Der US-Politiker und ehemalige Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders spricht am 31.05.2017 in Berlin im Ullstein-Verlag mit einem Journalisten der Deutschen Presse-Agentur
Bereits 2016 wurde nichts aus seiner Kandidatur für das Weiße Haus. Ob es dieses Mal anders läuft? / picture alliance

Bernie Sanders - Erst radikal, jetzt fast schon normal

Bernie Sanders hat seine Kandidatur für den Präsidentschafts- wahlkampf in den USA bekannt gegeben. Doch bereits 2016 unterlag er seiner innerparteilichen Gegenkandidatin Hillary Clinton. Hat er als alter, weißer Mann noch eine Chance?

Daniel C. Schmidt

Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Zwei alte, weiße Männer bestimmten am Dienstagmorgen in Amerika die Nachrichtenlage: Der eine, 85 Jahre alt, hatte sich um Mode verdient gemacht und war in Paris gestorben. Der andere, 77 Jahre alt, hat sich um den Linksruck der Demokraten verdient gemacht und mit einer Ankündigung für Schlagzeilen gesorgt.

War der Tod von Karl Lagerfeld noch überraschend, kam Bernie Sanders’ Entscheidung, nach 2016 sich noch einmal um das Amt des Präsidenten zu bewerben, im politischen Washington nicht ganz ohne Vorwarnung. „Wenn es aussieht, dass irgendjemand, aus welchem Grund auch immer, einen besseren Job machen sollte als ich“, sagte Sanders in einem Interview im Sommer 2018, „dann werde ich mir den Hintern aufreißen, damit sie oder er gewählt wird.“ Aber, fügte er damals hinzu, „falls es so aussehen sollte, dass ich der beste Kandidat bin, um Donald Trump zu schlagen, dann werde ich kandidieren.“

Ein Schritt nach links

Wie es aussieht, hält der Senator aus Vermont sich also anscheinend für den aussichtsreichsten Kandidaten – sonst hätte er das Feld womöglich einer der vielen Kandidatinnen überlassen, die in den vergangenen Wochen ihre Bewerbungen um das Amt angekündigt hatten. 2015, als Sanders seine Kandidatur bekannt gab, war die Konkurrenz unter den Demokraten klein, wenn auch mächtig: Es galt, Hillary Clinton zu schlagen

Schon damals stand die Frage im Raum, ob er mit seinem linken Wirtschaftspopulismus nicht die besseren Chancen gegen Donald Trump haben würde. Das ist, im Nachhinein, natürlich reine Spekulation, was aber Fakt ist, ist, dass es Sanders war, der Clinton dazu zwang, linkere Positionen einzunehmen. Dadurch machte auch die Partei selbst einen gehörigen Schritt nach links. 

Eine Bürgerversicherung, einen höheren Mindestlohn, öffentliche Hochschulen ohne Studiengebühren, strikterer Umweltschutz – mit diesen Forderungen begeisterte der damals 74 Jahre alte Politiker vor allem junge Erstwähler. Heute sind all diese Anliegen hingegen keine außergewöhnlichen Themen mehr für einen Demokratischen Politiker. Das weiß auch Sanders, der diesen Umstand bei seiner Ankündigung thematisierte.

Der demokratische Sozialist

„Vor drei Jahren, während unseres Wahlkampfes 2016, als wir uns für unsere progressive Agenda stark gemacht haben, sagte man uns, unsere Ideen seien ‚radikal‘ und ‚extrem‘“, schrieb er am Dienstag in einer Email an seine Anhänger, in der er seine Kandidatur ankündigte. „Drei Jahre sind seitdem vergangen. Und mithilfe von Millionen von Amerikanern, die aufgestanden sind und dagegenhalten, werden diese und noch viele weitere Anliegen jetzt von einer Mehrheit im Land unterstützt.“

Sanders ist jemand, der sein Außenseitertum unter den Demokraten nur allzu gern kultiviert. Er nutzt die Infrastruktur der Partei, weigert sich aber, ihr beizutreten. Er selbst nennt sich einen demokratischen Sozialisten. 2016 hatte er gegen Clinton den Vorteil, sich als Architekt eines Linksrucks gegen das Partei-Establishment gerieren zu können. Mindestlohn, Studiengebühren, Umwelt, das waren seine Themen. Heute ist er bloß einer von vielen, der diese Positionen vertritt. Warum sollte man also einen Politiker wählen, der bei Amtsantritt 79 Jahre alt wäre, wenn man ähnliche Positionen bei vielen anderen Kandidaten findet, die aufgrund ihres Alter und ihrer Herkunft der Partei einen zukunftweisenderen Anstrich geben würden?

