- Römischer Weißwein für laue Sommerabende
In der Weinszene tummeln sich sich auch zahlreiche Blender, Scharlatane und Snobs. Höchste Zeit, da mal was gerade zu rücken, findet Rainer Balcerowiak. Und empfiehlt eine fast vergessene Rebsorte der südlichen Mosel als tollen Sommerwein: den Elbling.
Eine Kolumne, die sich Genussfragen widmet, kommt natürlich am Thema Wein nicht vorbei. Zumal sich auch viele mehr oder weniger ambitionierte Hobbyköche, die hier wöchentlich mit Rezepten und kleinen Geschichten erbaut werden sollen, bestimmt mitunter die Frage stellen: „Was was trinkt man dazu?“ Und vielleicht will man manchmal einfach einen richtig guten Wein trinken, unabhängig vom Essen.
Doch woran erkennt man einen sehr guten Wein? Am Preis? Kein gutes Kriterium, denn es gibt Weine rund um sechs Euro, die enorm viel zu bieten haben und einen klaren Charakter aufweisen. Und es gibt Weine für 20 Euro plus, die ausgesprochen langweilig oder grotesk überladen sind.
Das PR-Gedöns bitte ignorieren
Nun kann man einfach sagen: „Ein richtig guter Wein ist einer, der mir richtig gut schmeckt.“ Sehr gut! Wer so ran geht, hat es jedenfalls geschafft, sich von dem ganzen Distinktionsgetue mit edlen oder berühmten“Weinen fernzuhalten und nicht auf jeder Modewelle vom „Orange Wine“ (der nicht selten nach fauliger Pappe riecht und schmeckt) bis hin zu allerlei esoterischen Unfug (im Weinberg vergrabene Kuhmisthörner) mitzusurfen.
Der ist dann vielleicht auch weniger empfänglich für das absurde Werbe- und PR-Gedöns, das einem vom Lidl-Propekt bis zum hochpreisigen „Fachmagazin“ und auch aus zahlreichen Büchern und Internetforen entgegen blubbert. Da werden mitunter die müdesten Weine mit abenteuerlichen Aromencocktails assoziiert, oder Weine von verhinderten Lyrikern mit Attributen wie „viskos geschichtet“ oder „zwischen tiefer, innerer Ruhe und schier überbordender Kraft“ versehen.
Geschmack entsteht nicht von alleine
Zurück zum eigenen Geschmack. Mit dem verhält es sich ähnlich, wie bei vielen anderen Dingen. Um ihn wirklich entfalten zu können, muss man ihn weiter bilden. Man braucht Neugierde und Interesse an neuen Geschmackserfahrungen, seien sie positiv oder negativ. Mit der alten Maxime „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“ kommt man bei Wein jedenfalls nicht besonders weit und verharrt in recht eng begrenzten Geschmacksstereotypen.
Dazu noch eine These: Den sehr guten Wein an und für sich gibt es schlicht nicht. Die Größe eines Weins entsteht immer im Kontext seines Genusses. Ein gereifter, schwerer Burgunder „Grand Cru“ wäre als Entspannungs-Drink in der warmen Abendsonne auf der Terrasse wohl ähnlich deplatziert, wie ein leichter feinherber Riesling zum Gänsebraten.
Ignoriert die Weinsnobs: Probiert Elbling!
Und wer ein Glas Wein zu einem guten Stück Musik aus der heimischen Stereoanlage genießen will, wird wohl zu Partiten und Sonaten für Solo-Violine von Johann Sebastian Bach, einer bombastischen Sinfonie von Dmitri Schostakovitsch und einer Liveaufnahme der „Toten Hosen“ kaum einen gleichermaßen zur Stimmung passenden Wein finden.
Genug der Theorie, bevor es zu trocken wird. Wir haben Sommer und vor allem auch laue Sommerabende. Die beste Zeit, sich wenigstens probeweise einer Rebsorte anzunähern, die von Weinsnobs nicht mal mit der Kneifzange angefasst und mit Schmähungen wie „säuerlich“, „anspruchsloser Massenwein“ oder „von minderer Qualität“ versehen wird.
