur der Gang zum Jobcenter bleibt, wo ihnen allerdings erst einmal vorgerechnet wird, daß sie erstmal ihre finanziellen Vorräte aufbrauchen müssen! Es gibt viele Klein- und Kleinstunternehmen, denen wirklich das Wasser bis zum Halse steht - allerdings ist die Hoffnung verschwindend gering, das denen wirklich geholfen wird!! Ihre süffisante Arrogonz ist fehlt am Platze! Viele haben sich nur selbständig gemacht, um eben nicht Arbeitslosengeld oder H4 beantragen zu müssen und wurstelten eben so hin. Dann kam Corona....
In den Zeiten rettet einen auch kein ehrlicher Beruf mehr als Selbständiger. Denn wenn die Kunden kein Geld mehr haben, wer kauft dann? Oder wer nimmt noch Dienstleistungen in Anspruch?

Ernst-Günther Konrad | Sa., 24. Oktober 2020 - 09:55

Warum gibt es nicht schon längst eine Pflichtarbeitslosenversicherung für Unternehmer? Erst werden durch die Pandemie und dem völlig unnötigen Lockdown die Probleme geschaffen und jetzt zaubert man eine Lösung herbei?
Um es mal klar zusagen. Vor der Pandemie und dem Corna Wahnsinn gab es schon etliche Unternehmen, ob klein oder groß, die auf der Kippe standen und unrentabel waren. Das sind die Zombieunternehmen, die sie so oberflächlich mit all denen gleich stellen, die täglich als vor allem Kleinunternehmer ihr Einkommen hatten, eben nicht insolvent wären, wenn nicht dieser Lockdown diese Menschen in die Knie gezwungen hätte. Sie vermischen da bewusst Zombieunternehmen mit denen vom Staat bankrott pandemisierten Kleinunternehmen. Aha. Freiwillig hätte man sich also schon absichern können. Warum haben das die meisten denn nicht getan? Wann werden die erste Strafverfahren kommen, wegen Leistungsbetrug durch nicht Anspruchsberechtigte.
Hört endlich mit dem Lockdown Wahnsinn auf.

lieber Herr Konrad.
Ich selbst bin eine Beamte und habe derzeit keine Einbußen.
Man Vater, 63 J., arbeitet seit seinem 16 Lebensjahr und zahlt seither in sämtliche Pflichtversicherungen ein.
2002 machte er sich selbständig als Gastronom, da er auf dem Bau nicht mehr arbeiten konnte.
Seit Mai bekommt er daher Arbeitslosengeld. Befristet auf 12 Monate.
In Rente kann er frühestens im November gehen. Frührente war vor Corona keine Option.
Die Soforthilfen decken 80% seiner betrieblichen Kosten.
Privat hat er das Glück, dass meine Mutter schon sehr lange wieder in Vollzeit arbeitet.
Ohne das Gehalt meiner Mutter wären sämtliche Ersparnisse für die Rente dahin.
Auch den Kredit für das Haus könnte man sich nicht mehr leisten.
Der Staat wollte, dass Menschen für ihre Rente sparen. Jetzt werden sämtliche Ersparnisse aufgebraucht. Zusätzlich sind die Rentenkassen leer.
Wo ist hier der Fehler?

Felix Augustin | Sa., 24. Oktober 2020 - 18:22

Kaum zu glauben mit welch Selbstverständlichkeit hier eine (Pflicht)arbeitslosenversicherung für Selbstständige gefordert wird! Es gehört zum Unternehmertum dazu, so zu wirtschaften, dass man auch einen Krise eine Zeit lang überstehen kann. Und wenn das nicht funktioniert wird eben eng. Nennt sich unternehmerisches Risiko.
Wer die zahlreichen Angebote wegen einer Bedürftigkeitsprüfung nicht annehmen will, dem scheint es offenbar doch nicht so schlecht zu gehen.