Ähnlichkeiten zu Trump

Das politische Klima hat sich seit 2016 verändert, im Land wie in der Partei. Für Sanders und seine Anhänger geht es nicht mehr um die Frage „Clinton oder nicht Clinton?“, sondern darum, ob es reicht, Donald Trump abzulösen. Sanders‘ Wirtschaftspopulismus ist dem von Trump nicht unähnlich. Beide brüsten sich mit ihrer Anti-Establishment-Haltung.

So glaubt Sanders’ Team auch, dass er gegenüber Trump in Regionen einen Vorteil hat, die entscheidend sind auf dem Weg ins Weiße Haus. Laut Ben Tulchin, einem Wahlforscher aus San Francisco, würde Sanders zum Beispiel in West Virginia im direkten Vergleich mit zwei Prozentpunkten vor dem Präsidenten liegen, obwohl Trump in dem Bundesstaat gegen Hillary Clinton eins seiner besten Ergebnisse holte. Sanders könnte, so die Vorstellung, in den Regionen auftrumpfen, in denen für die gestandene Karrierepolitikerin gegen den Politikneuling Trump die Wahl verloren ging. 

Ein Problem bleibt

Bis es soweit ist, muss Sanders sich allerdings gegen die anderen Demokraten durchsetzen. Wobei er eine deutliche Schwachstelle hat, die ihn die Nominierung kosten könnte – und einen großen Vorteil vor fast allen anderen Kandidaten. 

Schon 2016 hatte Sanders ein Problem, sich gegen Clinton durchzusetzen, weil viele afro-amerikanische Wähler nichts mit ihm anfangen konnten. Ohne diese Wählerschicht ist es in jüngster Vergangenheit keinem Demokraten gelungen, sich die Nominierung der Partei zu sichern. Hier hat Sanders eine deutliche Schwäche, zumal mit Cory Booker und Kamala Harris auch noch zwei schwarze Politiker gegen ihn antreten. 

Seit dem Wahlkampf 2016 verfügt er jedoch unter allen Demokratischen Kandidaten über die umfangreichste Liste mit Kontaktdaten, um Wähler zu mobilisieren. Und wie es scheint, kann Bernie Sanders sich immer noch auf die von ihm in Gang gesetzte Graswurzelbewegung verlassen: Am Dienstag sammelte er innerhalb von zehn Stunden dank 120.000 Einzelspendern 3,3 Millionen Dollar ein. Mehr als doppelt so viel wie die zweitbeste Kandidatin: Kamala Harris kam innerhalb der ersten 24 Stunden nach Ankündigung ihrer Kandidatur bloß auf 1,5 Millionen Dollar.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 20. Februar 2019 - 12:51

die Absicht hatte, Frau Clinton zu schlagen, denn mit linkem Wirtschaftspopulismus hat noch nie jemand in den USA es geschafft, zum Präsidenten gewählt zu werden.
Damit will ich das Programm und dessen gute Implikationen für eine gerechtere Ordnung in den USA nicht kleinreden.
Ich weiss nicht, ob die Chancen darauf besser stehen für jemandem aus dem Milieu, dem es dann besser gehen soll.
Obama, das zeigt seine unangestrengte Klasse, kommt nicht daher, Intellektueller.
Aber er konnte viel bewirken.
Bei Sanders bin ich nicht sicher, möglich, dass er weiss, zu wem er spricht.
Sanders wurde wider Erwarten! so stark, Frau Clinton war einfach zu schwach, vor allem gegen Trump.
Nicht zuletzt gesundheitlich, sonst würde sie sich evtl. schon warmlaufen für die UNO.
Biden scheint mir mehr aus einem politischen Katalog gesprungen, zu unnahbar, politisch gestylt.
Obama hat die Latte sehr hoch gelegt, aber ich glaube nicht, dass sich seine Frau Michele das antun möchte, trotz Eignung!
NN