Prägnante Säure
Die Rede ist vom Elbling, der – von den Römern vor rund 2000 Jahren mitgebracht – bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts auf einem großen Teil der deutschen Rebflächen stand, bevor er dann rapide verdrängt und in einigen Regionen sogar verboten wurde. Sein letztes großes Refugium hat er auf den Muschelkalkböden der Mosel, südlich von Trier.
Viele Jahrzehnte diente er hauptsächlich als billiger Grundwein für die Herstellung einfacher Sekte oder als Schoppenwein der einfachsten Kategorie. Doch längst haben einige engagierte Winzer diese fast vergessene Perle der Weinkultur wieder entdeckt und kultivieren Elbling so, wie er sein sollte: Mit niedrigen Erträgen, sehr trocken und leicht ausgebaut, mit prägnanter Säure.
Kein Elbling über acht Euro
Auf dieser Grundlage entfaltet ein guter Elbling dann zarte, leicht blumige Noten und ganz dezente Aromen von herben Kernfrüchten. Es ist ein wunderbarer, erfrischender Sommerwein und ein hervorragender Begleiter zu Austern und leichten Fischgerichten.
Natürlich braucht es für die Renaissance einer fast vergessenen und viel geschmähten Rebsorte auch Pioniere. Stellvertretend für all die Winzer der Südmosel, die ihrer alte Stammsorte jetzt wieder zu neuem Ruhm verholfen haben, seien drei Betriebe genannt, deren Elbling-Weine man vielleicht mal mal probieren sollte, um einen Eindruck zu bekommen: Das Weingut Stephan Steinmetz, das Weingut Schloss Thorn und das Weingut Ernst Hein. Und was den Preis betrifft: Es ist ziemlich schwierig, einen Elbling zu finden, der mehr als sieben oder acht Euro kostet.
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Ja, nach wie vor den "Gutedel" von Ihnen bestätigt! Auch zu Austern genießbar. Ja,Herr Bolcerowika?
Jedoch einen 2000 Jahre alten Elbling - auch wenn er von den Römern mitgebracht wurde.
Ich mag Antiquitäten, doch beim 2000er Elbling hört das "mögen" auf.
Sie vergaßen "Weingut Rainer Bolcerowik".
MfG
Nein, ich bin kein Weintrinker, kenne mich in diesem Gebiet nicht aus.
Bei etwaigem Bedarf frage ich meine Mutter, sie ist insoweit ziemlich kompetent.
Die Mosel ist ja ein sehr kurvenreicher, mäandernder Fluss, mündet bei Koblenz am Deutschen Eck in den Rhein.
Ja, in Rheinland-Pfalz gibt es sehr viel Weinbau.
Im Moseltal und am Mittelrhein befinden sich diese Steilhänge, meist mit Schiefergestein.
Ich bin gebürtiger Koblenzer, also e Schängelsche
und verfüge somit zumindest über diese grundlegenden Kenntnisse.
Ich habe Ihren Artikel an das BM für Landwirtschaft etc. weiter geleitet:
TOP SECRET - CHEFSACHE!
Also einzig und allein für unsere Julia Klöckner, deutsche Weinkönigin in 1995!
Früher waren die Landwirtschaftsminister ja eher solche ruralen, feist-drallen Zeitgenossen im Sinne eines Deix-Cartoons; pantha rei.
Übrigens: der Tipp mit den Schmorgurken war prima, ich kannte die nicht.
Wie sangen damals die Rodgau Monotones?
Unne hipp unne hopp un de Schoppe inne Kopp!
Wie recht Sie haben; ein sehr schöner und ausgewogener Artikel, der sich auch nicht scheut, die "Weinszene" treffend zu kritisieren!
Leider gibt es am Ende doch einen Wermutstropfen! Zwar werden einige Weingüter rechts der Mosel genannt, aber die eigentlichen Bewahrer des Elbling und qualitativ besseren Weingüter links der Mosel, zum Beispiel in Remich, werden mit keiner Silbe erwähnt! Schade
Ich habe in der Tat nur Güter auf der deutschen Seite der südlichen Mosel erwähnt. Aus einem einfachen Grund: Es ist nach wie vor recht schwierig und vor allem ziemlich teuer, Weine aus Luxemburg zu bestellen und in deutschen Weingeschäften sind sie so gut wie nicht erhältlich.