..Sanders die demokratischen Vorwahlen für sich entscheiden sollte, bleibt es völlig unklar, ob er Trump schlagen könnte.
Die zahlennmässige Mehrheit der US-Amerikaner mag Trump ablehnen, allerdings scheint fraglich, ob eine eher linke Politik in den eher konservativ gesinnten Schlüsselstaaten, die letztendlich für Trump den Ausschlag gaben, Chancen hat, zumal die US-Amerikaner seit Trumps Wahlantritt mit natonalistischer, oft rechtspopulistischer Demagogik berieselt werden.
Der möglicherweise talentierteste Kandidat der Demokraten, O'Rourke, unterlag beispielsweise in Texas einem christlich-konservativen Hardliner; dank Trump ist in den USA, wie z.B. auch unter Orban in Ungarn, die politische Grundstimmung nach "Rechts" gerückt. Das eigene Land zuerst - mit solch einer im Zeitalter der Globalisierung substanzlosen und aberwitzigen Parole können sich in den USA (oder auch in Brexit-GB) scheinbar viele Menschen identifizieren.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 20. Februar 2019 - 12:52

Das Ganze in den Staaten erinnert mich an einem Punkt an unsere eigenen Probleme. Es fehlt offenbar dort wie hier an jungen, innovativen, berufs- und lebenserfahrenen Personen zwischen 35 - 45 Jahren, die ein "neues" Denken entwickeln und an der ein oder anderen Stelle mal alte Zöpfe abschneidet, neu flechtet oder auch mal neue Wege gehen. Ob Sanders oder Trump ist doch eigentlich egal. Alte Männer, die Lebensweisheit vorspiegeln wollen bzw. einfach nur der Macht wegen das Präsidentenamt anstreben ohne oersönliche Befähigung zu haben. In den USA das gleiche wie bei uns. Der gescheite Nachwuchs fehlt. Macht, Intrigen und Verlogenheit kennzeichnen die politischen Führer. Die wenigsten, so wie bei uns auch, fühlen sich wirklich dem Volk verpflichtet, sondern kissbrauchen es für Ideologien. Da scheint mir derzeit keiner besser wie der andere zu sein, sieht man von den Umgangsformen ab, die zumindest Trump hin- und wieder vermissen lässt. Obwohl, er sagt was denkt. Die Ami's müssen wählen.

Gisela Fimiani | Mi., 20. Februar 2019 - 14:43

Mindestens gelingt es ihm abermals, die Demokraten vor sich her zu treiben. Je substanzloser die Partei wird, umso mehr wird Herr Sanders reüssieren.

Peter Brell | Mi., 20. Februar 2019 - 15:27

... lese ich im Vorspann. Hat es dieser dämliche (rassistische) Kampfbegriff der Linken nun auch in den CICERO geschafft?!
Schade eigentlich!

In der politischen Auseinandersetzung wohl eher eine Erfindung der Rechten: Der alte weisse bzw. der weisse Mann ganz allgemein wird als Opfer von Multikulti dargestellt.

Habe ich da etwas verwechselt?
Der Begriff des AVM ist mir in folgenden Zusammenhängen bzw. mit folgenden Personen ein Begriff:
-U. von der Leyen: „Corporate Germany is an old white man“ um die dt. Wirtschaft als unattraktiv zu qualifizieren
- Jamila Schäfer,Sprecherin der Grünen Jugend zu W. Kretschmann Überlegung, dass die Doppelspitze überholt sei
-Die Historikerin Anna Hájková sagte zum des Todes des Historikers Fritz Stern: „Die alten weißen straighten Männer sterben
-Terry Reintke (Die Grünen): „Wenn...Zeitung...dann sehe ich ein Europa der alten weißen Männer
-Jens Spahn & Peter Tauber erklärten: dass die CDU nicht länger als die Partei der „alten weißen Männer“ wahrgenommen werden wolle
...und ich dachte, dass diese Personen nicht dem rechten Spektrum angehören?
Vieleicht steckt da irgenwie die AfD hinter, da sind ja viele alte Männer drin?
Eigentlich wird der Begriff: AVM vor allem von Feministinnen als politisches Schlagwort gegen ihre Gegner verwendet.
EDDR!